Zur Psychologie des Sitzverhaltens

Sitzen / Sitzverhalten (Psychologie)

Verhaltenspsychologie

News und Forschungsartikel, die sich mit der Psychologie des Sitzverhaltens / Sitzens bzw. der Auswirkungen des Sitzverhaltens auf die Psyche beschäftigen.

Warum man nicht vom Bürostuhl aufsteht: Auf dem Weg zu einer neuartigen Psychologie des Sitzverhaltens

16.06.2020 Um ein besseres Verständnis unseres Sitzverhaltens zu erlangen, ist eine detaillierte psychologische Forschung über unsere Beweggründe für das Hinsetzen und Aufstehen erforderlich.

Bleibt man z.B. länger sitzen, wenn man psychisch erschöpft ist (aufgrund von geistig anstrengender Arbeit), oder würde man tatsächlich eher aufstehen?

Und zu welcher Tagesuhrzeit würde man eher die Haltung wechseln? Eine Veröffentlichung von Forschern der Radboud Universität und des Radboud University Medical Center (PNAS, 15. Juni) gibt erste Einblicke zur Psychologie des Sitzens.

Sitzen geschieht oft unbewusst


Bild: pixabay

Langes ununterbrochenes Sitzen ist definitiv schlecht für die Gesundheit, aber abgesehen davon wissen wir immer noch nicht viel über die psychologische Seite, sagt die Psychologin Pam ten Broeke vom Institut für Verhaltenswissenschaften an der Radboud Universität.

Eine neue Arbeit, deren Hauptautorin sie ist, bietet neue Einblicke in diese ‚Sitzpsychologie‘. Viele Menschen verstehen die psychologische Seite des Sitzens nicht sofort. Aber jedes Mal, wenn man aufsteht oder sich hinsetzt, gibt es einen zugrundeliegenden Grund, sei es ein bewusster oder unbewusster.

Sitzen wird oft gleichbedeutend mit Bewegung aufgefasst, als eine bewusste Entscheidung, aber Sitzen geschieht viel automatischer. Sitzen scheint ein gewohnheitsmäßiges Verhalten zu sein, und wenn man dieses Verhalten ansprechen will, muss man es als solches behandeln, sagt die Psychologin.

Wechselnde Körperhaltung bei geistiger Erschöpfung

Die Studie lieferte einige interessante vorläufige Erkenntnisse. Sitzmuster neigen dazu, sich im Laufe des Arbeitstages zu verändern. Die Menschen wechseln ihre Körperhaltung am Nachmittag schneller, während längere Sitzphasen häufiger am Morgen auftreten.

Obwohl sich also die Menschen am Ende des Arbeitstages geistig erschöpft fühlen, verhalten sie sich dennoch gesünder; dies steht im Gegensatz zu anderen gesundheitsrelevanten Verhalten wie Essen oder Bewegung.

Am Ende des Arbeitstages sind die Menschen möglicherweise weniger in der Lage, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, und sie stehen dann schneller auf und entfernen sich von ihrem Arbeitsplatz, um zum Beispiel etwas zu holen oder eine kurze Pause einzulegen. Dies führt folglich zu einem gesünderen Sitzverhalten, sagt die Psychologin.

Die Forscher untersuchten das Sitzverhalten von mehr als 150 Personen mit Büroarbeitsplätzen. Die Teilnehmer waren mit Aktivitätssensoren ausgestattet und wurden durchschnittlich vier Arbeitstage lang beobachtet.

Insgesamt untersuchten die Forscher etwa 30.000 Übergänge zwischen Sitzen und Stehen. Dies wird uns tatsächlich in die Lage versetzen, die Beziehungen zwischen anderen psychologischen Prozessen zu untersuchen, die während des Tages dynamisch ablaufen, wie z.B. Müdigkeit oder das physische Umfeld oder die Büroumgebung, in der sich eine Person befindet, schreiben die Studienautoren.

Gesünderes Sitzverhalten stimulieren

Längerfristig könnte diese neuartige Betrachtungsweise des Sitzverhaltens eine Grundlage für Interventionen bieten, die ein gesünderes Sitzverhalten fördern. Solche Interventionen werden wahrscheinlich den Schwerpunkt darauf verlagern müssen, dynamischere Veränderungen zwischen Sitzen und Stehen während des Arbeitstages anzuregen und den automatischen und unbewussten Aspekt des Sitzverhaltens zu nutzen.

Dies könnte zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass man während der Arbeit neue ‚Aufsteh‘-Gewohnheiten schafft oder die Büroumgebung so gestaltet, dass man gezwungen ist, die Sitzzeit schneller zu unterbrechen, sagt sie. Doch bevor solche Interventionen konzipiert werden können, muss die Psychologie des Sitzens weiter erforscht werden.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Proceedings of the National Academy of Sciences – DOI: 10.1073/pnas.2001284117