Eltern-Kind-Entfremdung oder elterliches Entfremdungssyndrom beschreibt einen psychologischen Begriff, der ein dauerhaftes und zu Unrecht einen Elternteil herabsetzendes und beleidigendes Verhalten gegenüber dem Kind beschreibt, um diesen Elternteil dem Kind zu entfremden.
Elterliches Entfremdungssyndrom: Eine nicht anerkannte Form von häuslicher Gewalt
28.11.2018 Die Szene eines elterlichen Entfremdungssyndroms: eine schlimme Scheidung und ein Sorgerechtsstreit um den siebenjährigen Sohn des Paares. Die Mutter – vielleicht auf der Suche nach Rache? – erhält das volle Sorgerecht und macht sich daran, die Beziehung des Sohnes zu seinem Vater zu zerstören.
Die Mutter erzählt dem Sohn Lügen über das Verhalten des Vaters, schürt Zweifel an seiner Eignung als Elternteil und sabotiert die Bemühungen des Vaters, seinen Sohn zu sehen. Der Sohn beginnt, den Lügen zu glauben; als er erwachsen wird, ist seine Beziehung zu seinem Vater angespannt.
Laut der Sozialpsychologin der Colorado State Universität Jennifer Harman sind etwa 22 Millionen US-amerikanische Eltern, wie dieser fiktive Vater, Opfer von Verhaltensweisen geworden, die zu einer sogenannten elterlichen Entfremdung führen.
Psychologische, rechtliche und kindliche Betreuungsmaßnahmen sind nötig
Bild: Openclips(pixabay)
Nachdem Harman das Phänomen mehrere Jahre lang erforscht hat, plädiert sie für psychologische, rechtliche und kindliche Betreuung, um die elterliche Entfremdung – auch als Eltern-Kind-Entfremdung oder elterliches Entfremdungssyndrom; Parental Alienation Syndrome (PAS) bezeichnet – als eine Form der Kindesmisshandlung und der häuslichen Gewalt anzuerkennen.
Man muss einen entfremdeten Elternteil wie eine misshandelte Person ansehen. Man muss das Kind wie ein misshandeltes Kind behandeln. Das Kind muss aus dieser missbräuchlichen Umgebung herausgeholt werden. Der misshandelnde Elternteil benötigt eine psychologische Behandlung, und das Kind gehört in eine sichere Umgebung – zum psychisch gesünderen Elternteil, sagt die Psychologin.
Psychologische Aggressionen gegen andere Personen
In ihrem neuen Forschungsbericht kategorisieren Harman und Kollgen die elterliche Entfremdung als Ergebnis aggressiven Verhaltens, das sich gegen eine andere Person richtet, mit der Absicht, Leid anzurichten. Sie ziehen direkte Verbindungen zwischen allgemein anerkannten Missbrauchsmustern wie emotionaler oder psychologischer Aggression und dem Verhalten von entfremdenden Eltern.
Psychologische Aggression ist zum Beispiel eine weit verbreitete Form der Kindesmisshandlung, bei der „das emotionale und soziale Wohlbefinden eines Kindes angegriffen wird“.
Partnerterror
In ähnlicher Weise terrorisieren entfremdende Eltern ihre Kinder, indem sie den anderen Elternteil ins Visier nehmen und bewusst Angst davor erzeugen, dass der andere Elternteil gefährlich oder instabil sein könnte – auch wenn kein Beweis für eine solche Gefahr besteht.
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Eltern-Kind-Entfremdung fördert Ablehnung, Scham und Schuldgefühle der Kinder, weil sie dem anderen Elternteil Loyalität oder Wärme entgegenbringen.
Machtdynamik in menschlichen Beziehungen
Die Psychologen sind der Ansicht, dass solche entfremdenden Verhaltensweisen für die betroffenen Eltern missbräuchlich sind, und sie vergleichen diese Verhaltensweisen mit bekannteren Formen der Gewalt zwischen Ehepartnern oder Beziehungspartnern.
Harman ist ein Experte für Machtdynamik in menschlichen Beziehungen. Ihre Forschungen haben ergeben, dass die elterliche Entfremdung dem so genannten „intimate terrorism“ (Partnerterror) ähnlich ist. Dieser ist hauptsächlich durch eine einseitige Machtdynamik gekennzeichnet, bei der ein Partner den anderen durch Einschüchterung, Zwang oder Androhung von (oder tatsächlicher) körperlicher Gewalt unterwirft.
Ein solches Szenario unterscheidet sich von situativer Paargewalt, bei der beide Partner relativ gleich viel Macht in der Beziehung haben, aber nicht miteinander auskommen und auf körperliche oder emotionale Gewalt zurückgreifen können.
Kinder als Waffen
Analog dazu werden Kinder als Waffen in Form von Partnerterror, bekannt als elterliche Entfremdung, eingesetzt, argumentiert Harman. Das Machtungleichgewicht dabei zeigt sich in Sorgerechtsstreitigkeiten, bei denen einem Elternteil das volle Sorgerecht für ein Kind übertragen wird.
Dieser Elternteil übt diese gerichtlich angeordnete Macht aus, um den anderen Elternteil zu unterwerfen, indem er/sie Kontaktmöglichkeiten unterbindet oder aktiv versucht, die Beziehung des anderen Elternteils zum Kind zu zerstören.
Alltägliche Szenen vor Familiengerichten
Die Familiengerichte sehen diese Situationen jeden Tag, sagt Harman, aber Richter, Anwälte und Sozialarbeiter sind nicht auf die Häufigkeit der elterlichen Entfremdung als Kindesmissbrauch oder häusliche Gewalt eingestellt.
Stattdessen werden solche Situationen als einfache Sorgerechtsstreitigkeiten oder die Unfähigkeit der Eltern, miteinander auszukommen, angesehen.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Psychological Bulletin (2018). DOI: 10.1037/bul0000175
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