Menschen mit körperdysmorpher Störung bilden aufgrund von Problemen bei der visuellen Verarbeitung negative Überzeugungen
07..202407 Die körperdysmorphe Störung (auch Dysmorphophobie oder Körperbildstörung genannt) ist nach wie vor eine der am wenigsten erforschten psychischen Störungen. Neue Forschungsergebnisse der Swinburne University of Technology liefern jedoch das bisher umfassendste Verständnis der visuellen Verarbeitungsprobleme, die bei den Betroffenen auftreten.
Körperbildstörung ist eine verheerende psychische Störung, bei der die Betroffenen davon überzeugt sind, sie seien hässlich oder deformiert.
Die Swinburne-Neuropsychologin Prof. Susan Rossell führte kontrollierte aufgabenbasierte Studien und Literaturübersichten durch, die von April bis Juni 2024 veröffentlicht wurden, um eine Reihe von visuellen Schwierigkeiten bei Menschen mit dieser schwerwiegenden Störung zu bestätigen. Die Arbeit wurde in Cognitive Neuropsychiatry bzw. Psychiatry Research veröffentlicht.
„Patienten mit körperdysmorpher Störung sind mit erheblichen Problemen konfrontiert, darunter das Erkennen von Emotionen, übermäßiges Interesse an Details, abnormales Blickabtastungsverhalten und eine Tendenz zur Überbewertung von Attraktivität“, sagt sie.
Rossell sagt, dass das bisherige Verständnis von Dysmorphophobie sowohl für Kliniker als auch für Patienten verwirrend war. Die medizinische Fachwelt hat nur ein geringes Verständnis für diese psychische Krankheit, und es gibt derzeit nur sehr begrenzte Behandlungsmöglichkeiten. Die Ergänzung der Literatur durch diese Forschungsergebnisse wird den Ärzten einen besseren Einblick vermitteln, wie Dysmorphophobie entsteht und aufrechterhalten wird“.
Nach Rossells Erkenntnissen gibt es auch Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen Körperbildstörung-assoziierten Defiziten und solchen, die mit Zwangsstörungen oder Essstörungen einhergehen. Ihrer Meinung nach könnte ein kohärenter Rahmen dazu beitragen, klare und konsistente Verhaltensmuster zu entwickeln, an denen sich künftige Behandlungen orientieren könnten.
„Körperbildstörung ist kein Narzissmus oder Eitelkeit, sondern eine schwerwiegende psychische Störung, von der schätzungsweise 2 % der Australier betroffen sind und die zu anderen psychischen Störungen, unangebrachten kosmetischen Eingriffen oder sogar Suizid führen kann.“
Die Hauptresultate der veröffentlichten Studien:
- Dysmorphophobiker schnitten bei der Verarbeitung globaler und lokaler Nicht-Gesichtsreize in der Navon-Aufgabe, bei der Erkennung subtiler Veränderungen in den Merkmalen und Abständen eines Zielgesichts und bei der Kennzeichnung emotionaler Gesichter ähnlich gut ab wie die Kontrollgruppe. Teilnehmer mit Dysmorphophobie zeigten jedoch eine schlechtere Leistung bei der Betrachtung von invertierten Gesichtern, was auf Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Konfigurationen hinweist.
- Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Personen mit körperdysmorpher Störung Defizite bei der emotionalen Verarbeitung von Gesichtern, ein mögliches übermäßiges Engagement bei der Verarbeitung von Details, ein abweichendes Blickabtastungsverhalten und eine Tendenz zur Überbewertung von Attraktivität aufweisen.
- Die Befunde deuten zwar durchweg auf visuelle Defizite bei körperdysmorpher Störung hin, aber die Art der Defizite ist unklar. Diese Inkonsistenz kann auf die Heterogenität der Stichproben und die Unterschiede in der Versuchsanordnung (d. h. Stimuli, Aufgaben, Bedingungen) zurückgeführt werden.
- Es gibt Schwierigkeiten, zwischen Dysmorphophobie-assoziierten Defiziten und solchen, die mit Zwangsstörungen oder Essstörungen einhergehen, zu unterscheiden.
- Ein kohärenter Rahmen, der die Charakterisierung der Stichprobe und das Aufgabendesign einschließt, soll klare und konsistente Verhaltensmuster hervorbringen, an denen sich künftige Behandlungen orientieren können.
„Wir wissen erst seit kurzem, was es mit dieser Störung auf sich hat, und es gibt derzeit nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten. Wichtig ist, dass wir in den bestehenden psychiatrischen Diensten einen großen Mangel an klinischem Personal haben, das die Störung verstehen und behandeln kann, so dass weitere Forschung und die Entwicklung von Ressourcen, die diese neuen Erkenntnisse im Zusammenhang mit der visuellen Verarbeitung nutzen, ein äußerst dringender nächster Schritt ist.“
© Psylex.de – Quellenangabe: Cognitive Neuropsychiatry (2024). DOI: 10.1080/13546805.2024.2326243; Psychiatry Research (2024). DOI: 10.1016/j.psychres.2024.116013