Die Wahnvorstellung

Wahn / Wahnvorstellung

Psychologie-Lexikon – Wahnhafte Störungen

Definition

Eine Wahnvorstellung ist eine Annahme, an der trotz eines entgegengesetzten überlegenen Beleges mit großer Überzeugung festgehalten wird. Als Pathologie unterscheidet sie sich von einer Weltanschauung, die auf falschen oder unvollständigen Informationen, Konfabulation, Dogmen, Illusionen oder anderen Wahrnehmungseffekten beruht.

Wahnvorstellungen treten typischerweise im Zusammenhang mit neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen auf, obwohl sie nicht an eine bestimmte Erkrankung gebunden sind und im Zusammenhang mit vielen pathologischen Zuständen (sowohl körperlich als auch psychisch) aufgetreten sind. Sie sind jedoch von besonderer diagnostischer Bedeutung bei psychotischen Störungen wie Schizophrenie, Paraphrenie, manischen Episoden der bipolaren Störung und psychotischen Depressionen.

Obwohl unspezifische Konzepte des Wahnsinns schon seit mehreren tausend Jahren existieren, hat der Psychiater und Philosoph Karl Jaspers in seinem 1913 erschienenen Buch Allgemeine Psychopathologie erstmals die drei Hauptkriterien für einen wahnhaften Glauben definiert.Diese Kriterien sind:

  • Gewissheit (mit absoluter Überzeugung festhaltend)
  • Unverbesserlichkeit (nicht änderbar durch zwingende Gegenargumente oder Gegenbeweise)
  • Unmöglichkeit oder Irrtum des Inhalts (unplausibel, bizarr oder offensichtlich unwahr)

Wenn eine falsche Annahme ein Werturteil beinhaltet, wird sie nur dann als Wahnvorstellung angesehen, wenn sie so extrem ist, dass sie nicht wahr sein kann oder nicht belegt werden kann. Zum Beispiel: Ein Mann behauptete, er sei in die Sonne geflogen und nach Hause zurückgeflogen. Dies würde als Wahnvorstellung betrachtet werden, es sei denn, er spricht bildlich oder wenn der Glaube eine kulturelle oder religiöse Quelle hätte.

Nur ein Sekundenbruchteil kann den Unterschied zwischen Wahnvorstellung und Realität ausmachen

13.10.2017 Laut einer im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Studie der Yale Universität ist die Grenze zwischen Realität und Wahnvorstellung nur eine Frage der Zeit: Die Fehleinschätzung der Zeit zwischen Gedanke und Wahrnehmung sagt die Wahnvorstellung voraus.

Menschen, die noch nie psychisch erkrankt waren, sollten in einem Experiment am Computerbildschirm vorherzusagen, welches von fünf weißen Quadraten rot werden würde. Wie erwartet rieten die meisten richtig in einem von fünf Fällen – bis die Wissenschaftler den Test beschleunigten.

Keine bewusste Verarbeitung

Wenn ein Quadrat innerhalb von ca. 250 Millisekunden rot wurde, sagten die Testpersonen mit größerer Wahrscheinlichkeit, dass sie es richtig vorhergesagt hatten. In Wirklichkeit hatten sie einfach etwas vorhergesagt, was bereits geschehen, aber nicht bewusst verarbeitet worden war.

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Bild: Gerd Altmann

Fehler in diesem neuronalen Timing-Mechanismus könnten den Forschern zufolge erklären, warum manche Menschen glauben, sie seien hellseherisch begabt oder Gedankenleser: Sie haben womöglich die Reaktion einer Person bereits registriert, bevor sie sich der Wahrnehmung bewusst waren.

Die Forscher fanden tatsächlich heraus, dass Personen, die auf einer Skala für wahnhaftes Denken hoch eingestuft wurden, mit größerer Wahrscheinlichkeit sagten, dass sie das Aussehen des roten Quadrats genau vorhersagten, selbst in Zeitfenstern von mehr als 250 Millisekunden.

Es ist, als wüsste man, dass es gleich regnet, und dann die ersten Tropfen spürt, sagte Studienautor Adam Bear vom Fachbereich Psychologie. Der Gedanke wurde vielleicht von diesen Tropfen unterbewusst beeinflusst, aber bewusst spürt man sie erst später.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Yale Universität; Proceedings of the National Academy of Sciences – DOI: 10.1073/pnas.1711383114; Okt. 2017

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