Studie: Menschen entwickeln Desensibilisierung gegenüber Krankheiten, Tod durch COVID-19
20.07.2021 Obwohl die Menschen Anfang 2020 Toilettenpapier horteten, sich unablässig die Hände wuschen und das Haus nicht verlassen wollten, schrauben sie elf Monate später schon die Sicherheitsvorkehrungen für COVID-19 herunter und ignorieren Warnungen, wie eine neue Studie der University of California, Davis, zeigt.
Die Forscher des Fachbereichs für Kommunikation untersuchten auf Twitter die Reaktionen und Angstbekundungen der Menschen auf Nachrichtenartikel. Zusätzlich untersuchten sie die Reaktionen auf angstauslösende Gesundheitsnachrichten während der stetig steigenden COVID-19-Todesrate, berichtet Studienautorin Hannah Stevens.
Angst, Irrationalität und Abgestumpfheit
Die Forscher untersuchten, wie auf Twitter geteilte COVID-19-Nachrichten zu Beginn der Pandemie mit angstbesetzten Tweets beantwortet wurden, während gleichzeitig Panikkäufe, extreme soziale Distanzierung und Quarantänemaßnahmen stattfanden.
Trotz der gestiegenen Zahl der Todesopfer wichen diese Verhaltensweisen dann im Laufe der Zeit weniger besorgten Reaktionen auf COVID-19-Nachrichten, zusammen mit einem Anstieg der gesellschaftlichen Risikobereitschaft während dieses Zeitraums.
In erster Linie müssen wir verstehen, wie und warum beängstigende Gesundheitsnachrichten im Laufe der Zeit an Wirkung verloren haben, trotz der rapide ansteigenden Todeszahlen, sagt Stevens.
Überexposition
Die Autoren wollten die Annahme untersuchen, dass frühe angstbasierte Gesundheitsnachrichten in Nachrichtenberichten die Menschen signifikant zu Maßnahmen motivierten, um die Bedrohung zu kontrollieren, dass aber eine Überexposition gegenüber diesen Nachrichten die Menschen desensibilisiert (also abstumpft) – bzw. sie mit der Zeit weniger ängstlich werden lässt.
Während eines Zeitraums von 11 Monaten analysierte das Team mit Hilfe einer computergestützten Methodik die sprachlichen Angstwerte in Hunderten von COVID-19-Nachrichtenartikeln auf Twitter (‚Artikelangst‘) sowie die Angstwerte in den entsprechenden Tweets der Nutzer (‚Tweet-Angst‘). Anschließend verknüpften sie die Ergebnisse mit der COVID-19-Todesrate in den Vereinigten Staaten.
Wie vorhergesagt, ging nicht nur die steigende Zahl der Todesfälle mit einem niedrigeren Niveau der Artikelangst einher, auch ließ das Ausmaß nach, wie sehr die Artikelangst die Tweet-Angst der Nutzer erreichte, als die Zahl der Todesfälle anstieg (die Nutzer zeigten sich also immer abgestumpfter bzw. weniger ängstlich).
Sensibilisierung und Motivierung
Die Ergebnisse zeigen die Notwendigkeit tiefgründiger zu erforschen, wie man die Öffentlichkeit wieder sensibilisieren und motivieren kann, angesichts eines aktuellen Notfalls aktiv zu werden. Das Testen der Wirksamkeit verschiedener Strategien zur Kommunikation von Gesundheitsrisiken könnte in Zukunft möglicherweise den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten, so Stevens.
Wenn heute eine weitere Gesundheitskrise eintritt oder COVID-19 eine weitere Wendung zum Schlechteren nimmt, ist es für Vertreter des öffentlichen Gesundheitswesens unerlässlich zu bedenken, dass sie mit einer desensibilisierten Öffentlichkeit kommunizieren.
© psylex.de – Quellenangabe: Stevens HR, Oh YJ, Taylor LR; Desensitization to Fear-Inducing COVID-19 Health News on Twitter: Observational Study; JMIR Infodemiology 2021;1(1):e26876 – doi: 10.2196/26876