Entstehung: Ist Religiösität angeboren?
Religionspsychologie / Spiritualität
Ist Religiösität / der Glaube an einen Gott angeboren? News aus der psychologischen Forschung, die die Frage zur Entstehung beantworten.
Religiöser Glaube nicht mit Intuition oder rationalem Denken verbunden
12.11.2017 Religiöse Überzeugungen sind nicht mit Intuition oder rationalem Denken verbunden, so eine neue Studie der Universitäten von Coventry und Oxford – und die Religiösität ist nicht angeboren.
Frühere Forschungsergebnisse deuteten darauf hin, dass Menschen, die starke religiöse Überzeugungen besitzen, intuitiver und weniger analytisch sind, und dass ihre religiösen Überzeugungen abnehmen, wenn sie analytisch denken.
Menschen keine „geborenen Gläubigen“
Doch eine neue Studie von Wissenschaftlern des Centre for Advances in Behavioural Science der Coventry University und Neurowissenschaftlern und Philosophen der Oxford Universität zur Entstehung des Glaubens legt nahe, dass dies nicht der Fall ist, und dass Menschen keine „geborenen Gläubigen“ sind.
Bild: OpenClipart-Vectors
Die Studie – die Tests an Pilgern, die am berühmten Camino de Santiago teilgenommen haben, und ein Experiment zur Hirnstimulation umfasste – fand keinen Zusammenhang zwischen intuitivem / analytischem Denken oder kognitiver Hemmung (Fähigkeit zur Unterdrückung unerwünschter Gedanken und Handlungen) und übernatürlichen Glaubensvorstellungen.
Stattdessen kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass andere Faktoren, wie Erziehung und soziokulturelle Prozesse, eher eine größere Rolle bei religiösen Überzeugungen spielen.
Die Studie – veröffentlicht in Scientific Reports – ist die erste, die in den letzten 20 Jahren einen wachsenden Trend unter den kognitiven Psychologen hinterfragte, der zu zeigen versuchte, dass der Glaube an das Übernatürliche „natürlich“ oder intuitiv in uns entsteht.
Stärke des Glaubens und intuitives Denken
Das Team begann mit einer Untersuchung auf einem der größten Pilgerwege der Welt – dem Camino de Santiago de Compostela im Norden Spaniens.
Sie fragten die Pilger nach der Stärke ihres Glaubens und der Dauer der Pilgerreise und bewerteten ihr intuitives Denken mit einer Wahrscheinlichkeitsaufgabe, bei der sich die Teilnehmer zwischen einer logischen und einer „Bauchgefühl“-Wahl entscheiden mussten.
Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Stärke des übernatürlichen Glaubens und der Intuition gibt.
Kein Zusammenhang zwischen Intuition und Religiösität
In einer zweiten Studie, in der sie mathematische Rätsel zur Steigerung der Intuition benutzten, fanden sie ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen dem Niveau des intuitiven Denkens und der Religiösität.
Im letzten Teil ihrer Forschung verwendeten sie Hirnstimulation, um das Niveau der kognitiven Hemmung zu erhöhen, die das analytische Denken regulieren soll.
Dazu wurde ein schmerzfreier elektrischer Strom zwischen zwei Elektroden auf die Kopfhaut des Teilnehmers geleitet, um den rechten unteren frontalen Gyrus zu aktivieren, ein Teil des Gehirns, der die hemmende Kontrolle steuert.
Die kognitive Hemmung
Eine vorangegangene Studie hatte gezeigt, dass Atheisten diesen Bereich des Gehirns stärker nutzen, wenn sie übernatürliche Ideen unterdrücken wollten.
Die Ergebnisse zeigten, dass diese Hirnstimulation zwar die kognitive Hemmung erhöhte, aber nicht das Niveau des Glaubens an etwas Übernatürliches veränderte, was darauf hindeutet, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen kognitiver Hemmung und Gottesglaube gibt.
Die Wissenschaftler sagen, dass es eindeutig „verfrüht“ sei, den Glauben an Götter als intuitiv oder natürlich zu erklären, da die aktuelle Studie diese Annahmen widerlegt.
Religion ein Erziehungsprozess
Stattdessen unterstützt ihre Forschung die These, dass Religion ein Erziehungsprozess ist und sich aufgrund soziokultureller Prozesse entwickelt bzw. entsteht, einschließlich Erziehung und Bildung.
Studienautor Miguel Farias sagt: Was treibt unseren Glauben an Götter an – Intuition oder Vernunft; Herz oder Kopf?
Es hat eine lange Debatte über diese Thematik gegeben, aber unsere Studienbefunde stellen die Theorie in Frage, dass religiöser Glaube davon abhängt, wie sehr sich Menschen auf intuitives oder analytisches Denken verlassen.
Wir glauben nicht, dass Menschen ‚geborene Gläubige‘ sind, so wie wir eine Sprache zwangsläufig in einem frühen Alter lernen.
Die verfügbaren soziologischen und historischen Daten zeigen, dass das, woran wir glauben, hauptsächlich auf sozialen und erzieherischen Faktoren beruht und nicht auf kognitiven wie intuitives / analytisches Denken, schreibt der Psychologe.
Religiöser Glaube ist höchstwahrscheinlich nicht angeboren, sondern eher in der Kultur verwurzelt als im Bauchgefühl, schließt er.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universitäten Coventry und Oxford; Scientific Reports – DOI: 10.1038/s41598-017-14090-9; Nov. 2017
Weitere Artikel, News
- Religiöser Verfall geht nicht mit einem moralischen einher. Bzw.: Ethisches Verhalten wurzelt nicht in der Religion.
zum Artikel - Christliche und muslimische Kinder sind weniger sozial. Sie teilen weniger, und bestrafen eher und härter als nicht-religiöse Kinder.
zum Artikel