Der erfolgreiche Unternehmer mit ADHS

ADHS: Unternehmer; Selbstständig

Unternehmertum, Selbstständigkeit: Wie ADHS-Symptome produktiv genutzt werden können

10.03.2017 Laut einer im Fachblatt Journal of Business Venturing Insights veröffentlichten qualitativen Studie der Technischen Universität München gibt es eine Verbindung zwischen Symptomen der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ADHS und wichtigen Merkmalen des Unternehmertums.

Laut Studienautor Holger Patzelt und seinen an der Studie beteiligten Kollegen Johan Wiklund von der Syracuse Universität und Dimo Dimov von der Universität Bath sind bei UnternehmerInnen mit ADHS Offenheit gegenüber Neuem, Leidenschaft und Beharrlichkeit zu finden.

„Irgendwann fiel uns auf: Einige Symptome der Störung ähneln den Verhaltensweisen, die man gemeinhin als unternehmerisch bezeichnet – und zwar im positiven Sinn“, erklärt Patzelt.

Selbstständigkeit und unternehmerisches Handeln

In einer qualitativen Studie befragten die Forscher 14 Unternehmer mit ADHS zu ihrer Störung, Arbeit und ihrer Person. Die Wissenschaftler konnten feststellen, dass ADHS-Schlüsselsymptome Einfluss auf deren Entscheidung nahmen, ein Unternehmen zu gründen bzw. in die Selbstständigkeit zu gehen; ebenso wurde ihr unternehmerisches Handeln von der Störung beeinflusst.

„ADHS war ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung, sich selbstständig zu machen, und hat die Ausprägung wichtiger unternehmerischer Eigenschaften beeinflusst: Risikofreude, Leidenschaft, Beharrlichkeit und die Bereitschaft, viel Zeit zu investieren“, sagte Patzelt. „Eine besondere Rolle spielt die Impulsivität. Für Menschen mit ADHS fühlt sich intuitives Handeln richtig an, selbst wenn das Ergebnis schlecht sein sollte.“

Zwar scheiterten ein Drittel der befragten Selbstständigen mit ADHS oder waren nur wenig erfolgreich mit ihrer Firma, doch zeigen die Befunde wichtige Punkte laut Patzelt:

„Wie wir unternehmerische Entscheidungen beurteilen, richtet sich stark an Rationalität und positiven Ergebnissen aus. Doch können diese Entscheidungen im Angesicht einer unüberschaubaren Vielzahl an Unwägbarkeiten überhaupt immer rational sein? Menschen mit ADHS zeigen uns eine andere Logik, die vielleicht besser zu unternehmerischem Handeln passt.“

Impulsives Handeln

Ungeduld und Langeweile nahmen Einfluss auf die Entscheidung, sich selbstständig zu machen. Mit hektischen, stressenden Bedingungen bzw. Situationen können die Befragten gut umgehen und ihre Störung verschaffe ihnen hier durchaus Vorteile. „Ihre durch ADHS ausgelöste Impulsivität verschafft ihnen den Vorteil, auch in unvorhergesehenen Umständen zu agieren, ohne in Angst und Paralyse zu verfallen“, schreibt Patzelt.

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Bild: Gerd Altmann

Viele der Befragten handeln ohne vorher nachzudenken, auch wenn es um wichtige weitreichende Entscheidungen geht. Sie investierten strategielos in sehr riskante Unternehmungen mit der Überzeugung nur durch schnelle impulsive Entscheidungen vorankommen zu können; Fehlschläge sind dann oft zu akzeptieren; manche Unternehmer mit ADHS „fühlen sich von strukturellem Arbeiten überfordert“.

„Eine ausgeprägte Bereitschaft, Neues auszuprobieren und Risiken einzugehen, ist eine wichtige unternehmerische Eigenschaft“, sagte Patzelt.

Doch erfolgreich war das impulsive Handeln der Interviewten nur dann, wenn sie sich dabei auf die Firmenentwicklung fokussierten. Bei allen führte die Eigenschaft der Impulsivität jedoch auch zu Problemen mit Routinearbeiten, z.B. der Buchführung.

Hyperfokussierung

„Unternehmerinnen und Unternehmer können sich mit Leidenschaft, Beharrlichkeit und dem Fachwissen, das sie aufgrund dessen aufbauen, einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffen“, erklärte Patzelt.

Mit ADHS können Menschen eine außergewöhnlich intensive Fokussierung auf ihre Tätigkeit hervorbringen, die auch als Hyperfokussierung bezeichnet wird.

Hohes Aktivitätsniveau

Viele der befragten Unternehmer und Selbstständigen berichteten über ein hohes Arbeitsniveau, Tag- und Nachtarbeit ohne freie Stunden. Dies läge am Flow, in den sie durch die Hyperfokussierung gelangen, sowie an der physischen Unruhe. Diese könne als Problem aber auch als Motor für die Arbeit genutzt werden.

Die Selbstständigkeit erbringt hier den Vorteil, das nicht gleichbleibende Energieniveau besser durch eine eigene Arbeitseinteilung nutzen zu können.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Technische Universität München, Journal of Business Venturing Insights – DOI: 10.1016/j.jbvi.2016.07.001; März 2017

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