Autismus und Empathie

Empathie und Alexithymie bei Autisten

Über Einfühlungsvermögen und Gefühlsblindheit

29.03.2016 Eine in der Zeitschrift Scientific Reports veröffentlichte Studie der Universität Wien untersuchte in Experimenten die moralische Urteilsfähigkeit von Autisten. Die Ergebnisse widerlegen den Mythos über die mangelnde Empathiefähigkeit.

Moralische Entscheidungsfähigkeit

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Bild: Sophie Janotta

Die Wissenschaftler ließen in ihrer Studie autistische und nicht-autistische erwachsene Teilnehmer ethisch-moralische Entscheidungen in Gedankenexperimenten fällen.

Darin ging es um – in der Psychologie übliche Tests zur Erfassung der empathischen Anteilnahme und Feststellung moralischer Entscheidungsfähigkeiten – Dilemmata wie z.B.: Opfere ich eine Person, um mehrere Personen zu retten? Anschließend sollten die Testteilnehmer ein moralisches Urteil abgeben.

Es zeigte sich, dass sich Autisten und Nicht-Autisten nicht in ihren moralischen Urteilen unterschieden. Die Teilnehmer beider Gruppen verurteilten im gleichen Ausmaß, dass sie ein einzelnes Leben aktiv opfern sollten, um dafür die anderen retten zu können.

Die Wissenschaftler konnten in ihrer Studie zwei verschiedene Merkmale der autistischen Persönlichkeit identifizieren, wobei beide entgegengesetzte “Tendenzen aufweisen und sich daher gegenseitig aufheben”.

Alexithymie

Zeigt sich bei Autisten ein Mangel an Empathie, so ist dies nicht auf den Autismus selbst zurück zu führen, sondern auf eine Facette der autistischen Persönlichkeit: der Alexithymie – auch bekannt als Gefühlsblindheit, Gefühlskälte oder Gefühlslegasthenie, womit eine inadäquate emotionale Reaktion auf belastende Ereignisse bezeichnet wird (z.B. werden Übelkeit und ein klopfendes Herz nicht als Angst, sondern rein körperlich wahrgenommen).

Diese Facette ist mit einem mangelnden emotionalen Einfühlungsvermögen verbunden und zeigte sich in den Experimenten dadurch, dass “ein für andere Personen schädigendes Verhalten zugunsten eines nutzen-maximierenden Ergebnisses an den Tag” gelegt wurde.

Die andere ist der Autismus selbst, der mit “erhöhtem selbstbezogenen Distress assoziiert ist”, sagte Studienleiterin Giorgia Silani. Durch diesen Distress zieht sich der Autist aus belastenden sozialen Situationen zurück, wodurch es zur Verweigerung kommt, “ein für andere Personen schädigendes Verhalten” zu zeigen, auch wenn dies vorteilhaft für die Gruppe wäre.

Balanceakt der autistischen Persönlichkeit

Koautor Indrajeet Patil spricht von zwei Subdimensionen der autistischen Persönlichkeit, die aufeinander entgegen wirkende Kräfte ausübten. “Das endgültige moralische Urteil von AutistInnen hängt von der Balance dieser zwei ‘Gegenspieler’ ab”.

Die Forscher betonen die Wichtigkeit, Auswirkungen von Alexithymie bei anderen klinischen Störungen zu erforschen, die ebenfalls mit erhöhten Alexithymieausprägungen verbunden sind, wie z.B. Multiple Sklerose und Parkinson-Krankheit, da ansonsten die Mängel bei empathischen bzw. ethischen Fähigkeiten fälschlicherweise den jeweiligen Krankheitsbildern zugeschrieben werden könnten.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Wien, Scientific Reports; März 2016

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