Körperliche Reaktionen auf Emotionen

Körperliche, physiologische Reaktionen auf Emotionen

Emotionspsychologie

Psychologen widerlegen die Annahme, dass die physiologischen Reaktionen des Menschen auf Emotionen einheitlich sind

19.04.2018 Wie fühlen Sie sich, wenn Sie wütend sind? Angespannt? Nervös? Erschöpft? Ist es jedes Mal das Gleiche? Verhält sich Ihr bester Freund, Kollege oder der Kellner im Cafe genau so wie Sie, wenn er Wut empfindet?

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Antwort: nein. Denn wie wir Wut und andere Emotionen erleben, variiert von Situation zu Situation, und wie wir Gefühle empfinden, unterscheidet sich von anderen Menschen.

Eigener physiologischen Fingerabdruck

Laut einer aktuellen im Fachblatt Psychological Bulletin veröffentlichten Studie des Fachbereichs Psychologie der Northeastern Universität können die körperlichen Reaktionen auf Wut und andere Emotionen stark variieren, was die psychologischen Erkenntnisse der vergangenen Jahrhunderte in Frage stellt, schreiben die Forscher.

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Bild: Fer Galindo

Psychologen haben lange Zeit unter der Vorstellung gewirkt, dass Kategorien der Emotionen und Gefühle – wie Wut, Traurigkeit, Angst, Ekel, Fröhlichkeit, Überraschung – jeweils einen eigenen physiologischen Fingerabdruck haben. Zum Beispiel sollte der Blutdruck steigen, wenn man wütend ist, oder die Herzfrequenz sollte sich erhöhen, wenn man Angst hat.

Diese Annahme ist jedoch falsch laut den neuen Forschungsbefunden von Lisa Feldman Barrett, Karen S. Quigley, Professorin für Psychologie und Erika Siegel vom psychologischen Fachbereich der Universität Northeastern.

Schwankungen sind die Norm

Die Psychologinnen führten eine Meta-Analyse von mehr als 200 Studien durch, in denen die emotionalen Stadien und die entsprechenden körperlichen Veränderungen von mehr als 8.400 Personen gemessen wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass Variation die Norm ist, wenn es um körperliche Veränderungen während der Emotion geht.

Die Wissenschaftlerinnen und ihre Kollgegen zeigen in Hunderten von Studien schlüssig, dass die allgemeine Überzeugung, dass jede Emotion ihren eigenen körperlichen Fingerabdruck hat, einfach falsch ist, sagte Barrett.

Puls, Atmung und Blutdruck variieren stark

Z.B. schwanken körperliche Reaktionen wie Puls, Atmung und Blutdruck erheblich über alle Emotionskategorien hinweg. Die neue Studie legt nahe, dass es nicht nur einen einzigen physiologischen Fingerabdruck für jede Emotion gibt, sondern vielmehr eine Population potenzieller Reaktionen.

In der Vergangenheit konnte Barrett auch zeigen, dass es wenig wissenschaftliche Belege gibt, die Emotionen einem spezifischen Gesichtsausdruck zuordnen. Es stellte sich heraus, dass Menschen in etwa 20 Prozent der Fälle verärgert gucken.

Viele verschiedene Gesichtsbewegungen

Sie machen viele, viele verschiedene Gesichtsbewegungen, wenn sie wütend sind, und sie blicken auch manchmal so, wenn sie nicht verärgert sind, sagte sie. Diese Schwankungen sind auch hier die Norm.

Diesen lang gehegten Mythos zu entlarven, könnte große Auswirkungen auf Technologieunternehmen haben, die emotionale Gadgets und Anwendungen entwickeln, erklärte Quigley.

Muster von peripheren physiologischen Maßen in emotionalen Gadgets und Anwendungen

Diese Unternehmen gehen in der Regel davon aus, dass ein Muster von peripheren physiologischen Maßen Ihnen sagen kann, wie sich eine Person fühlt – dass man „Glücklichsein“ nur anhand der physiologischen Reaktionen ermitteln kann, sagte die Psychologie-Professorin. Diese Forschungsarbeit zeigt, dass es nicht so einfach ist.

Die neuen Erkenntnisse, so Barrett, seien auch für Unternehmen relevant, die sich auf die Entwicklung von Plattformen für künstliche Intelligenz zum Lesen menschlicher Emotionen konzentrieren.

Anstatt ein Modell zu bauen, das Wut für alle auf der ganzen Welt erkennt, müssen Sie vielleicht ein Modell bauen, das die variablen Veränderungen bei Wut für eine einzelne Person im Laufe der Zeit „liest“ – je nach Kontext, sagte Barrett.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Northeastern Universität; Psychological Bulletin, dx.doi.org/10.1037/bul0000128

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