Fehlerhafte Erinnerungen und das Alibi

Fehlerhafte Erinnerungen an unsere früheren Aufenthaltsorte: Der Trugschluss eines hieb- und stichfesten Alibis

18.07.2021 Wenn jemand einer kriminellen Handlung verdächtigt wird, ist eine der wichtigsten Fragen, ob er ein glaubwürdiges Alibi hat. Das Durchspielen vergangener Ereignisse in unserem Gedächtnis ist jedoch nicht wie das Abspielen einer Videoaufnahme. Erinnerungen an Orte, Daten und Begleiter können im Laufe der Zeit durcheinander geraten. Wenn die Erinnerungen eines Verdächtigen nicht mit den dokumentierten Ereignissen übereinstimmen, kann ein vormals plausibles Alibi bröckeln und als Beweis für die Schuld gewertet werden.

Die Studie

Um die Erinnerungen von Menschen an frühere Aufenthaltsorte auf die Probe zu stellen, verfolgte ein Forscherteam einen Monat lang die Aufenthaltsorte von 51 Freiwilligen und fand heraus, dass ihre Erinnerungen in etwa 36 % der Fälle falsch waren.

Dies ist die erste Studie, die das Gedächtnis daraufhin untersucht, wo ein Ereignis stattgefunden hat, sagte Simon J. Dennis, Direktor des Complex Human Data Hub an der School of Psychological Sciences der University of Melbourne und Hauptautor der Studie, die in der Zeitschrift Psychological Science veröffentlicht wurde. Die Psychologen waren in der Lage, mit Hilfe von Methoden der Erfahrungsstichprobe die Erinnerungen von Menschen daraufhin zu untersuchen und zu analysieren, was Gedächtnisfehler in ihrem Alltag beeinflusst.

In der Studie zeichnete eine App auf den Smartphones der Teilnehmer kontinuierlich (und sicher) ihre Standorte und Umgebung per GPS auf. Außerdem machte die App alle 10 Minuten Tonaufnahmen von der Umgebung. Die Teilnehmer hatten die Freiheit, die App abzuschalten oder Ereignisse zu löschen – ein Mechanismus, der die Privatsphäre schützen sollte.

Am Ende des Monats wurden die Teilnehmer einem Gedächtnistest unterzogen, bei dem ihnen eine Uhrzeit und ein Datum vorgegeben wurden und sie dann aufgefordert wurden, eine von vier Markierungen auf Google Maps auszuwählen, die zeigen sollten, wo sie zu diesem Zeitpunkt gewesen waren.

Welche Erinnerungsfehler gemacht wurden

Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmer zur Verwechslung von Wochentagen neigten. Außerdem verwechselten sie häufig generell Wochen und Tagesstunden. Am schlechtesten erinnerten sich die Teilnehmer, wenn sich die Erinnerungen an ein Ereignis mit denen eines ähnlichen Erlebnisses vermischten, wie z. B. das Tanken eines Autos an einem anderen Ort der gleichen Tankstellenkette.

Außerdem neigten die Teilnehmer dazu, Plätze zu verwechseln, die sie zu ähnlichen Zeiten oder an ähnlichen Orten besucht hatten, wie z. B. mehrere Bars, die sie an einem Abend besuchten. Die Menschen machten auch Fehler – wenn auch weniger häufig – wenn Ereignisse mit ähnlichen Geräuschen oder Bewegungsmustern verbunden waren, z. B. wenn sie an verschiedenen Tagen durch die Stadt gelaufen waren, während sie ihre Lieblingsmusik hörten.

Dies hat Auswirkungen auf die Alibi-Glaubwürdigkeit, da z.B. Laienrichter eher annehmen, dass ein Verdächtiger lügt, wenn er sich irrt, so Dennis. Diese Ergebnisse können Ermittler darauf hinweisen, welche Fragen sie stellen sollten, damit die von den Verdächtigen gemachten Erinnerungsfehler besser erkannt werden können.

© psylex.de – Quellenangabe: Elizabeth Laliberte et al, The Fallacy of an Airtight Alibi: Understanding Human Memory for „Where“ Using Experience Sampling, Psychological Science (2021). DOI: 10.1177/0956797620980752

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