Ein Leben in Armut aufgrund von psychischen Problemen oder die Entwicklung psychischer Probleme aufgrund von Armut?
10.07.2024 Armut und psychische Erkrankungen sind nicht nur miteinander verbunden, sondern es besteht auch ein kausaler Zusammenhang. Zu diesem Schluss kommen Forscher der UMC Amsterdam, der Universität Edinburgh und der Universität Modena. Ihre Studie zeigt, dass bestimmte psychische Erkrankungen zwar die finanzielle Stabilität beeinträchtigen können, Armut aber auch einer der ursächlichen Faktoren ist, die zu psychischen Problemen führen. Diese Studie wurde in Nature Human Behaviour veröffentlicht.
„Diese Studie zeigt, dass bestimmte psychische Erkrankungen die finanzielle Situation einer Person verschlechtern können. Umgekehrt sehen wir aber auch, dass Armut zu psychischen Erkrankungen führen kann“, sagt Marco Boks, Psychiater am Amsterdam UMC.
Frühere Untersuchungen haben einen starken Zusammenhang zwischen Armut und psychischen Erkrankungen aufgezeigt, aber es hat sich als schwierig erwiesen, Ursache und Wirkung voneinander abzugrenzen. Die Folgen einer psychischen Erkrankung können sich auf die finanzielle Situation einer Person auswirken, beispielsweise wenn die Person nicht mehr so gut arbeiten kann oder höhere Gesundheitskosten hat. Aber auch schwierige finanzielle Verhältnisse können zu psychischen Problemen führen.
Komplexe Beziehung
Die Forscher nutzten Daten aus der britischen Biobank und dem internationalen Psychiatric Genomic Consortium.
„Wir fanden heraus, dass Schizophrenie und ADHS kausal mit Armut zusammenhängen. Umgekehrt trägt Armut zu schweren depressiven Störungen und Schizophrenie bei. Das Risiko für Anorexia nervosa ist sogar geringer bei Armut“, sagt Boks.
Zunächst wurde ein Armutsmaß auf der Grundlage des Haushaltseinkommens, des Berufseinkommens und der sozialen Benachteiligung ermittelt. Anschließend nutzten die Forscher die genetischen Informationen der Teilnehmer mit einer speziellen Technik, der sogenannten Mendelschen Randomisierung, um den Zusammenhang zu entschlüsseln. Die Mendelsche Randomisierung ist eine Methode zur Bestimmung des Einflusses von Risikofaktoren auf eine Krankheit, indem die Variation von Genen gemessen wird, die bei bestimmten Merkmalen häufiger vorkommen.
„Wir waren in der Lage, Aspekte der Armut zu erfassen, die zwischen dem Individuum, dem Haushalt und dem Gebiet, in dem man lebt, bestehen. Dadurch konnten wir die kausalen Auswirkungen von Armut auf psychische Erkrankungen besser identifizieren“, sagt David Hill, statistischer Genetiker an der Universität Edinburgh.
Teufelskreis
Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind wichtig für die Politik und den Umgang mit Armut und psychischen Erkrankungen. Wenn die politischen Entscheidungsträger den wechselseitigen Einfluss von Armut und psychischer Gesundheit erkennen, können sie wirksamere Maßnahmen entwickeln, um den Kreislauf von Armut und psychischen Problemen zu durchbrechen.
„Die Forschung liefert stichhaltige Belege dafür, dass auch soziale Faktoren wie Armut berücksichtigt werden müssen, wenn man sich mit der Entstehung psychischer Erkrankungen befasst“, sagt Boks.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Verringerung von Ungleichheiten zu einem erheblichen Nutzen für die psychische Gesundheit der Bevölkerung führen könnte“, ergänzt Mattia Marchi, Psychiater an der Universität Modena.
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„Es herrscht oft Verwirrung über die Verwendung genetischer Daten zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Armut und psychischen Erkrankungen. Wir betonen, dass dies nicht bedeutet, dass Armut genetisch bedingt ist. Im Gegenteil, mit Hilfe genetischer Daten konnten wir Armut als veränderbaren Umweltfaktor für die psychische Gesundheit identifizieren“, so Boks abschließend.
© Psylex.de – Quellenangabe: Nature Human Behaviour (2024). DOI: 10.1038/s41562-024-01919-3