Psychotherapie: Geschlechterunterschiede

Psychotherapie: Geschlechterunterschiede

Psychotherapieformen – Behandlungsmethoden

Geschlechtsspezifische Psychotherapie: Frauen wollen über ihre Gefühle sprechen, Männer eine schnelle Lösung

22.01.2017 Eine neue auf der jährlichen Konferenz der British Psychological Society (Klinische Psychologie) vorgestellte Studie hat herausgefunden, dass Frauen und Männer in der psychologischen Psychotherapie eher Unterschiedliches suchen. Im Allgemeinen wollen Frauen Zeit, um über ihre Gefühle zu sprechen, und Männer wollen eine schnelle Lösung ihrer Probleme.

Wahrgenommene Unterschiede

Dr. Katie Holloway von der Universität Portsmouth und Kollegen befragten 20 erfahrene Psychotherapeuten (klinische Psychologen, beratende Psychologen und Psychotherapeuten), ob sie spezifische Geschlechterunterschiede in irgendwelchen Aspekten ihrer Arbeit festgestellt haben.

Alle Therapeuten berichteten über Geschlechterunterschiede in einem oder mehreren Aspekten der Therapie.

Eines der interessanten Ergebnisse war, dass 80 Prozent der Therapeuten sich sträubten, direkt über Unterschiede zwischen Männern und Frauen in den Bedürfnissen ihrer Klienten zu sprechen, sagte Forscher Dr. John Barry vom University College London. Er vermutet, dies könnte an der akademischen Kultur liegen, in der die Diskussion von Geschlechterähnlichkeiten eher akzeptiert wird als Erörterungen der Geschlechterunterschiede.

Er fügte jedoch hinzu, dass die Psychologie bei der Behandlung von Männern effektiver sein könnte, wenn die Geschlechterunterschiede mehr in Betracht gezogen würden.

Geschlechtsspezifische Wahl der Therapieform

In einer zweiten Studie befragten Louise Liddon von der Northumbria Universität und ihr Team 347 Personen aus der Bevölkerung, welche Therapie sie wählen würden, wenn sie Hilfe bräuchten.

Die Männer und Frauen in dieser Gruppe – die Hälfte war bereits in Psychotherapie – zeigten viele Ähnlichkeiten in ihren Präferenzen, doch auch einige wichtige Unterschiede.

Zum Beispiel würden Männer mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Therapieform wählen, in der man in einer informellen Gruppe auch Ratschläge geben und erhalten könnte. Frauen würden eher psychodynamische Psychotherapieformen wählen, in denen es um die Erörterung ihrer Gefühle und früherer Ereignisse geht.

Bewältigungsstrategien

Es gab auch interessante Unterschiede bei den Bewältigungsstrategien. Frauen setzten eher Frustessen zur Bewältigung von Problemen bzw. Gefühlen ein, wohingegen Männer eher Sex bzw. Pornografie benutzten.

Ungeachtet der Tatsache, dass Männer ein drei- bis vierfach höheres Suizidrisiko haben, suchen sie eher weniger psychologische Hilfe auf, sagte Barry. Das könnte an den Behandlungstypen liegen, die Männern angeboten werden – viele psychologische Interventionen sind eher gesprächsorientiert als an der Problemlösung interessiert.

Es ist wahrscheinlich, dass Männer ebensoviele Vorteile wie Frauen daraus ziehen könnten, wenn sie über ihre Gefühle sprechen würden, aber wenn das Sprechen über Gefühle das Ziel der Psychotherapie ist, bleiben manche Männer dieser Therapieform fern.

In der Studie sagten Männer mit größerer Wahrscheinlichkeit als Frauen, dass es einen Mangel an Männer-freundlichen Therapien gäbe, schrieben die Forscher.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Portsmouth, Northumbria Universität, British Psychological Society; Jan. 2017

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