Milgram-Experiment (Psychologie)

Milgram-Experiment (Psychologie)

Sozialpsychologie

Wiederholung des Milgram-Experiments: heute, 50 Jahre danach

14.03.2017 Laut einer aktuellen im Fachblatt Social Psychological and Personality Science veröffentlichten Studie des Fachbereichs Psychologie der polnischen Universität SWPS Uniwersytet Humanistycznospoleczny sind viele Menschen 50 Jahre nach dem Milgram-Experiment immer noch bereit, hilflose Individuen durch einen Stromschlag zu verletzen oder gar zu töten.

Gehorsamkeit gegenüber Autoritäten

Die Sozialpsychologen wollten testen, wie hoch das Ausmaß an Gehorsamkeit unter den Einwohnern Polens ist.

Sie betonen, dass Tests zum Milgram-Paradigma noch nicht in Mitteleuropa durchgeführt wurden, und die einzigartige Geschichte der Länder in dieser Region ließ das Problem der Folgsamkeit gegenüber Autoritäten außergewöhnlich interessant für die Psychologen erscheinen.

Das ursprüngliche Experiment

befehl-finger-mann
Bild: George Hodan

Beim Milgram-Experiment wurde die Bereitwilligkeit von Personen getestet, anderen Menschen Stromschläge zu verabreichen, wenn sie dazu von einem Experimentator aufgefordert wurden. Das Experiment wurde von dem Psychologen Stanley Milgram entwickelt und erstmals 1961 in New Haven durchgeführt, um die Bereitschaft normaler Menschen zu testen, autoritären Anweisungen zu folgen, selbst wenn dies gegen ihre moralischen Überzeugungen stünde.

Während tatsächlich kein Strom in den Experimenten floss, glaubten die Teilnehmer doch, dass die Stromschläge echt waren.

Die Milgram-Experimente demonstrierten, dass unter bestimmten Bedingungen – Druck seitens der Autoritäten – die Menschen bereit sind, Befehle auszuführen, selbst wenn es jemand anderen verletzen oder töten kann.

Mit Hilfe dieser Experimente konnte erstmals gezeigt und erklärt werden, warum bzw. wie Menschen andere Menschen foltern oder Kriegsverbrechen begehen (können), und es erklärt auch die Verbrechen in Nazi-Deutschland oder z.B. die amerikanischen Gräueltaten in Vietnam, wie die Times 1974 schrieb.

Die autoritäre Macht

Nachdem sie von den Experimenten von Milgram hören, behaupten viele, sie würden sich niemals so verhalten, sagte Sozialpsychologe und Studienautor Tomasz Grzyb. Doch die Studie zeigt (erneut) die enorme Macht solch einer Situation, mit der die Teilnehmer konfrontiert sind, und wie leicht sie Dingen zustimmen können, die sie als unangenehm empfinden.

Während moralische Überlegungen eine totale Replikation der Experimente verhinderten, schufen die Psychologen ein ähnliches Setting mit geringeren Elektroschocks, um das Ausmaß der Folgsamkeit der Teilnehmer zu prüfen.

Die Forscher rekrutierten 80 Teilnehmer (40 Männer und 40 Frauen) im Alter zwischen 18 und 69 Jahren. Die Probanden konnten 10 Knöpfe drücken – jeweils einen stärkeren Stromstoß auslösend.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Gehorsam der Teilnehmer – Instruktionen auszuführen – ähnlich hoch wie in den ursprünglichen Milgram-Studien war.

Die Mehrheit fügt sich

Die Sozialpsychologen stellten fest, dass 90% der Teilnehmer bereit waren, bis zum höchsten Level im Experiment zu gehen – d.h. den stärksten Elektroschock zu verabreichen.

Die Teilnehmer weigerten sich jedoch eher, wenn das Opfer – die Person, die den ‚Stromschlag‘ erhielt – eine Frau war; möglicherweise erlaubt die kleine Probandenzahl aber keine feste Schlussfolgerung hierzu, schreiben die Wissenschaftler.

Zur Frage, ob sich unsere Gesellschaft geändert hat, bemerkte Grzyb, dass ein halbes Jahrhundert nach den ursprünglichen Forschungsarbeiten von Milgram zur Gehorsamkeit gegenüber Autoritäten, eine bemerkenswerte Mehrheit der Menschen immer noch bereit ist, eine hilflose Person elektrisch zu verletzen oder sogar zu töten.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: SWPS Uniwersytet Humanistycznospoleczny, Social Psychological and Personality Science – DOI: 10.1177/1948550617693060; März 2017

Ähnliche Artikel, News

  • Gehorsam: Der Mythos des blinden Konformismus
    zum Artikel
  • Warum Gehorsam zu schlimmen Taten führen kann: Befehlen zu gehorchen reduziert die empathische Aktivität im Gehirn (gegenüber den Schmerzen der Opfer).
    zum Artikel