Psychologie des Spendens

Psychologie des Spendens

Sozialpsychologie – Altruismus

Spenden nach Katastrophen: Je mehr Tote, desto mehr Geld

Menschen machen die Höhe ihrer Spende eher von der Zahl der in einer Naturkatastrophe getöteten Menschen abhängig, als von der Zahl der Menschen, die überlebt haben, laut einer neuen Forschungsstudie.

Anzahl der Todesopfer

Diese Spendenneigung kann jedoch mit einer einfachen Änderung in der Sprache verändert werden.
Die Forscher der Erasmus Universität begannen damit, Daten zur humanitären Hilfe nach Naturkatastrophen (zwischen 2000 und 2010) zu überprüfen. Wie sie erwarteten, sagte die Anzahl der Todesopfern die Wahrscheinlichkeit und die Höhe der Spenden von privaten Spendern bei verschiedenen Katastrophen vorher.

‘Betroffene’ hatten keinen Einfluss auf Höhe der Spende

Ihr Modell schätzte, dass etwa 6.900 Euro pro in einer Katastrophe getötete Person gespendet wurde. Die Anzahl der Menschen, die in den Katastrophen “betroffen” waren, schien andererseits keinen Einfluss auf den Betrag zu haben, der für die Hilfe gespendet wurde.

Die Forscher, Evangelidis und Van den Bergh glauben, dass Spender ihre Aufmerksamkeit eher auf die Zahl der Todesopfer (für die Entscheidung, wie viel sie geben) richten, weil der Ausdruck “betroffen” mehrdeutig ist. In vielen Fällen jedoch stehen Todesopfer nicht mit der Anzahl der Menschen in Beziehung, die tatsächlich Hilfe brauchen.

naturkatastrophe
Bild: Karl Pawlowitsch Brjullow:
Der letzte Tag von Pompeji

Betroffene versus Todesopfer

Um eine Möglichkeit zu finden, diese Spendentendenz zu bekämpfen, gingen die Forscher mit ihren
Studienteilnehmern ins Labor und präsentierten diesen mehrere Szenarien, in denen verschiedene Katastrophen mit unterschiedlich vielen Menschen, die getötet und betroffen sind, vorkamen.

Generell spendeten die Teilnehmer mehr Geld, wenn eine Katastrophe zu einer hohen Zahl von Todesopfern führte – sogar wenn die Anzahl der betroffenen (überlebendenden) Menschen niedrig war; dies spiegelte die Daten der wirklichen Naturkatastrophen wider.

Beim Vergleichen setzt der Verstand ein

Diese Tendenz wurde jedoch umgekehrt, als die Teilnehmer zwei Erdbeben vergleichen sollten – eines tötete 4.500 und betraf 7.500 Menschen, das andere forderte 7.500 Menschenleben und betraf 4.500 – bevor sie die Spenden verteilten.

Der Vorgang des Vergleichs der beiden Katastrophen scheint die Teilnehmer dazu gezwungen zu haben, kritisch darüber nachzudenken, welche Gruppe tatsächlich mehr Hilfsmittel benötigte.

Aber, der leichteste und realistischste Weg, die Spendenneigung in die benötigte Richtung zu drehen, kann durch eine einfache Änderung in der Terminologie herbeigeführt werden.

Wenn die Forscher den Ausdruck “betroffen” mit dem eindeutigeren “obdachlos” tauschten, glaubten die Teilnehmer, sie sollten das Geld gemäß der Anzahl in einer Katastrophe obdachlos gewordener Menschen vergeben.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Rotterdam School of Management, Erasmus University; Sept. 2013

Beinflusst die Sympathie-Neigung karitatives Spenden?

Wie simple Veränderungen der Worte den Spendenaufruf erfolgreicher machen

10.11.2016 Eine im Fachblatt Marketing Science veröffentlichte Studie der Universitäten Yale und New Haven untersuchten den psychologischen Einfluss der Sympathie auf die Spendenbereitschaft.

Einfluss der Sympathie

Dazu führten die Studienautoren K. Sudhir und Subroto Royein in großem Umfang Spendenexperimente mit direkten Anschreiben durch – mit 200.000 potentiellen Spendern über Kaltakquise und über 100.000 bereits zuvor spendender Personen über Warmakquise.

Die Autoren änderten systematisch den Inhalt ihres Spendenaufrufs, versuchten den Ansatz der Psychologie der Zuneigung zu hebeln, und erfassten die Zahl der Spender und den Betrag der Spenden als Reaktion auf die unterschiedlichen Briefe.

Die Hauptergebnisse waren überraschend. Die Spenden änderten sich drastisch basierend auf den Schlüsseleigenschaften des Ziels der Spende und des Spendenaufrufs.

Kaltakquise

Bei der Kaltakquise stiegen die Spenden um

  • 110 Prozent, wenn der Spendenempfänger eine namentlich benannte Person im Vergleich zu einer namenlosen Gruppe war;
  • 55 Prozent, wenn der Spendenempfänger dieselbe Religion wie der Spender hatte versus eine andere Religion;
  • 33 Prozent, wenn der Spendenempfänger in die Armut fiel, statt arm ist mit nicht beschriebener Vergangenheit; und
  • 66 Prozent, wenn die jährliche Spende in einen monatlichen Rahmen gesetzt wurde statt als tägliche Beträge beziffert wurde.

Zusammen führten diese Taktiken zu einer 300-Prozent-Zunahme bei den Spendenerlösen.

Warmakquise

Bei der Warmakquise – als bei den Spendern, die bereits früher gespendet hatten – war die prozentuale Zunahme bei den Spenden kleiner, aber die zusätzlichen Beträge erhöhten sich ebenso eindrucksvoll. Roy sagte, dass die richtige Wahl der Worte die Emotionen genauso bei neuen wie bei früheren Spendern verstärkten.

Sudhir bemerkte fasziniert, dass viele der im Labor entstandenen psychologischen Theorien zum Spenden sich bei den Spendenaufrufen in der realen Welt behaupten bzw. repliziert werden können.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universitäten Yale und New Haven, Marketing Science – doi.org/10.1287/mksc.2016.0989; Nov. 2016

Transzendenz durch Spendenverhalten: Neue Studie zeigt, dass Menschen eher spenden, wenn sie an ihre eigene Sterblichkeit erinnert werden

12.07.2020 Eine im Journal of Consumer Research veröffentlichte psychologische Forschungsarbeit zeigt, dass Menschen angesichts ihrer eigenen Sterblichkeit eher bereit sind, Teile ihres Besitzes zu spenden.

Mortalitätssalienz

Die Studie untersuchte, wie Menschen auf “Mortalitätssalienz” / “Sterblichkeitssalienz” reagieren – d.h. auf die menschliche Bewusstheit, dass sie sterben werden.

Frühere Studien haben gezeigt, dass einige Menschen sich damit trösten, mehr materiellen Besitz zu erwerben – mit anderen Worten, sie sind der Auffassung, dass “derjenige gewinnt, der mit dem meisten ‘Spielzeug’ stirbt”.

Transzendenz durch Spenden

Aber die neue Forschung aus der Psychologie zeigt, dass Menschen auch den Wunsch äußern können, wichtigen Besitz an andere weiterzugeben, weil es ihnen eine Art Unsterblichkeit verleiht, die die Forscher “Transzendenz” nennen.

Um das Experiment durchzuführen, wurden 512 Teilnehmer gebeten, mit einem Buch ins Labor zu kommen, das sie eventuell verschenken wollten. Eine Gruppe wurde dann dazu gebracht, über ihren Tod nachzudenken, während die andere Gruppe über einen normalen Tag nachdachte.

Später wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie ihr Buch für wohltätige Zwecke spenden wollten; einigen wurde auch angeboten, eine Inschrift in das Buch zu schreiben und es zu signieren, um das Angebot persönlicher zu gestalten. Es waren keine Wissenschaftler anwesend, als die Teilnehmer ihre Entscheidung trafen, um sicherzustellen, dass es keinen Spendendruck gab.

Mit der eigenen Identität verbunden

Die Menschen, die ihren Tod ins Auge gefasst hatten, spendeten das Buch mit einer um mehr als 30 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit – vor allem, wenn sie es mit sich selbst in Verbindung gebracht hatten, schreiben die Studienautoren um Lea Dunn von der University of Washington.

Der Effekt verschwindet jedoch, wenn der Gegenstand zerbrochen oder recycelt werden kann und dadurch sein wahrgenommenes Potenzial für Transzendenz verliert.

Dieser psychologische Effekt des Spendens wirkte auch nicht bei Menschen, die den Wunsch nach Transzendenz bereits durch andere Kanäle befriedigen konnten.

(Anm.: Diese psychologischen Befunde zur Transzendenz werden bereits bei der Vermarktung von Produkten angewandt (“Produkte für die Ewigkeit”) und sicherlich (bald) auch von Spendenorganisationen, um das Spendenverhalten zu motivieren.)

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Journal of Consumer Research – https://doi.org/10.1093/jcr/ucaa020

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