29.01.2021 Für Risikoverhalten gibt es eine gemeinsame genetische und neurobiologische Grundlage: Die genetische Disposition für Risikofreude ist in mehreren Arealen des Gehirns abgebildet, wie eine UZH-Studie zeigt. Sie kombiniert erstmals genetische Information mit Gehirnscans von über 25’000 Personen.
Riskante Verhaltensweisen wie Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum, zu schnelles Autofahren oder häufig wechselnde Sexualpartner ziehen enorme gesundheitliche und ökonomische Konsequenzen nach sich. Die damit einhergehenden Auslagen belaufen sich alleine in den USA auf geschätzte 600 Milliarden Dollar jährlich. Um Massnahmen zu definieren, die diese Kosten senken könnten, braucht es ein besseres Verständnis der Grundlagen und Mechanismen von Risikobereitschaft.
Funktionale und anatomische Unterschiede
Ein internationales Forschungsteam um die UZH-Neuroökonomen Gökhan Aydogan, Todd Hare und Christian Ruff hat deshalb in einem ersten Schritt untersucht, welche genetischen Ausprägungen mit Risikoverhalten korrelieren. Auf dieser Basis haben die Wissenschaftler in einer separaten Stichprobe Voraussagen zur Risikofreude gemacht und untersucht, ob sich Gehirne von Personen mit einer genetischen Disposition für Risikobereitschaft von den Gehirnen weniger risikofreudiger Personen unterscheiden. «Wir fanden sowohl funktionale als auch anatomische Unterschiede», fasst Gökhan Aydogan die Erkenntnisse zusammen.
Verschiedene Hirnareale involviert
Spezifische Ausprägungen zeigten sich dabei in mehreren Hirnarealen: Im Hypothalamus, wo über die Ausschüttung von Hormonen (wie Orexin, Oxytocin oder Dopamin) die vegetativen Funktionen des Körpers gesteuert werden, im Hippocampus, der für das Abspeichern von Erinnerungen wesentlich ist, im Dorsolateralen Präfrontalen Cortex, der ein wichtige Rolle bei Selbstkontrolle und kognitivem Abwägen spielt, in der Amygdala, die unter anderem die emotionale Reaktion auf Gefahren steuert, sowie im Ventralen Striatum, das bei der Verarbeitung von Belohnungen aktiv wird.
Überrascht wurde das Team von den messbaren anatomischen Unterschieden, die sie im Kleinhirn entdeckten. Dieses wird in Studien zu Risikoverhalten normalerweise nicht einbezogen in der Annahme, dass es hauptsächlich in feinmotorische Funktionen involviert ist. An dieser Hypothese kamen in den letzten Jahren jedoch deutliche Zweifel auf, die durch die aktuelle Studie nun neuen Auftrieb erhalten.
«Es scheint, als würde das Kleinhirn in Entscheidungsprozessen wie dem Risikoverhalten dennoch eine wichtige Rolle spielen», so Aydogan. «Im Hirn von risikobereiteren Personen fanden wir weniger graue Substanz in diesen Arealen. Wie diese graue Substanz das Verhalten beeinflusst, muss allerdings noch untersucht werden.»
Erstmals mehrere Einflussfaktoren in Kombination untersucht
Die Studie betritt in mehrerer Hinsicht Neuland: Es ist das erste Mal, dass die Grundlagen von Risikoverhalten anhand einer so großen und repräsentativen Stichprobe von 25‘000 Personen untersucht werden. Zudem ist es die erste Studie, die mögliche Einflussfaktoren – die genetische Prädisposition sowie Unterschiede in Anatomie und Funktion von Gehirnarealen – nicht alleinstehend, sondern in Kombination untersucht.
Offen bleibt derzeit noch, inwiefern die Zusammenhänge zwischen genetischer Disposition, neurobiologischen Ausprägungen und Risikoverhalten kausal sind, wie Aydogan betont: «Wie genau das Zusammenspiel von Umwelt und Genen unser Risikoverhalten beeinflusst Bedarf weiterer Forschung.»
Quellenangabe: Universität Zürich
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