Süchtige wollen eher das Tief vermeiden, als dem High hinterherzurennen
07.11.2013 Kokainsüchtige (wie auch andere Abhängige) entkommen ihrer Drogenfalle nicht, weil sie den euphorischen Hochs hinterherjagen wollen, sondern eher wegen der unerträglichen emotionalen Tiefs, die sie verzweifelt vermeiden wollen.
Immer dem Hoch hinterher?
In einer Studie der Rutgers Universität wollten die neurobiologischen Wissenschaftler Professor Mark West und Doktorand David Barker herausfinden, ob die weit verbreitete Ansicht stimmt, dass Süchtige immer hinter dem High her sind. Auf der Basis von Tierversuchen entdeckten sie, dass die anfänglich positiven Gefühle bei der Intoxikation kurzlebig sind, und schnell durch negative emotionale Reaktionen ersetzt werden – jedes Mal wenn der Drogenlevel zu fallen beginnt.
Wenn diese Tierversuche ein Spiegel der menschlichen Drogensucht darstellen, sagen die Rutgers Forscher, sind Abhängige, die lernten Drogen zu gebrauchen, um einen positiven Gefühlszustand zu erreichen oder um einen negativen zu lindern, gegenüber Situationen anfällig, die eines der beiden Verhaltensmuster auslöst.
Abhängigkeit: Negative und positive Emotionen
Unsere Befunde zeigen, dass, wenn die Tiere die Drogen erstmal anfingen zu nehmen, sie sich in der Falle fühlten und es nicht mochten“, sagte West. „Dies zeigte uns, dass negative Emotionen eine gleiche, wenn nicht sogar wichtigere Rolle beim Kokainmissbrauch spielen.“
In ihrer Studie nahmen die Rutgers Forscher schrille Rufe von Laborratten wahr, als diese anfingen sich selbst Kokain zu verabreichen (in einer sechsstündigen ‚Drogensitzung‘) und rasch ihren internen Drogenlevel erhöhten.
Danach kollidierten positive und negative Emotionen, und die am Anfang des Versuchs gerufenen hohen euphorischen Rufe blieben aus, obwohl der Kokaingebrauch (Kokainabhängigkeit) für mehrere Stunden auf demselben Niveau weiterging. Das einzige Mal während des Rests des Gelages, dass die Forscher Rufe wahrnahmen, war, als das Drogeniveau unterhalb des von den Tieren gewünschten Levels fiel, was tiefe (mit negativen Gefühlen verbundene) Rufe auslöste.
„Wir hörten in den ersten 35-40 Minuten nur die hohen Töne“, sagte Barker. „Dann, als die Tiere auf ihr gewünschtes Niveau angekommen waren, gab es weder positive noch negative Rufe. Aber, sobald das Drogenniveau abzufallen begann, gaben sie diese negativen Töne von sich.“
Besseres Verständnis menschlicher Abhängigkeit
Die Rutgers Forscher sagen, dass dieser Tierversuch zu einem besseren Verständnis menschlicher Süchte/Abhängigkeiten führt, sei es von Alkohol, Tabak (Nikotin), anderen Drogen oder Nahrung. Der Grund, warum Tierversuche in der Suchtforschung kritisch sind, ist, dass menschliche Reaktionen nicht immer zuverlässig sind, sagten die Forscher. Menschen können zu beschämt sein, um wahrheitsgemäß zu antworten, oder sie könnten dem Wissenschaftler etwas erzählen, von dem sie denken, dass er oder sie hören möchte.
„Menschliche Studien sind nicht unwichtig, natürlich sind sie das“, sagte West. „Aber durch diese Tierversuche wird klar, dass wir mindestens so viel Aufmerksamkeit auf die negativen Auslöser (Trigger) für Drogenmissbrauch und auf den Umgang mit ihnen legen sollten.“
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Rutgers University, Department of Psychology, School of Arts and Sciences; Nov. 2013