Viele der Langzeit-Antidepressiva-Anwender können die Medikamente mit Hilfe des Hausarztes bzw. zusätzlicher psychologischer Internet-, telefonischer Unterstützung absetzen
04.07.2024 Die Wissenschaftler fanden heraus, dass mehr als 40 % der Menschen, denen es gut ging und die nicht rückfallgefährdet waren, es schafften, Antidepressiva mit Hilfe ihres Arztes abzusetzen. Und Patienten, die online und telefonisch Zugang zu Psychologen hatten, litten seltener an Depressionen, hatten weniger Entzugssymptome und berichteten über ein besseres psychisches Wohlbefinden. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift JAMA Network Open veröffentlicht.
Studienautor Tony Kendrick von der University of Southampton sagte, die Ergebnisse seien bedeutsam, da sie zeigten, dass eine große Zahl von Patienten, die ihre Medikamente absetzen, keine kostspieligen intensiven Therapiesitzungen benötigten.
Er fügte hinzu: „Dieser Ansatz könnte das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen für Patienten, die Antidepressiva über einen langen Zeitraum einnehmen und Bedenken wegen des Entzugs haben, beseitigen. Die psychologische Unterstützung der Patienten durch Internet und Telefon sei auch für die Gesundheitsversorgung kosteneffizient“.
„Unsere Erkenntnisse zeigen, dass die Unterstützung nicht nur die Behandlungsergebnisse verbessert, sondern auch die Belastung der medizinischen Grundversorgung während des Absetzens von Antidepressiva verringert.“ An der Studie nahmen 330 Erwachsene teil, die seit mehr als einem Jahr Antidepressiva wegen einer ersten depressiven Episode oder seit mehr als zwei Jahren wegen eines erneuten Auftretens der Krankheit eingenommen hatten.
- Die Intervention (zusätzliche psychologische Unterstützung über Telefon, Internet zur Hausarztbehandlung) erwies sich gegenüber der Kontrollgruppe (Hausarzt) als nicht unterlegen; die mittleren PHQ-9-Werte (9-item Patient Health Questionnaire) waren nach 6 Monaten in der Interventionsgruppe geringfügig niedriger als in der Kontrollgruppe in der vollständigen Fallanalyse, aber nicht signifikant unterschiedlich in einer Intention-to-treat-Sensitivitätsanalyse mit multipler Imputation.
- Nach 6 Monaten hatten 66 von 145 Teilnehmern der Interventionsgruppe (45,5 %), die Angaben zum Absetzen machten, und 54 von 129 Teilnehmern der Kontrollgruppe (41,9 %) die Antidepressiva abgesetzt.
- In der Interventionsgruppe waren die Entzugssymptome der Antidepressiva weniger schwerwiegend, und das psychische Wohlbefinden war besser als in der Kontrollgruppe; die Unterschiede waren gering, aber signifikant.
- Bei den anderen Ergebnissen gab es keine signifikanten Unterschiede; bei 28 von 179 Teilnehmern der Interventionsgruppe (15,6 %) und 22 von 151 Teilnehmern der Kontrollgruppe (14,6 %) traten unerwünschte Ereignisse auf.
In dieser cluster-randomisierten klinischen Studie, in der zusätzlich zu einer ärztlichen Untersuchung über ein mögliches Absetzen von Antidepressiva eine Internet- und Telefonunterstützung angeboten wurde, verbesserte sich die Depression durch die Unterstützung geringfügig, aber die Absetzrate der Antidepressiva stieg nicht signifikant an, schreiben die Autoren. Auch bei den Entzugssymptomen von Antidepressiva und dem psychischen Wohlbefinden gab es nur geringe Verbesserungen. Es traten keine signifikanten Nebenwirkungen auf. Die Überprüfung durch den Hausarzt im Hinblick auf ein mögliches Absetzen von Antidepressiva erwies sich für mehr als 40 % der Patienten, die bereit und in der Lage waren, das Mittel abzusetzen, als sicher und wirksam.
© Psylex.de – Quellenangabe: JAMA Netw Open. 2024;7(6):e2418383. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.18383
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