Bei komplexen Entscheidungen gilt: Aus viel mach zwei
Wenn wir zwischen drei und mehr Alternativen wählen müssen, richtet sich unsere Aufmerksamkeit meist auf die beiden aussichtsreichsten Kandidaten. Je rascher wir das tun, desto schneller fällen wir unsere Entscheidung. Dies berichten Psychologinnen und Psychologen der Universität Basel in der Fachzeitschrift «Nature Human Behaviour».
Wie sich in einer Welt mit immer mehr Optionen und Wahlmöglichkeiten
schnelle und dennoch effiziente Entscheidungen treffen lassen, fragte
sich ein Team der Abteilung Decision Neuroscience der Universität Basel.
Als ein wichtiges Element bei dieser Herausforderung identifizierten
die Forschenden in den Tests die Aufmerksamkeit der Probanden, deren
Augenbewegungen mit der sogenannten Eyetracking-Methode gemessen wurden.
Wahl zwischen Nahrungsmitteln
In zwei Experimenten konnten die insgesamt 139 Probanden in mehreren
Durchgängen zwischen drei verschiedenen Nahrungsmitteln wählen, die
immer wieder wechselten. Dabei stellten die Psychologen fest, dass
Menschen ihre Aufmerksamkeit nicht gleichmässig verteilen. Vielmehr
konzentrieren sie sich mehr und mehr auf die beiden für sie
vielversprechendsten Kandidaten. Dies führte zu jeweils schnelleren
Entscheidungen: Je leichter es war, die schlechteste Option zu
streichen, desto rascher konnten sich die Testpersonen zwischen den
beiden übrigen entscheiden.
In früheren Studien hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meist
zwischen zwei Optionen zu wählen, und seit einigen Jahren werden
Entscheide mit drei und mehr Wahlmöglichkeiten zunehmend erforscht. Denn
Menschen können sich offenbar ziemlich widersprüchlich und
uneinheitlich verhalten, wenn mehrere Möglichkeiten vorhanden sind, die
miteinander in einer bestimmten Beziehung stehen. Ein Beispiel: Wer zum
Essen zunächst lieber Huhn als Teigwaren wählt, kann seine Vorliebe
ändern, wenn eine weitere vegetarische Option wie etwa Salat dazukommt –
und findet dann Teigwaren plötzlich attraktiver.
Immer mehr Wahlmöglichkeiten
Solche Ungereimtheiten beim Wählen haben wichtige Auswirkungen auf
Entscheidungstheorien in Wirtschaft, Psychologie und Neurowissenschaft.
Basierend auf ihren neuen Ergebnissen schlagen die Basler Forschenden
ein mathematisches Modell vor, das die dynamischen Wechselwirkungen von
Präferenzbildung und Blickbewegungen bei Entscheidungen zwischen
mehreren Alternativen beschreibt.
«Ein Ziel unserer Forschung ist es, zu verstehen», sagt Studienleiter
Prof. Dr. Sebastian Gluth, «wie sich Menschen in einer Welt mit immer
mehr Wahlmöglichkeiten bewegen, etwa in Online-Shops oder großen
Einkaufszentren». Die Ergebnisse der Studie sollen unser Verständnis der
Entscheidungsfindung in heutigen realen Umgebungen fördern: «Hier haben
wir in der Regel nicht die Wahl zwischen einem Apfel und einer Orange –
sondern zwischen zehn oder hundert verschiedenen Äpfeln und Orangen.»
Quellenangabe: Universität Basel – Sebastian Gluth, Nadja Kern, Maria Kortmann, Cécile Liliane Vitali – Value-based attention but not divisive normalization influence decisions with multiple alternatives Nature Human Behaviour (2020), doi: 10.1038/s41562-020-0822-0