Gibt es tatsächlich gemischte Gefühle?

Neuronale Muster, die mit gemischten Gefühlen verbunden sind, unterscheiden sich in Beständigkeit und Vorhersagbarkeit im gesamten Gehirn

Gibt es tatsächlich gemischte Gefühle?

20.06.2024 In einer kürzlich in der Fachzeitschrift Cerebral Cortex veröffentlichten Studie haben Neurowissenschaftler herausgefunden, dass das Gehirn beim Erleben von Emotionen wie „bittersüß“ unterschiedliche neuronale Aktivitäten aufweist.

Dieser Befund könnte zur Klärung einer langjährigen wissenschaftlichen Debatte beitragen: ob „gemischte Gefühle“ durch eine einzigartige Aktivität im Gehirn entstehen oder ob wir nur zwischen positiven und negativen Gefühlen hin- und herwechseln.

Gemischte Gefühle bzw. Emotionen sind eine weit verbreitete Erfahrung, die jedoch aus mehreren Gründen wissenschaftlich noch nicht ausreichend untersucht wurde. Man geht oft davon aus, dass Emotionen nur auf einem Spektrum von negativ bis positiv existieren, und es ist einfacher, ein Gefühl nach dem anderen zu untersuchen.

„Es ist schwierig, diese komplexen Emotionen im Labor auf realistische Weise hervorzurufen“, sagt Jonas Kaplan, außerordentlicher Professor (Forschung) für Psychologie und Mitautor der Studie.

Neuronale Aktivität in Amygdala und Nucleus accumbens

Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört, dass gemischte Gefühle eine einzigartige neuronale Aktivität in der Amygdala und im Nucleus accumbens des Gehirns hervorrufen. Diese Aktivität unterschied sich von der Hirnaktivität, die zu beobachten war, wenn eine Versuchsperson von einer rein positiven oder negativen Emotion berichtete.

Die Forscher konnten auch vorhersagen, wann jemand seine Emotionen wechseln würde. Bestimmte Hirnregionen, wie der Inselcortex, wiesen signifikante Veränderungen auf, wenn die Versuchspersonen von einem emotionalen Übergang berichteten.

„Wir haben nicht nur festgestellt, dass die Hirnaktivität mit gemischten Emotionen zusammenhängt, sondern auch, dass sie im Laufe der Zeit konstant bleibt“, sagt Studienautor Anthony Vaccaro. „Es gibt kein Ping-Pong-Spiel zwischen negativ und positiv. Es ist eine sehr einzigartige, gemischte Emotion über einen langen Zeitraum.“

Während die Studienteilnehmer einen ergreifenden animierten Kurzfilm ansahen, überwachten die Forscher ihre Gehirnaktivität mit einem Magnetresonanztomographen (MRT). Die Forscher wählten den Film „One Small Step“ von TAIKO Studios, weil er gleichzeitig glückliche und traurige Gefühle hervorrufen kann. Nach dem ersten Anschauen sahen sich die Teilnehmer das Video ohne MRT erneut an und gaben an, wann sie positive, negative oder gemischte Gefühle empfanden. Die Forscher verglichen diese Angaben dann mit den Ergebnissen der MRT-Bildgebung.

Positives und Negatives gleichzeitig akzeptieren

Die Studie legt praktische Grundlagen für die künftige wissenschaftliche Erforschung dieses wenig erforschten Phänomens, die laut Kaplan auch für das Verständnis der menschlichen Psychologie von Nutzen wäre.

„Es ist eine gewisse Raffinesse erforderlich, um mit gemischten Gefühlen zurechtzukommen und sich zu erlauben, gleichzeitig positiv und negativ zu fühlen. Wir sind der Meinung, dass es sich lohnt, dies genauer zu untersuchen und die Vorteile zu erforschen, die sich daraus ergeben, wenn man in der Lage ist, Positives und Negatives gleichzeitig zu akzeptieren“, sagt er.

Kaplan und Vaccaro werden als Nächstes untersuchen, wie emotionale Reaktionen in einer Gruppe schwanken, z. B. beim gemeinsamen Anschauen eines Films in einem Kino.

© Psylex.de – Quellenangabe: Cerebral Cortex (2024). DOI: 10.1093/cercor/bhae122

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