Perzeptuelles Lernen, Wahrnehmungslernen

Perzeptuelles Lernen, Wahrnehmungslernen

Definition: Perzeptuelles Lernen – auch perzeptives Lernen oder Wahrnehmungslernen – bezeichnet die Adaption an Umweltbedingungen über wiederholte Wahrnehmung. Beispiel: Erst nach mehrmaliger Tastwahrnehmung lassen sich Objekte eindeutig zuordnen. Das perzeptuelle Gedächtnis ist der Ort, wo diese gelernten Wahrnehmungen gespeichert werden.

Stress (Cortisol) blockiert perzeptuelles Lernen

Eine im Fachblatt Psychoneuroendocrinology veröffentlichte Studie der Ruhr-Universität Bochum untersuchte, welche Auswirkungen Stress – genauer das Hormon Cortisol – auf unsere Sinne hat.

Sinne sind trainier- und verbesserbar, doch das Stresshormon kann offenbar nicht nur – wie wohl fast jedem mal aufgefallen ist – den Gedächtnisabruf hemmen, es kann auch diese Lernfähigkeit blockieren laut den neuen Befunden.

Der Tastsinn

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Bild: Gerd Altmann

In einem Experiment mit 30 Probanden untersuchten die Forscher, wie sich der Tastsinn nach einem sensorischen Training entwickelte. Dazu wurde 15 Versuchsteilnehmern während des Experiments Cortisol verabreicht; die anderen 15 bekamen ein Placebo.

Mit Hilfe der bewährten Methode der passiven Stimulation der Finger zeigten die Versuchspersonen nach dem Training eine verbesserte Entwicklung des Tastsinnes um ca. 15%. Gemessen wurde die Entfernung zweier Reize, bis zu der die Probanden die Stimuli noch als unterschiedliche Reize wahrnahmen: Je weiter die beiden Reize auseinander lagen, desto schlechter der Tastsinn bzw. je näher zusammen, desto besser war die Wahrnehmung.

Doch die Teilnehmer, denen Cortisol verabreicht worden war, zeigten so gut wie keine Verbesserung des Tastsinnes.

Plastizität der Sinnesareale des Gehirns wird gestört

“Unsere Daten zeigen, dass eine einzige Dosis des Stresshormons nicht nur die Erinnerungszentrale im Hippocampus stört, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Plastizität von Sinnesarealen des Gehirns hat”, sagte einer der Forscher Psychologie-Professor Dr. Oliver T. Wolf.

“Dass Stress das Abrufen von Erinnerungen verhindern kann, war uns schon bekannt. Jetzt wissen wir, dass Stress auch einen deutlichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung hat”, kommentierte Studienautor Dr. Hubert Dinse diese Beeinträchtigung des perzeptuellen Lernens.

Hemmung der Verstärkung der synaptischen Verbindungen

In früheren Studien fanden Wissenschaftler heraus, dass das Stresshormon Cortisol auf Zellebene die “Verstärkung von synaptischen Verbindungen – und damit die Lernfähigkeit des Gehirns – hemmt”. Daher vermuten Dinse und Kollegen, dass auch ihren Befunde Änderungen in der synaptischen Plastizität zugrundeliegen.

Die aktuellen Befunde zum perzeptuellen Lernen bzw. Wahrnehmungslernen könnten Auswirkungen auf Rehabilitationsinterventionen und die Behandlung von immunologischen und neurologischen Störungen haben, schließen die Forscher. Es sollte nun untersucht werden, welche möglichen Auswirkungen Kortikosteroide, dazu gehört auch Cortisol, auf Lernprozesse im Gehirn haben.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Ruhr-Universität Bochum, Psychoneuroendocrinology – 10.1016/j.psyneuen.2016.12.002; Jan. 2017

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