Kindesmisshandlung, Kindesmissbrauch und das Gehirn

Kindesmisshandlung, Kindesmissbrauch
und das Gehirn

Missbrauch in der Kindheit beeinträchtigt Gehirn-Verbindungen

02.10.2017 Eine neue Studie zeigt, dass die langfristigen Auswirkungen traumatischer Kindheitserfahrungen, wie schwerer Missbrauch, möglicherweise auf eine gestörte Struktur und Funktion der Zellen im vorderen cingulären Cortex zurückzuführen sind.

Dies ist ein Teil des Gehirns, der eine wichtige Rolle bei der Regulation von Emotionen und Stimmung spielt.

Die Forscher glauben, dass diese Veränderungen zur Entstehung von depressiven Störungen und suizidalem Verhalten beitragen können.

Myelinisierung

myelinisation des gehirns
Bild: Stadien der Myelinisation im Gehirn (Hankem; Wiki)
Zeitliche Einordnung der Myelinisierung: dunkel (früh) – hell (später)

Für die optimale Funktion und Organisation des Gehirns müssen elektrische Signale, die von Neuronen benutzt werden, unter Umständen weite Strecken zurücklegen, um mit Zellen in anderen Regionen zu kommunizieren.

Die längeren Axone dieser Art sind in der Regel mit einem stark fetthaltigem Gewebe namens Myelin bedeckt. Die Myelinhüllen schützen die Axone und helfen ihnen bei der effizienteren Leitung elektrischer Signale.

Myelin baut sich vor allem während der Kindheit schrittweise auf (in einem Prozess, der als Myelinisierung bekannt ist) und reift dann bis ins frühe Erwachsenenalter weiter.

Anomalien in der weißen Substanz im Gehirn

Frühere Studien hatten signifikante Anomalien in der weißen Substanz im Gehirn von Personen gezeigt, die in der Kindheit missbraucht worden waren. Die weiße Substanz besteht zum größten Teil aus Milliarden von zusammenverlegten myelinisierten Nervenfasern.

Um ein klareres Bild der mikroskopischen Veränderungen im Gehirn von Erwachsenen zu erhalten, die unter Kindesmissbrauch bzw. Kindesmisshandlungen gelitten haben, wurden Gehirnproben aus der Douglas-Bell Canada Brain Bank (wo es neben der Hirnsubstanz selbst auch viele Informationen über das Leben ihrer Spender gibt) analysiert. Die Forscher konnten postmortale Hirnproben von drei verschiedenen Erwachsenengruppen vergleichen:

  1. Menschen, die Suizid begangen hatten, und unter Depressionen litten, sowie in der Kindheit missbraucht wurden;
  2. Menschen mit Depression, die Selbstmord begangen hatten, aber nicht in der Kindheit missbraucht wurden; und
  3. Hirngewebe von Personen ohne psychiatrische Erkrankungen und ohne Vorgeschichte von Kindesmisshandlungen.

Beeinträchtigte neuronale Konnektivität kann die Emotionsregulation beeinflussen

Die im Fachblatt American Journal of Psychiatry veröffentlichte Studie fand heraus, dass die Dicke der Myelinschicht eines signifikanten Anteils der Nervenfasern NUR im Gehirn derjenigen verringert war, die unter Kindesmissbrauch gelitten hatten.

Sie fanden auch grundlegende molekulare Veränderungen, die selektiv die Zellen beeinflussen, die für die Myelinbildung und -erhaltung verantwortlich sind.

Schließlich fanden sie Zunahmen in den Durchmessern von einigen der größten Axonen nur in dieser Gruppe.

Gyrus Cinguli, Amygdala und Nukleus accumbens

Die Neurowissenschaftler um Pierre-Eric Lutz von der Universität McGill vermuten, dass diese Änderungen zusammen die funktionelle Kopplung zwischen dem cingulären Cortex (Gyrus Cinguli) und subkortikalen Strukturen wie der Amygdala und dem Nukleus accumbens (Bereiche des Gehirns, die im Zusammenhang mit der Emotionsregulation und Belohnung und Zufriedenheit verbunden sind) verändern können und zu einer veränderten emotionalen Verarbeitung bei Menschen beitragen, die in der Kindheit missbraucht bzw. misshandelt wurden.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Widrigkeiten im frühen Leben eine Reihe von neuronalen Funktionen im anterioren cingulären Cortex nachhaltig stören können.

Und obwohl sie noch nicht wissen, wo im Gehirn und wann während der Entwicklung, und wie diese Effekte auf molekularer Ebene einen Einfluss auf die Emotionsregulation und Bindung haben, planen sie nun, dies in weiteren Studien zu erforschen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität McGill; American Journal of Psychiatry – DOI: 10.1176/appi.ajp.2017.16111286; Sept. 2017

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