Soziale Faktoren des Essverhaltens

Soziale Faktoren des Essverhaltens

Essverhalten

Soziale Normen können das Risiko für den Verzehr gesundheitsgefährdender Lebensmittel erhöhen

18.06.2020 Auch wenn Sie wissen und das Gefühl haben, dass der Verzehr bestimmter Lebensmittel mit Risiken verbunden ist, könnten Sie sich aufgrund des Drucks sozialer Normen, die die Ernährungssituation beeinflussen, gezwungen sehen, diese Lebensmittel trotzdem zu essen.

Soziale Normen – wie z.B. die Erwartung, höflich zu sein und die Speisen zu essen, die Ihnen auf einer Gartenparty angeboten werden – können Ihre Ängste außer Kraft setzen, krank zu werden.

In einer in Risk Analysis veröffentlichten Studie fanden Nina Veflen von der BI Norwegian Business School und Kollegen heraus, dass die Risikowahrnehmung und die sozialen Normen den Kräften entgegenwirken, die den Verzehr von riskanten Lebensmitteln – wie z.B. nicht durchgegartes Fleisch und schimmliges Brot – beeinflussen.

Druck sozialer Normen

essattacke
Bild: Volker Pietzonka

Die Forscher führten drei Studien durch. In der ersten Studie untersuchten sie, wie die Stärke der Norm, gemessen am wahrgenommenen Druck zur Einhaltung einer bestimmten sozialen Norm, zwischen verschiedenen sozialen Situationen, wie z.B. Gast sein, zu Hause oder in einem Restaurant essen, variiert.

Sie stellten fest, dass die Normstärke von einer Reihe von situationsbedingten Merkmalen abhängt. Unter diesen hatten die zu erwartenden Sanktionen bei Nichteinhaltung der sozialen Norm und das Einfühlungsvermögen (Empathie) in die Person(en) in der Gastgeberrolle der sozialen Situation die stärksten Auswirkungen.

Von allen 17 evaluierten Situationen war die erste Einladung zu den zukünftigen Schwiegereltern die Situation mit dem höchsten wahrgenommenen Druck zur Einhaltung der sozialen Norm. Die Folgen des Nichtessens der uns servierten Speisen werden als schwerwiegend und die Situation im Allgemeinen als ungewohnt und unangenehm empfunden.

Man kann sich vorstellen, dass in dieser Situation die antizipierten negativen Folgen (‚Kosten‘) für das Essen von etwas, das man nicht mag, gegen die voraussichtlichen Kosten dafür abgewogen wurden, als unhöflich, rüde oder – im schlimmsten Fall – als ungeeignet für einen Sohn oder eine Schwiegertochter beurteilt zu werden, erklärt NinaVeflen.

Empathie

Eine andere Situation mit sehr hohem sozialem Druck war das Szenario einer begeisterten 13-jährigen Tochter, die ein selbst zubereitetes Gericht serviert. In dieser Situation ist die Empathie entscheidend.

Am anderen Ende der Skala ist es am unwahrscheinlichsten, dass wir etwas essen, das wir nicht mögen, wenn wir allein zu Hause sind; eine Situation, die als angenehm und vertraut empfunden wird, in der niemand Zeuge ist und die keine ernsthaften sozialen Folgen hat.

Als nächstes untersuchten die Wissenschaftler, wie die Bereitschaft zum Verzehr von 15 verschiedenen Lebensmitteln (von schimmeligem bis frischem Brot und von kaum bis gut durchgebratenen Hamburgern) mit dem wahrgenommenen Risiko in Situationen zusammenhängt, die durch niedrigen und hohen sozialen Druck gekennzeichnet sind.

Sie stellten fest, dass die Menschen in einer Situation mit hohem sozialem Druck eher bereit waren, die angebotenen Lebensmittel anzunehmen, auch solche, die sie für unsicher hielten.

Risikowahrnehmung auf die Risikobereitschaft

Schließlich testeten sie die gleichzeitigen Auswirkungen von sozialen Normen und Risikowahrnehmung auf die Risikobereitschaft. Sie stellten fest, dass die Angst vor einer Erkrankung durch ein Lebensmittel und soziale Normen gleichzeitig gegenläufige Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit des Verzehrs gefährlicher Lebensmittel haben.

In der Praxis bedeutet dies, dass Menschen, wenn sie in einem Restaurant ein ‚riskantes‘ Essen ablehnen, bereit sein können, es in Situationen mit hohem sozialem Druck zu essen, wie z.B. beim ersten Besuch bei Ihren zukünftigen Schwiegereltern.

Sagen Sie einfach nein

Diese Erkenntnisse sind neu und haben Auswirkungen auf die Gestaltung von Botschaften zur Lebensmittelsicherheit an die Verbraucher, schreiben die Wissenschaftler. Menschen zu informieren oder ihnen Angst einzujagen, wird sie nicht immer dazu bringen, riskante Nahrungsmittel zu meiden, da der soziale Druck in manchen Situationen eine stärkere Kraft sein kann.

Deshalb brauchen wir Interventionen, die die gesellschaftlichen Normen schwächen, die die Situation beeinflussen, schließen die Forscher.

Anders ausgedrückt, wir müssen es den Menschen leichter machen, einfach ‚Nein‘ zu etwas zu sagen, das sie lieber nicht essen würden, fügt Nina Veflen hinzu.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Risk Analysis – DOI: 10.1111/risa.13449

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