27.10.2020 Vertrauen oder Enttäuschung über das staatliche Krisenmanagement sind in Pandemiezeiten wichtig für die Stimmungsbalance.
Dies zeigt eine Studie der Universität Zürich, die auf Befragungen in Israel und der Schweiz basiert. Ende April zeigten sich die Israelis doppelt so enttäuscht über ihre Regierungsinstitutionen in der Pandemie als Schweizerinnen und Schweizer. In der Schweiz sorgte dafür ein gewisser Fatalismus für weniger negative Gefühle.
Eine klinisch-sozialpsychologische Studie der Universität Zürich untersuchte die Entstehung negativer Gefühls- und Stimmungslagen unter den Bedingungen der Covid-19-Pandemie. Dabei wurden in der Schweiz und Israel Ende April jeweils rund 600 Personen aus allen Altersgruppen befragt. Zunächst wurde das Ausmass der bis dahin konkret erlebten pandemiebedingten Gefährdungslagen und Alltagseinschränkungen untersucht. In diesem Punkt unterschieden sich die beiden Länder nicht: Die Schweizer und die israelischen Befragten waren nach eigener Einschätzung gleich hoch von den konkreten Ansteckungsgefahren oder Quarantänemassnahmen beeinträchtigt.
Negativere Stimmung in Israel
Dennoch berichteten die Israelis über ein höheres Belastungsgefühl und eine negativere Stimmung als die Schweizer. Um die Ursachen dafür herauszufinden, fokussierte die Studie auf das Gefühl des Kontrollverlusts, Fatalismus sowie auf das Enttäuschungs- oder Betrogenheitsgefühl durch die eigenen staatlichen Institutionen.
«Die Hauptursache für negative Gefühle und Stimmungen im Zusammenhang mit Covid-19-bedingten Gefahren ist, dass die Menschen von ihren eigenen staatlichen Institutionen enttäuscht sind», sagt Prof. Andreas Maercker von Psychologischen Institut der UZH. «In einer so bedrohlichen Situation wie einer Pandemie orientieren sich die Menschen an den Behörden, zu deren Verantwortung die Unterstützung und der Schutz des Einzelnen gehören. Wenn diese keine genügende Unterstützung gewähren, ist dies eine ernstzunehmende Quelle der Besorgnis.»
Kontrollverlust und Fatalismus
Gemäss der Studie haben Interventionen, welche die Überzeugung stärken, dass sich jeder individuell gegen das Virus schützen kann in Israel das Potenzial, die negativen Auswirkungen zu mildern. Das war aber in der Schweiz nicht der Fall. In Bezug auf das Hinnehmen seines eigenen Schicksals waren in Israel die fatalistischen Einstellungen höher ausgeprägt als in der Schweiz, beeinflussten jedoch nicht die Furcht vor Covid-19.
«Bei der Schweizer Bevölkerung dagegen ging die Schicksalsergebenheit mit weniger Angst vor Covid-19 einher. Fatalismus scheint demnach in der Schweiz eine schützende Eigenschaft während der Pandemie gehabt zu haben», sagt Erstautorin Rahel Bachem. Gemäss den Autoren begründet dieser sozialpsychologische Unterschied zwischen beiden Ländern darauf, dass die Israelis mit einer andauernden Bedrohungssituation in ihrem Landes leben müssen und daher generell fatalistischer denken, unabhängig von der aktuellen Bedrohung durch COVID-19.
Fatalismus stand auch in keinem Zusammenhang mit negativer Stimmung in der Bevölkerung. Wissenschaftlich ist dies ein interessanter Befund, denn Fatalismus wird in Notlagen allgemein als Risikofaktor für die psychische Gesundheit angesehen. Dies war aber während der Covid-19-Pandemie nicht der Fall.
Durchdachtes Krisenmanagement wichtig
Die Studie zeigt, wie wichtig das Handeln staatlicher Institutionen in Pandemie-Krisenzeiten ist. Sie bestätigt den herausragenden Stellenwert von Vertrauen in die staatlichen Krisenmassnahmen, so Maercker. Trotz der Tatsache, dass COVID-19 ein globales Phänomen ist, sollten zudem die Präventions- und Interventionsstrategien den lokalen Kontexten angepasst werden.
Quellenangabe: Universität Zürich – Frontiers Psychiatry, special topic: Impact of the Coronavirus Pandemic (COVID-19) on mood disorders and suicide. Doi: 10.3389/fpsyt.2020.589914