Depression: Symptom-Checkliste, genetisches Risiko

Depression wird zu oft auf das Abhaken der Symptom-Checkliste reduziert

24.10.2015 Was sind ‚gute‘ Depressionssymptome? Forscher verglichen die Zentralität von DSM- und Nicht-DSM-Symptomen der Depression in einer Netzwerkanalyse.

DSM-Checkliste

Wie kann man feststellen, ob jemand depressiv ist? Das diagnostische und statistische Handbuch für psychische Störungen (DSM) – die ‚Bibel‘ der Psychiatrie – diagnostiziert Depression, wenn Patienten eine gewisse Anzahl an Symptomen auf der DSM-Checkliste vorweisen. Eine Studie der KU Leuven in Belgien zeigt, dass einige Symptome eine viel größere Bedeutung als andere haben, und dass die im DSM aufgeführten Symptome nicht immer die hilfreichsten sind.

Um Depression zu diagnostizieren, haken Psychiater normalerweise die Anzahl der Depressionssymptome, von denen die Patienten berichten, in Fragebögen ab. Es ist eigentlich nicht von Belang, welche dieser Symptome die Patienten haben, solange sie eine gewisse Anzahl von ihnen aufweisen.

Komplexes System interagierender Symptome

Ein neue Studie stellt diese Praxis in Frage: „Wir müssen aufhören, Depression als Krankheit zu betrachten, die durch eine Reihe austauschbarer Symptome verursacht wird“, sagte Studienautor Dr. Eiko vom Fachbereich für Psychologie. Depression ist ein komplexes, äußerst heterogenes System interagierender Symptome. Und einige dieser Symptome scheinen viel wichtiger als andere zu sein, sagte er in der Zeitschrift Journal of Affective Disorders.

depressiver mann
Bild: George Hodan

Zentralere Symptome

Die Forscher analysierten Daten zu 28 Symptomen von 3.463 depressiven Patienten. Sie prüften dann die Verbindungen zwischen diesen Symptomen. Ihre Netzwerkanalyse ergab, dass einige Symptome ‚zentraler‘ als andere sind – sie hingen stärker zusammen. Daher haben diese Symptome eine viel größere Wirkung auf den depressiven Prozess.

„Wenn Sie Depression als Netz interagierender Symptome betrachten, kann ein Symptom ein anderes auslösen“, erklärt Fried. Zum Beispiel kann Schlaflosigkeit zur Erschöpfung führen, was wiederum Konzentrationsprobleme verursachen kann, die auf die Schlaflosigkeit zurückwirken. Dieses Beispiel für einen Teufelskreis zeigt, dass die von Patienten berichteten spezifischen Symptome und ihre Interaktionen von entscheidender klinischer Bedeutung sein können.

Er fuhr fort: „Depression ist nicht wie Masern. Wenn Sie Masern haben, kann der Arzt anhand Ihrer Symptome erfassen, welche Krankheit Sie haben. Aber sobald Sie diagnostiziert ist, ist es nicht mehr wirklich wichtig, welche der möglichen Symptome Sie hatten oder bekommen. Die Krankheit selbst zu behandeln, lässt all Ihre Symptome verschwinden.“

Depression ist komplizierter. Es ist nicht eine Infektion oder eine spezifische Gehirnkrankheit. Es gibt kein leichtes Heilmittel, kein Medikament, das alle Symptome verschwinden lässt. Stattdessen können die auf die Symptome gerichteten Behandlungsbemühungen sogar noch die Depression eines Patienten fördern, sagte er.

In der Studie liegen die zwei wichtigsten DSM-Symptome – traurige Stimmung und reduziertes Interesse oder Freude – unter den Top 5 in Bezug auf Zentralität. Aber die Forscher stellten auch fest, dass DSM-Symptome wie Hypersomnie (Schlafsucht), Agitation (krankhafte Unruhe) und Gewichtsveränderung nicht zentraler sind als andere häufige Depressionssymptome wie Pessimismus und Angst.

Auswirkungen

Welche Auswirkungen hat dies auf die Psychiatrie? Ist die Zeit gekommen, die DSM-Checkliste der Depressionssymptome aufzugeben?

Idealerweise sollte die Liste der Depressionssymptome umfassender werden, um der Heterogenität der Depression gerecht zu werden.

Fried: „Ich denke auch, dass sowohl Kliniker als auch Forscher viel lernen können, wenn sie den individuellen Symptomen und ihren Interaktionen mehr Aufmerksamkeit schenken. Aber wir brauchen natürlich viel mehr Forschungsarbeit, bevor wir die DSM-Diagnose der Depression tatsächlich durch etwas anderes ersetzen können“.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: KU Leuven, Journal of Affective Disorders; Okt. 2015

Frühere und schwerere Depressionssymptome verbunden mit hohem genetischen Risiko für psychiatrische Störungen

08.02.2017 Klinische Eigenschaften der klinischen Depression können helfen, bestimmte Untergruppen depressiver Patienten mit einem erhöhten genetischen Risiko für klinische psychische Störungen zu bestimmen.

Erhöhtes genetisches Risiko

mann niedergeschlagene stimmung
Bild: George Hodan

Die Studie fand heraus, dass Patienten mit einem früheren Ausbruch und schwereren Symptomen der Erkrankung ein erhöhtes genetisches Risiko für klinische Depression, Bipolare Störung und Schizophrenie haben.

Die Ergebnisse betonen genetische Ähnlichkeiten zwischen Untergruppen depressiver Patienten basierend auf deren klinischen Charakteristika.

Obwohl die Forscher um Brenda Penninx von der VU Universität in Amsterdam wissen, dass Genetik eine Rolle bei der Entwicklung von depressiven Störungen spielt, hat die heterogene Natur der depressiven Patienten die Suche nach Risikogenen behindert.

Die neuen Ergebnisse legen eine Möglichkeit nahe, die breite Range der Patienten mit klinischer Depression zu stratifizieren (schichten), womit die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, die verantwortlichen Gene zu identifizieren.

Das ist wichtig, sagte Studienautorin Judith Verduijn, weil es nützlich ist, phänotypisch homogenere Gruppen depressiver Patienten zu bilden, wenn man nach mit Depression verknüpften Genen sucht.

Schwere und frühe Form

In der Studie analysierten Verduijn und Yuri Milaneschi zusammen mit ihren Kollegen Genom-weite Daten von 3.331 Personen (1.539 mit einer klinischen Depression diagnostiziert) aus der Netherlands Study of Depression and Anxiety. Für alle Patienten berechneten sie das Genom-Risikoprofil für Depression, Bipolare Störung und Schizophrenie.

Nur die Eigenschaften, die mit einer schweren Depressionsform verbunden waren – einschließlich

  • eines frühen Alters beim Ausbruch der Erkrankung,
  • hohe Punkte bei der Symptomschwere und
  • einer hohen Zahl spezifischer Symptome aus dem Diagnostischen und Statistischen Handbuch für psychische Störungen (DSM)

waren mit der höheren genetischen Last für die drei psychiatrischen Störungen verknüpft.

Die Analyse zeigte keine Zusammenhänge zwischen genetischem Risikoprofil und

  • der Dauer der Symptome,
  • Familiengeschichte,
  • depressive Episoden,
  • Wiederauftreten von depressiven Episoden oder
  • Depressionsstadium.

Diese Studie unterstützt die Annahme, dass psychische Erkrankungen heterogen sind, und dass früher Ausbruch und schwerere Depressionsformen diejenigen mit einer größeren Vererbbarkeit sind, sagte John Krystal, Redakteur von Biological Psychiatry.

Mit der Studie konnten die Forscher auch ihre Entdeckung replizieren, dass Patienten mit einer hohen Anzahl von DSM-Symptomen auch ein erhöhtes genetisches Risiko für Schizophrenie besitzen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: VU Universität, Biological Psychiatry – DOI: 10.1016/j.biopsych.2016.05.024; Feb. 2017

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