Studie des Universitätsklinikums Bonn liefert neue Erkenntnisse zu Wirkung des „Kuschelhormons“
18.05.2024 Einsamkeit ist keine Krankheit. Und dennoch stellt sie ein erhebliches Gesundheitsproblem dar. Depression, Herzerkrankungen oder Demenz – wer dauerhaft einsam ist, hat ein höheres Risiko krank zu werden. Wie man gezielt gegen Einsamkeit vorgehen könnte, hat das Team um Dr. Jana Lieberz vom Universitätsklinikum Bonn (UKB), die auch an der Universität Bonn forscht, und Prof. Dr. Dirk Scheele (Ruhr-Universität Bochum) untersucht. In einer kontrollierten Studie, an der die Universitäten Oldenburg, Bochum, Freiburg und Haifa (Israel) ebenfalls beteiligt waren, haben 78 Frauen und Männer, die sich einsam fühlen, das sogenannte „Kuschelhormon“ Oxytocin als Nasenspray erhalten.
Einsamkeit, ein negatives Gefühl, das auftritt, wenn die eigenen sozialen Beziehungen quantitativ oder qualitativ als nicht ausreichend wahrgenommen werden, kennt vermutlich jeder. Bleibt es jedoch bestehen, kann es mit vielen psychischen, aber auch physischen Erkrankungen einhergehen. Trotzdem mangelt es bisher an effektiven Interventionen, um chronische Einsamkeit bei Betroffenen zu verringern.
Ob das Bindungshormon Oxytocin helfen könnte, die Effektivität einer Gruppentherapie gegen Einsamkeit zu stärken, haben die Seniorautoren Dr. Jana Lieberz und Prof. Dr. Scheele zusammen mit Erstautor Ruben Berger (UKB) jetzt in einer aktuellen Studie untersucht.Die Effekte, die die Forscherinnen und Forscher dabei beobachtet haben, könnten zukünftig helfen, die Einsamkeit und die möglichen schwerwiegenden Folgen abzumildern.
In der Proof-of-Concept-Studie haben Teilnehmerinnen und Teilnehmer fünf wöchentliche Gruppentherapiesitzungen durchlaufen, die durch die Gabe von Oxytocin in Form eines Nasensprays ergänzt wurden. Eine Kontrollgruppe erhielt ein Placebo-Präparat. Die Wahrnehmung des eigenen Einsamkeitsgefühls wurde zu Beginn der Studie, nach dem Durchlaufen aller Termine und noch einmal zu zwei Nachbeobachtungszeitpunkten (drei Wochen und drei Monate) von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bewertet. Zusätzlich wurden akute Einsamkeitsgefühle, das Stresslevel, die Lebensqualität sowie die therapeutische Beziehung bei jeder Sitzung bewertet.
Die Seniorautorin der Studie Dr. Lieberz resümiert: „Die psychologische Intervention war in allen Behandlungsgruppen mit einer verringerten Stresswahrnehmung und einer Verbesserung der generellen Einsamkeit verbunden, was auch bei der Nachuntersuchung nach drei Monaten noch sichtbar war.“ Zwar hatte Oxytocin keinen signifikanten Einfluss auf die generell empfundene Einsamkeit, die Lebensqualität oder den wahrgenommenen Stress. Im Vergleich zu Placebo berichteten die Teilnehmenden, die Oxytocin erhalten hatten, jedoch ein verringertes akutes Gefühl der Einsamkeit nach den Sitzungen. Zusätzlich verbesserte die Oxytocin-Gabe die positive Bindung zwischen den Gruppenmitgliedern.
„Das ist eine sehr wichtige Beobachtung, die wir gemacht haben – Oxytocin konnte die positive Beziehung zu den anderen Gruppenmitgliedern stärken und von Beginn an die akuten Einsamkeitsgefühle reduzieren. Es könnte daher hilfreich sein, Patientinnen und Patienten zu Beginn einer Psychotherapie damit zu unterstützen. Denn wir wissen, dass sich Patientinnen und Patienten anfangs – sobald Probleme benannt werden – auch erst einmal schlechter als vor Beginn einer Therapie fühlen können. Durch die beobachteten Effekte der Oxytocin-Gabe könnten Betroffene wiederum besser am Ball bleiben und weitermachen“, erläutert Dr. Lieberz. Dabei betont die Psychologin, dass Oxytocin nicht als Allheilmittel gesehen werden dürfe – und es zur Verringerung von Einsamkeit auch keinesfalls immer einer Therapie bedarf. Zwar konnten in der Studie keine langfristigen Effekte durch die Oxytocin-Gabe beobachtet werden, dennoch deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass mithilfe von Oxytocin positive Effekte bei Interventionen erzielt werden. Weitere Studien sind jetzt erforderlich, um optimale Interventionsdesigns zu ermitteln, sodass die beobachteten akuten Auswirkungen von Oxytocin in langfristige Vorteile umgesetzt werden können.
Psychother Psychosom 2024; https://doi.org/10.1159/000538752
Quellenangabe: Pressemitteilung Universität Bonn