- Symptome
- Diagnose
- Atypische
- Behandlung, Therapie
- Verlauf
- Bei Männern
- Zwei Typen der Anorexia Nervosa
- Tipps: Umgang/Sprechen mit Anorektikern
- Fehlgeleiteter Stolz füttert Magersucht
- Eine Leidenschaft?
- Eine Gewohnheit?
- Darmflora
- Gewichtszunahme, Gewichtsabnahme
- Refeeding, Refeeding-Syndrom
- Chronische Magersucht kann zu genetischen Veränderungen führen
- Eine Stoffwechselkrankheit?
- Weitere News / Forschungsartikel dazu
Symptome
11 Anzeichen anorektischen Essverhaltens
Anorexie ist durch Gewichtsverlust charakterisiert, der oft durch übermäßiges Einhalten einer Diät und Sport erreicht wird, manchmal bis zum Punkt des Hungertods. Jemand mit Anorexie kann nie dünn genug sein und fährt fort, sich als „fett“ zu betrachten, trotz äußerstem Gewichtsverlust.
Miss B, 1894, Patientin
von William Gull,
vor und nach
der Behandlung der Anorexie.
Anorektiker verbergen ihre Störung
Es ist bei Menschen mit Anorexia Nervosa ein normales Verhalten, ihr ungesundes Essverhalten zu verstecken, so dass es schwierig sein kann, die Zeichen dieser Essstörung zu erkennen, besonders zu einem frühen Zeitpunkt.
Die Zeichen von Anorexie können zuerst subtil sein, weil sie sich allmählich entwickelt. Sie kann als Interesse an einer Diät beginnen, vor einem Ereignis wie eine Schulveranstaltung oder Strandurlaub. Aber, wenn die Störung Fuß fasst, intensiviert sich die Beschäftigung mit dem eigenen Gewicht. Es entsteht ein negativer Zyklus: je mehr Gewicht die Person verliert, desto mehr ist sie beunruhigt und verfolgt umso obsessiver ihr Gewicht.
Die folgenden Symptome und Anzeichen sind bei Menschen mit Magersucht verbreitet:
11 Symptome
- Dramatischer Gewichtsverlust;
- Tragen von lockerer, sperriger Kleidung, um den Gewichtsverlust zu verstecken;
- Inanspruchnahme durch Nahrung, Diät halten, Kalorien zählen etc.
- Weigerung, bestimmte Nahrung wie Kohlenhydrate oder Fette zu essen;
- Vermeiden von Essenszeiten oder das Essen vor Anderen;
- Zubereiten von kunstvollen Mahlzeiten für Andere, aber sich weigern, es selbst zu essen;
- übertrieben Sport machen;
- Kommentare äußern, „fett“ zu sein;
- Ausbleiben der Menstruation;
- Über Verstopfung oder Magenschmerzen klagen;
- Leugnen, dass extremes Dünnsein ein Problem ist.
- Verzögerung des Wachstums, Wachstumsstörungen
Weil Leute mit Anorexie so gut darin sind, die Störung zu verdecken, kann es sein, dass die Krankheit schwerwiegend wird, bevor irgendjemand etwas bemerkt.
Wenn Anorexia nervosa unbehandelt bleibt, kann diese psychische Störung zu ernsten Komplikationen führen. Zehn Prozent der Menschen mit schwerwiegender Anorexie stirbt durch die Krankheit. Jedoch gewinnen die meisten Leute mit dieser Essstörung das Gewicht, das sie verloren, zurück und die physischen Probleme, die sie in Folge ihres Essverhaltens entwickelten, werden besser.
DSM IV Diagnosekriterien
Hauptmerkmal von Patienten mit Anorexia Nervosa ist ein starker Gewichtsverlust, der so weit fortschreiten kann, bis der/die PatientIn stirbt.
- Es wird sich geweigert, dass für Alter und Körpergröße normale Gewicht zu halten.
- Trotz Untergewichts bestehen ausgeprägte Ängste vor dem Dickerwerden bzw. Gewicht zuzulegen
- Wahrnehmungsstörung der eigenen Figur und des Gewichts; übertriebener Einfluss des Gewichts oder der Figur auf das Selbstwertgefühls
- Ausbleiben der Menstruation bei postmenarchalen Frauen (Amenorrhoe).
Zwei Typen der Anorexia Nervosa
Zwei Typen der Patienten mit Anorexie sind zu unterscheiden:
- restriktiver Typus: erreicht Gewichtsabnahme durch strikte Reduktion der Kalorienaufnahme oder durch Hyperaktivität (z.B. sehr (zu-)viel Sport).
- Binge-Eating / Purging – Typus: Bei diesen Patienten treten zusätzlich Esssanfälle / Fressattacken auf, und die Versuche dieser erhöhten Kalorienaufnahme durch Erbrechen, Laxantienmissbrauch bzw. Diuretikaabusus entgegen zu wirken.
Anorektische Patienten haben ein gestörtes Selbstbild (z.B. finden sie sich trotz offensichtlichem Untergewicht zu dick). Als Folge der Unterernährung treten eine Reihe von physischen Symptomen wie Amennorrhoe, Hypothermie, Bradykardie etc. auf. Hunger und andere Körpersignale werden ignoriert oder fehlinterpretiert.
Tipps: Umgang/Sprechen mit Anorektikern
Tipps: Wie kann ich helfen ?
Wenn Sie vermuten, dass eine nahestehende Person, ein Verwandter anorektisch ist, könnte das Thema schwierig zu erörtern sein.
Womenshealth.gov bietet diese Vorschläge, an eine nahestehende Person heranzutreten und das Thema Anorexie anzusprechen:
Was können Sie sagen ?
- Führen Sie das Gespräch im privaten Rahmen, wenn nicht abgelenkt oder gestört werden kann.
- Drücken Sie Ihre Sorge in Bezug auf die Essgewohnheiten der nahestehenden Person aus.
- Schlagen Sie der geliebten Person vor, mit einem Psychologen zu sprechen.
- Zwingen Sie Ihre Meinung oder Ihre Empfehlungen nicht auf; bieten Sie nur Ihre Unterstützung an.
- Vermeiden Sie es, der nahestehenden Person Vorwürfe zu machen oder ihr die Schuld zu geben, und setzen Sie Ihren Fokus auf Ihre Sorge.
- Erkennen Sie, dass eine Behandlung von Anorexie komplizierter ist, als einfach zu beginnen wieder regelmäßig zu essen.
- Sichern Sie der nahestehenden Person zu, dass Sie immer da sein werden, um zuzuhören und Unterstützung anzubieten.
Quelle: Womenshealth.gov, August 2010
Behandlung, Therapie
Bei der Behandlung dieser Essstörung können u.a. folgende Behandlungsformen zum Einsatz kommen:
- Psychotherapie
- Kognitive Verhaltenstherapie
- Tiefe Hirnstimulation, ‚Hirnschrittmacher‘
- Transkranielle Magnetstimulation
- Oxytocin-Therapie
- Psilocybin vielversprechend bei Anorexie (Magersucht)
Vergleich der Therapie in Tagesklinik vs. Klinik
Fehlgeleiteter Stolz füttert Magersucht
08.08.2014 Positive Emotionen – selbst solche, die verzerrt wahrgenommen werden – können eine schlimme Rolle bei Essstörungen wie Anorexie spielen laut einer Studie der Rutgers Universität.
Anorexia nervosa (auch als Magersucht bezeichnet) sorgt für eine Sterblichkeitsrate bei Frauen im Alter zwischen 15 und 24, die 12-mal höher liegt, als alle anderen Todesursachen zusammen.
Positive Emotionen
Edward Selby maß in seiner neuen Studie die Emotionen von 118 anorektischen Frauen im Alter zwischen 18 und 58. Er stellte fest, dass sie nicht nur unter negativen Emotionen litten, sondern auch positive erfuhren – ein Gefühl von Stolz, weil sie in der Lage waren, ihre Ziele hinsichtlich des Gewichtsverlusts aufrechtzuerhalten und zu steigern.
„Wir denken, dass folgendes vor sich geht: positive Emotionen werden übertrieben und belohnen dieses Fehlverhalten“, sagte Selby. „Da sich nur etwa jede dritte Frau nach der Behandlung regeneriert, müssen wir ein besseres Verständnis erlangen, warum diese positiven Emotionen so stark mit dem Gewichtsverlust verbunden sind.“
Magersüchtige Frau im französischen Medizinjournal
Nouvelle Iconographie de la Salpêtrière vol 13, 1900
Negative Emotionen
Frühere Studien zu den Essstörungen zielten hauptsächlich auf negative Emotionen, wie traurig oder verärgert zu sein oder das durch die Anorexie hervorgerufene Gefühl des Kontrollverlusts, eine durch den zwanghaften Wunsch charakterisierte emotionale Störung, Gewicht zu verlieren, indem man einfach nicht mehr isst. „Bis heute“, sagt Selby, „gibt es nur wenig Daten darüber, wie die positiven Emotionen bei dieser Erkrankung einzuordnen sind.“
Selby und seine Kollegen fanden heraus, dass die Frauen, die am meisten Schwierigkeiten hatten, zu verstehen, wann sich ihre positiven Emotionen verzerrten, am häufigsten das typische Anorexieverhalten zeigten – wie Erbrechen, Benutzung von Abführmitteln, Kalorienrestriktion, exzessiver Sport, Kontrolle des Körperfetts und andauernde Gewichtskontrollen.
„Frauen mit Magersucht befinden sich oft in komplexen emotionalen Situationen, weshalb es so wichtig ist, zu verstehen, was sie durch diese Erfahrungen ‚bekommen'“, sagte Selby. „Je mehr wir erfahren – nicht nur über die negativen Emotionen, sondern auch über die mit dieser Krankheit verbundenen positiven Gefühle – desto eher werden wir in der Lage sein, diese verheerende Erkrankung zu behandeln.“
Positive Verstärkung durch Pro-Anorexie
Oftmals erhalten anorektische Mädchen und Frauen positive Verstärkung auf „Pro-Anorexie“ Webseiten, auf denen es nicht ungewöhnlich ist, dass Personen, die unter Magersucht leiden, für ihre Kontrolle und ihren Mut bei ihren extremen Gewichtsverlusten Applaus bekommen.
Diese Verbindung zwischen positiven Emotionen und Gewichtsverlust wird für einige essgestörte Frauen zu einem Teufelskreis, die dann fortfahren, ihr Gewicht zu reduzieren, selbst nachdem sie ihre Ziele erreicht haben.
In diesem Zusammenhang ist es deshalb auch besonders erwähnenswert, dass dieser Tage in Italien ein Gesetzesentwurf vorgelegt wurde, der ‚Anstiftung zur Anorexie‘ (wie es eben auf einigen Webseiten geschieht) bestrafen will.
Behandlung
Selby glaubt, dass dies weiter erforscht werden muss, um einen Weg zu finden, die mit der Abmagerung verbundenen positiven Emotionen auf andere gesunde Aktivitäten umzuleiten, und um festzustellen, wie diese Gefühle angesprochen werden sollten, wenn man essgestörte Menschen behandelt.
Körperliche Aktivität – zum Beispiel – sollte anders gesehen werden, sagte Selby. Während darüber gestritten wird, ob anorektischen Patienten in Behandlung erlaubt werden sollte, Sport zu treiben, ist doch festzustellen, dass solche Aktivität, auch für positive Gefühle sorgen kann. Also, statt physische Aktivitäten völlig zu verbieten, könnte man eine Person, die beim Laufen Vergnügen empfand, in Richtung einer Gruppenaktivität wie Yoga leiten, welches mehr auf die Stärkung des ‚Inneren‘ und nicht auf Gewichtsverlust ausgerichtet ist, sagte er.
„Die Kontrolle zu haben, ist für viele dieser Frauen immens wichtig, sagte Selby. „Was wir tun müssen, ist, einen Weg finden, der die positiven Emotionen (die mit dem Gewichtsverlust verbunden sind) wieder mit anderen Aspekten ihres Lebens zu verbinden, die zu einem ausbalancierteren Gefühl von Zufriedenheit und Glück führen.“
© PSYLEX.de – Quelle: Rutgers Universität, August 2014
Anorexie: eine Leidenschaft?
27.08.2014 Eine neue Studie schlägt vor, die Definition von Anorexie zu ändern: wenn man sie als eine ‚Passion‘ (Leidenschaft) sehen würde, ergäben sich unmittelbare und praktische Resultate hinsichtlich Behandlung und Therapie.
Bild: Gerd Altmann
„Anorexia nervosa ist mit Furcht und Ängstlichkeit hinsichtlich des Dickerwerdens verbunden und verfolgt das Ziel, dünner zu werden“, sagt Louis C. Charland vom Western’s Rotman Institute of Philosophy.
„Magersucht ist bekannt dafür, langwierig und schwer therapierbar zu sein.“
Charland sagt, wenn man die Anorexie als eine ‚Leidenschaft‘ kategorisieren würde, könnte dies zu affektiveren Ansätze der Behandlung führen, welche direkter auf die Natur der Störung zielen.
Die Studie des Forscherteams basiert auf der Theorie über die Leidenschaften von Théodule Ribot (Essai Sur Les Passions), Gründer der wissenschaftlichen Psychologie in Frankreich. Laut Ribot sind Leidenschaften anders als Emotionen, da sie Gefühle und Emotionen über die Zeit ‚ausrichten‘.
„Eine Leidenschaft ist relativ stabil, über Monate oder Jahre anhaltend. Sie spielt eine bedeutsame Rolle bei der Motivation, der Determination und der Organisation des langfristigen Verhaltens einer Person hinsichtlich einer fixen Idee“, sagte Charland. „Dies macht Leidenschaften so anders im Vergleich zu Gefühlen und Emotionen, welche einfachere Zustände von kürzerer Dauer sind.“
Eine Leidenschaft, wie von Charland und seinen Mitautoren, den Psychiatern Tony Hope, Anne Stewart und Jacinta Tan beschrieben, stellt eine wichtige, erkennbare Form des Verhaltens dar, die von unschätzbarem Wert ist, wenn sie zu Kreativität oder Innovation führt, aber absolut destruktiv sein kann, wenn sie zu einer ‚Störung‘ wie Magersucht wird.
Dr. George Szmukler, Professor der Psychiatrie und der Society at the Institute of Psychiatry, King’s College London nannte die Befunde „einen vielversprechenden Weg hin zu einem besseren Verständnis und Behandlung der Anorexia nervosa….es ergeben sich auch interessante Parallelen zur Sucht, die erforscht werden sollten“.
© PSYLEX.de – Quelle: University of Western Ontario, August 2014
Chronische Magersucht kann zu genetischen Veränderungen führen
Bild: Gerd Altmann
10.02.2015 Eine neue kanadische Studie zeigt, dass, je länger jemand unter aktiver Anorexia nervosa leidet, desto wahrscheinlicher verändert sich die DNS dieser Person.
Diese biologische Änderung kann zu zusätzlichen Veränderungen der körperlichen und psychischen Gesundheit führen.
DNS-Methylierung und Genexpression
Howard Steiger vom Douglas Mental Health University Institute Eating Disorders Program (EDP) in Montreal und Linda Booij vom Sainte-Justine Hospital entdeckten, dass bei chronischer Magersucht Veränderungen bei der DNS-Methylierung (chemische Modifikation der Grundbausteine der Erbsubstanz) auftreten.
Wenn sich die Methylierung ändert, wird auch die Genexpression (auch Genexprimierung genannt) verändert, und wenn die Expression sich ändert, dann verändert sich auch der Ausdruck der Eigenschaften, die von diesen Genen kontrolliert werden.
Mit anderen Worten: eine veränderte Methylierung kann Veränderungen bei emotionalen Reaktionen, physiologischen Funktionen und Verhalten hervorrufen.
Die neue Studie zeigt, dass langfristige Anorexia nervosa bei Frauen oft mit ausgeprägteren Veränderungen der Gene verbunden ist, die Angst, Sozialverhalten, verschiedene Gehirn- und Nervensystemfunktionen, Krankheitsanfälligkeit und das Funktionieren peripherer Organe beeinflussen.
Diese Befunde zeigen, dass Essstörungen nicht bloß oberflächliche Sorgen um das Körperbild sind, oder das Ergebnis einer schlechten Erziehung. Sie stellen wirkliche biologische Auswirkungen von Umweltbelastungen bei den Betroffenen dar, die dann durch zuviel Diäthalten verankert werden, sagte Steiger in International Journal of Eating Disorders.
Etablierung des gestörten Essverhaltens
„Wir wissen bereits, dass Essstörungen, einmal etabliert, die Tendenz haben, sich mehr und mehr zu verankern. Unsere Befunde weisen auf physische Mechanismen, die aufgrund von physiologischen und Nervensystem-Funktionen, überall im Körper agieren, und vielen Auswirkungen einer Chronizität zugrundeliegen können.“
„Alles deutet auf die Wichtigkeit, den Menschen mit Anorexie so früh wie möglich mit wirkungsvollen Behandlungsmethoden zu helfen“, sagte Steiger.
Die Forscher hoffen herauszufinden, ob Remission bei den Anorexiesymptomen mit einer Normalisierung (oder dem Zurücksetzen) des Methylierungsniveaus zusammenfällt.
Wenn dem so ist, würde dieses Wissen eine Menge neuer Anhaltspunkte bieten, um verbesserte Behandlungsmöglichkeiten bei Magersucht zu entwickeln.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Douglas Mental Health University, Sainte-Justine Hospital, International Journal of Eating Disorders; Feb. 2015
Erfahrungsbericht zum Artikel: Anorexie: eine Leidenschaft?
Ich habe selber in einem Zentrum für Essstörungen gearbeitet. Ich finde es eine treffende Beobachtung. Leidenschaft ist aber insofern eben ein asynchrones Gefühl. Es ist eine Passion, aber eben auch ein versklavtes Gefühl. Häufig aufgrund einer strukturellen Dissoziation in der frühen Kindheit bzw. einem entsprechenden atmoshärischen Umfeld, in dem sich eine Qualia = Persönlichkeit nicht entwickeln kann. Es ist leichter das Leiden an eine abgetrennte Instanz zu geben, damit zunächst eine anscheinend normale Persönlichkeit weiter existieren kann. Auf Kosten von Gewicht und Leben.