Stottern und das Gehirn
Zu starke Hemmung der Sprechbewegungen durch Überaktivität in rechter Hirnhälfte
13.12.2017 Neurowissenschaftler des Max-Planck-Instituts haben mit Hilfe von MRT untersucht, was im Gehirn von stotternden Menschen passiert.
Vorherige Forschungsarbeiten konnten eine Störung zwischen der Aktivität der beiden Hemisphären (Hirnhälften) beim Stottern feststellen. Dabei zeigte sich, dass ein Bereich im linken frontalen Hirn sehr viel schwächer aktiviert wird als dieser Bereich in der rechten Hemisphäre.
Bild: Gerd Altmann
Doch was bedeutet diese unterschiedliche Aktivität im Gehirn und was löst sie aus? Versucht die rechte Hirnhälfte die geringere Aktivität der linken zu kompensieren, oder versucht die linke Hirnhälfte ein Zuviel der rechten auszugleichen?
Dazu untersuchten die Neurowissenschaftler Erwachsene, die seit ihrer Kindheit stotterten, und verglichen sie mit nicht-stotternden Teilnehmern. Diese sollten sich während der Gehirnscans vorstellen die Namen der Monate aufzusagen. Durch dieses imaginierte Sprechen sollte gewährleistet werden, dass die empfindlichen Magnetresonanztomographie-Signale nicht gestört werden.
Frontaler Aslant Trakt
Bei der Analyse der Hirnscans konnten die Forscher eine Nervenfaserbahn identifizieren, die bei den stotternden Probanden signifikant stärker entwickelt war.
Dabei stellten sie fest, dass das Stottern umso stärker ausgeprägt war, je stärker entwickelt der sogenannte Frontale Aslant Trakt (FAT) war.
Aus früheren Forschungsarbeiten wussten die Wissenschaftler bereits, dass der FAT bei der Feinabstimmung von Signalen involviert ist, die Bewegungen hemmen.
Zu starke Hemmung der Sprechbewegungen
Die Studienautoren um Nicole Neef vermuten deshalb, dass die stärkere Aktivierung dieses Netzwerkes und dessen ausgeprägtere Verknüpfungen nahelegen, dass die Ursache des Stotterns in der zu starken Hemmung der Sprechbewegungen liegt.
Überaktivität in rechter Hirnhälfte
Die zu große Aktivität in der rechten Hirnhälfte scheint also die wahre Ursache zu sein. “Die rechte untere Windung des Stirnhirns ist bei allen Menschen immer dann besonders aktiv, wenn wir Bewegungen wie Hand- oder Sprechbewegungen stoppen”, sagte Neef.
Wenn dieser Bereich aber überaktiv ist, tritt eine übergroße Hemmung auf. Bei Stotterern werden mit großer Wahrscheinlichkeit gerade die Gehirnregionen beeinflusst, die die Bewegungen beim Sprechen steuern, sagt sie.
Betroffen sind die sprechrelevanten Regionen im linken Stirnlappen, und hier besonders der linke Gyrus frontalis inferior, der bei der Sprechplanung eine wichtige Rolle spielt, und der linke motorische Cortex – zuständig dann für die Bewegungen beim Sprechen. Werden diese beiden Hirnprozesse übermäßig stark gehemmt, kommt es zum Stottern, sagt Neef.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften; Dez. 2017