Schlaf und Immunsystem

Schlaf und Immunsystem

Schlafforschung

Schlaf kann Erinnerungen des Immunsystems stärken

Tiefschlaf ist nicht nur wichtig, um kürzlich Erlerntes im Langzeitgedächtnis zu verankern; laut einem neuen in der Zeitschrift Trends in Neurosciences veröffentlichten Bericht soll der Slow-Wave-Schlaf auch die immunologischen Erinnerungen an zuvor eingedrungene Krankheitserreger stärken.

Gedächtnis des Immunsystems

Das Immunsystem „erinnert sich“ an eine Begegnung mit Bakterien oder Viren, indem es Fragmente des Angreifers sammelt, um T-Gedächtniszellen zu erschaffen. Dies sind Zellen, die Monate oder Jahre erhalten bleiben und dem Körper helfen, eine vorherige Infektion wiederzuerkennen und schnell darauf zu reagieren.

Gedächtnis-T-Zellen

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Bild: Vera Kratochvil

Diese Gedächtnis-T-Zellen scheinen die „Kerninformationen“ der Krankheitserreger zu abstrahieren, da nur T-Zellen, die die Informationen über die winzigsten Fragmente speichern, jemals eine Reaktion hervorrufen. Die Auswahl der Kerninformationen ermöglicht es den T-Gedächtniszellen neue Pathogene wahrzunehmen, die ähnlich – aber nicht identisch mit – den vorher eingedrungenen Bakterien oder Viren sind.

Studien beim Menschen haben gezeigt, dass langfristige Zunahmen bei den T-Gedächtniszellen mit einer Erhöhung des Slow-Wave-Tiefschlafs in den Nächten nach einer Impfung einhergingen. Die Befunde unterstützen die Annahme, dass dieser Tiefschlaf zur Bildung von Langzeiterinnerungen abstrakter, generalisierter Informationen beiträgt, die zu adaptiven (angepassten) Verhaltens- und immunologischen Reaktionen führen. Eine offensichtliche Auswirkung ist: Schlafentzug bedeutet ein Gesundheitsrisiko für Ihren Körper.

Funktionsstörungen durch Schlafentzug

Wenn wir nicht schlafen, dann könnte das Immunsystem sich auf die falschen Teile des Krankheitserregers fokussieren, sagt Jan Born von der Universität Tübingen. Zum Beispiel können viele Viren leicht einige Teile ihrer Proteine mutieren lassen, um den Immunreaktionen zu entkommen. Wenn zu wenige Antigen-erkennende Zellen (die Zellen, die den T-Zellen die Fragmente übergeben) verfügbar sind, sind vielleicht alle erforderlich, um die Pathogene abzuwehren.

Kommunikation zwischen den Abwehrzellen

Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass die während des Schlafs freigesetzten Hormone die Kommunikation zwischen antigenpräsentierenden- und antigenerkennenden Zellen verbessern, und einige dieser wichtigen Hormone verringern sich ohne Schlaf.

Born sagt, dass künftige Forschungsarbeiten prüfen sollten, welche Informationen während des Schlafs für die Speicherung im Langzeitgedächtnis ausgewählt werden, und wie diese Auswahl erreicht wird. Am Ende könnte diese Forschung wichtige klinische Auswirkungen haben.

„Um wirkungsvolle Impfstoffe gegen HIV, Malaria und Tuberkulose zu designen, die auf dem immunologischen Gedächtnis basieren, muss das richtige Speichermodell verfügbar sein“, sagt Born. „Wir hoffen durch den Vergleich der Konzepte vom neuronalen und vom immunologischen Gedächtnis, ein Modell des immunologischen Gedächtnisses entwickelt zu können, das die verfügbaren experimentellen Daten integriert und als hilfreiche Basis für die Impfstoffentwicklung dient.“

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Trends in Neurosciences; Sept. 2015

Was das Immunsystem während des Schlafens macht

16.11.2016 Eine im Fachblatt American Journal of Physiology — Regulatory, Integrative and Comparative Physiology publizierte Studie der Universität Tübingen untersuchte, wie sich das Immunsystem während des Schlafens erholt.

Die Forscher fanden heraus, dass die T-Zellen im Blut während des nächtlichen Schlafs – wenn die Gefahr einer Infektion niedrig ist – reduziert wurden.

T-Lymphozyten

T-Lymphozyten oder kurz T-Zellen bilden eine Gruppe von weißen Blutzellen (Leukozyten) und sind das Fundament des menschlichen Immunsystems (das T steht für Thymus, in dem die Zellen ausreifen). Große Mengen an T-Zellen zirkulieren im Blutstrom und sind bereit, Viren und andere Pathogene anzugreifen, die den Körper befallen.

Sogar während einer tiefen Ruhe-Phase ist der Körper in der Lage, T-Zellen, Wachstumshormone und Epinephrine freizusetzen, um Krankheitserreger – wenn erforderlich – zu bekämpfen.

Vierzehn junge männliche Freiwillige (durchschnittliches Alter 25) nahmen an zwei 24-stündigen Studien (20:00 Uhr bis 20:00 Uhr) teil.

In einem Versuch wurde den Freiwilligen erlaubt, zwischen 23:00 Uhr und 7:00 Uhr zu schlafen. Im anderen Versuch wurden die Männer über 24 Stunden wach gehalten. Blutproben wurden von jedem Freiwilligen zu unterschiedlichen Zeitpunkten (90 Minuten bis drei Stunden) im Laufe jeder 24-stündigen Periode genommen.

T-Zellen gehen auch ins Bett?

In der Schlaf-Gruppe waren alle T-Zell-Untergruppen (naive T-Helferzellen, T-Gedächtniszellen und T-Helferzellen CD4+ und CD8+ T-Zellen) innerhalb von drei Stunden nach dem Einschlafen verringert.

Doch die Zahl der T-Zellen im Blut blieb hoch bei den Teilnehmern, die nicht schlafen durften.

Außerdem war Schlaf auch mit einer Zunahme bei den Wachstumshormon-, Prolactin- und Aldosteron-Werten verknüpft, wohingegen die Konzentration der Katecholamine eher abnahm im Vergleich zu den Werten der nachts aufgebliebenen Teilnehmer.

Der Verbleib: ein Mysterium

Während die Forschungsarbeit zeigen konnte, dass eine signifikante Anzahl T-Zellen den Blutstrom verließen; ist es ein Mysterium, wohin sie gingen.

Es ist eine ungelöste Frage, wo die Zellen während des Schlafs neu verteilt werden, da wir ihrer Wanderung bei gesunden Menschen nicht folgen können, schreiben die Forscher. Es gibt jedoch einige Hinweise aus früheren Studien, dass diese Zellen sich in die Lymph-Knoten während des Schlafens begeben, schreibt Studienautorin Luciana Besedovsky vom Fachbereich für Medizinische Psychologie.

Der schnelle Abfall der zirkulierenden T-Zellen während des Schlafs zeigt, dass schon eine Nacht ohne Schlaf das adaptive Immunsystem beeinflusst, sagte die Psychologin. Dies könnte ein Grund sein, warum regelmäßiger Schlaf für die generelle Gesundheit so wichtig ist, schließt sie.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Tübingen, American Journal of Physiology – DOI: 10.1152/ajpregu.00149.2016; Nov. 2016

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