Großzügigkeit (Psychologie, Gehirn)

Großzügigkeit (Psychologie, Gehirn)

Persönlichkeitspsychologie

Definition: Großzügigkeit ist die Tugend, sich nicht von der Sorge um Besitztümer knebeln zu lassen, und anderen mit Wertgegenständen oder Leistungen zu helfen, ohne auf Gegenhilfe aus zu sein. Sie ist verbunden mit dem Altruismus.

Wissenschaftler lokalisieren Zentrum für Großzügigkeit im Gehirn

16.08.2016 Eine im Fachblatt PNAS veröffentlichte Studie der Universität Oxford und des University College London haben in einem Teil unseres Gehirns – dem subgenualen anterioren cingulären Cortex – unsere Großzügigkeit verortet. Die Entdeckung könnte das Verständnis für Störungen wie Psychopathie vergrößern, die zu extrem antisozialen Verhaltensweisen führt.

Prosoziale Verhaltensweisen

Studienleiterin Dr. Patricia Lockwood definiert großzügiges Verhalten: Prosoziale Verhaltensweisen sind soziale Handlungen, die einen Vorteil für andere Menschen bedeuten. Sie sind ein grundsätzlicher Aspekt menschlicher Interaktionen, essentiell für die Knüpfung sozialer Bindungen und den Zusammenhalt, aber nur wenig ist darüber bekannt, wie und warum Menschen anderen helfen.

Obwohl die Menschen eine bemerkenswerte Neigung haben, sich mit prosozialen Aktivitäten zu beschäftigen, gibt es wesentliche Unterschiede zwischen Individuen.

Empathie, die Fähigkeit indirekt die Gefühle einer anderen Person zu erfahren und zu verstehen, ist als ein wichtiger Motivator großzügigen Verhaltens vorgebracht worden, aber die Forscher wollten untersuchen, warum und wie sie verbunden sein könnten.

Prosoziales Verhalten lernen

Die Wissenschaftler benutzten ein gut funktionierendes Modell dessen, wie Menschen lernen, gute Ergebnisse für sich selbst zu maximieren, und verwendeten dieses Modell, um zu untersuchen, wie Menschen lernen, anderen zu helfen.

Während die Versuchspersonen von einem MRT gescannt wurden, sollten sie herausfinden, welche Symbole auf dem Bildschirm wahrscheinlicher ihnen selbst oder anderen eine Belohnung boten.

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Bild: Anteriorer cingulärer Cortex (orange);
der subgenuale Teil befindet sich unter dem ‘Knie’

Es stellte sich heraus, dass die Probanden zwar sogleich lernten, welche Optionen anderen Personen nützten, aber noch schneller lernten sie, was ihnen selbst Vorteile brachte.

Subgenualer anteriorer cingulärer Cortex

Und die Forscher konnten eine bestimmte Gehirnregion lokalisieren, die aktiviert wurde, wenn die Teilnehmer lernten, die besten Resultate für andere zu erzielen.

Lockwood sagte, ein spezifischer Teil des Gehirns – der subgenuale anteriore cinguläre Cortex – sei der einzige Teil des Gehirns gewesen, der bei diesen Lernvorgängen aktiviert wurde. Mit anderen Worten: Der weiter vorn gelegene Teil des Gyrus cinguli scheint besonders auf die Großzügigkeit gegenüber anderen ausgerichtet zu sein.

Faktor Empathie

Tatsächlich war dieses Gebiet des Gehirns aber nicht bei jeder Person gleichermaßen aktiv. Probanden, die sich selbst als empathischer sahen, lernten schneller die Symbole für Großzügigkeit als diejenigen Teilnehmer, die sich selbst eher als weniger empathisch sahen.

Sie zeigten auch eine erhöhte Aktivität in ihrem subgenualen vorderen cingulären Cortex, wenn sie anderen Gutes taten, sagten die Forscher.

Die Wissenschaftler konnten damit zum ersten Mal zeigen, dass ein bestimmter Prozess im Gehirn das Lernen prosozialen Verhaltens zeigt – und eine mögliche Verbindung zwischen Empathie und dem Lernen von Großzügigkeit.

Wenn wir verstehen, was das Gehirn bei großzügigen Handlungen macht, und was für die individuellen Unterschiede bei dieser Fähigkeit verantwortlich ist, werden wir besser verstehen, was bei denjenigen schief geht, deren psychologischer Zustand durch antisoziale Geringschätzung für andere charakterisiert werden, sagten sie.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Oxford, University College London, PNAS – doi: 10.1073/pnas.1603198113; August 2016

Studie entdeckt neuronale Verbindung zwischen Großzügigkeit und Glück / Zufriedenheit

11.07.2017 Laut einer in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlichten neuropsychologischen Studie der Universität Zürich macht eine großzügige Einstellung Menschen zufriedener – ungeachtet dessen, wie freigiebig man sich tatsächlich verhält.

Die Forscher um Philippe Tobler und Ernst Fehr untersuchten, was im Gehirn passiert und welche Hirnregionen aktiviert werden, wenn Menschen großzügig sind.

Ausmaß spielt für Zugewinn keine Rolle

In ihren psychologischen Experimenten stellten die Wissenschaftler fest: Sich großzügiger verhaltene Teilnehmer fühlten sich glücklicher als Versuchsteilnehmer, die sich weniger altruistisch verhielten.

Dabei spielte das Ausmaß beim Großzügigsein keine Rolle für das Ausmaß des Glücksgefühls. Tobler sagte: “Man braucht nicht gleich aufopfernd selbstlos zu werden, um sich glücklicher zu fühlen. Ein bisschen grosszügiger zu werden reicht bereits aus”.

Eine Subgruppe der Teilnehmer erklärte sich vor der Studie bereit, sich großzügig zu verhalten; eine andere sollte sich selbst ‘beschenken‘. Die ersteren berichteten über eine ausgeprägtere Zufriedenheit – im Vergleich zu der egoistischeren Gruppe – nach der Schenkung (nicht aber vorher).

Die Aktivitäten im Gehirn

Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wurde die Gehirnaktivität in drei Hirnarealen gemessen, während die Teilnehmer sich für oder wider das Großzügigsein entschieden.

Laut den Wissenschaftlern laufen im temporo-parietalen Übergang Prozesse zum prosozialen und großzügigen Verhalten ab. Das Gefühl des Glücks oder der Zufriedenheit ist mit dem ventralen Striatum verknüpft. Und die Entscheidungsfindung ist mit dem orbitofrontalen Cortex verbunden, schreiben die Forscher.

Und so wechselwirkten diese Bereiche im Gehirn auch unterschiedlich, je nachdem, ob sich die Teilnehmer für Grosszügigkeit oder Egoismus entschieden.

So wurde der temporoparietale Übergang (der altruistische Hirnbereich) schon durch die Entscheidung für das großzügige Verhalten aktiviert. Und die Interaktion zwischen diesem Bereich im Gehirn und dem für das Glücksgefühl (ventrales Striatum) wurde dabei verstärkt.

“Es ist bemerkenswert, dass bereits der reine Vorsatz eine neuronale Veränderung erzeugt, bevor dieser überhaupt in die Tat umgesetzt wird”, sagte Tobler.

“Ein kommuniziertes Versprechen zu grosszügigem Verhalten könnte als Strategie genutzt werden, um einerseits das gewünschte Verhalten zu verstärken und um sich andererseits einfach glücklicher zu fühlen”, schreibt er weiter.

Koautorin Soyoung Park sagte, dass nachfolgende neurologische und psychologische Studien weitere Fragen erforschen könnten. Z.B., ob die Kommunikation zwischen den beiden Hirnarealen trainiert und verstärkt werden könne, und wenn ja, wie dies möglich wäre? Und hält die Wirkung auch bei einem bewussten Einsatz an – d.h. könnte man auch Zufriedenheit und psychisches Wohlbefinden erreichen, selbst man sich nur zu diesem Zwecke großzügig verhalte?

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Zürich, Nature Communications – DOI:10.1038/ncomms15964; Juli 2017

Das Gehirn der Frau belohnt Grosszügigkeit mehr als das des Mannes

09.10.2017 Eine im Fachblatt Nature Human Behaviour veröffentlichte neuropsychologische Studie der Universität Zürich untersuchte, warum Frauen großzügiger sind als Männer.

Frühere psychologische Forschungsarbeiten konnten bereits zeigen, dass Frauen generell großzügiger sind als Männer, schreiben die Wissenschaftler von der UZH. Sie wollten nun herausfinden, warum das so ist.

Dazu ließen sie Männer und Frauen in Experimenten Geldbeträge verteilen und untersuchten dabei die aktivierten Gehirnregionen der Teilnehmer.

Belohnung durch das Striatum

Die Befunde waren:

striatum
Bild: Striatum (lila)

Großzügiges Verhalten löste bei den Teilnehmerinnen ein stärkeres Belohnungssignal im Gehirn aus als bei den männlichen Probanden.

Bei den männlichen Teilnehmern löste egoistisches Verhalten eine größere Aktivität im Belohnungszentrum aus.

Die Hirnforscher konnten beobachten, dass das Striatum (eine für die Verarbeitung von Bewertungen und Belohnung zuständige Region in der Mitte des Gehirns) bei Frauen stärker bei prosozialem Verhalten und bei Männern stärker bei egoistischem Verhalten aktiviert wurde.

“Das Belohnungssystem von Frauen reagiert also stärker auf grosszügige Entscheidungen als jenes von Männern”, schließen die Wissenschaftler um Alexander Soutschek.

Wurde dagegen das Belohnungssystem der VersuchsteilnehmerInnen durch ein Medikament gestört, zeigten die weiblichen Teilnehmer ein egoistischeres und die männlichen ein prosozialeres Verhalten.

“Dieser Befund zeigt, dass das Belohnungssystem von Frauen und Männern auch pharmakologisch unterschiedlich auf Grosszügigkeit reagiert”, sagte Soutschek.

Angeboren?

Dies muss aber nicht “angeboren oder evolutionär bedingt” sein, schreiben die Forscher, sondern kann auch psychologische Wurzeln haben. Denn schon früh werden ja Mädchen eher für soziales Verhalten belohnt.

“Sie lernen, eher eine Belohnung für prosoziales als für egoistisches Verhalten zu erwarten. Der Geschlechterunterschied, den wir in unseren Studien beobachtet haben, lässt sich in diesem Sinne am besten durch die unterschiedlichen kulturellen Erwartungen an Männer und Frauen erklären”, vermutet Soutschek, was auch durch Forschungsergebnisse untermauert wurde, die kulturelle Unterschiede “in Bezug auf die Belohnung von prosozialem und egoistischem Verhalten” zeigten.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Zürich; Nature Human Behaviour – DOI: 10.1038/s41562-017-0226-y; Okt. 2017

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