Angst und Furcht im Gehirn
Studie zeigt, dass Angst und Furcht die gleichen Wurzeln im Gehirn teilen
20.10.2020 Die Ergebnisse einer kürzlich von der University of Maryland durchgeführten Studie deuten darauf hin, dass einige seit langem akzeptierte Überlegungen über die Grundlagen der Neurowissenschaft der Angst falsch sind.
Der Bericht eines internationalen Forscherteams unter der Leitung von Alexander Shackman, Assistenz-Professor für Psychologie an der UMD, und Juyoen Hur, Assistenzprofessor für Psychologie an der Yonsei-Universität in Seoul, Südkorea, liefert neue Belege dafür, dass Angst und Furcht sich überschneidende Gehirnnetzwerke widerspiegeln.
Sich überschneidende Netzwerke im Gehirn
Bild: pixabay
Die Ergebnisse stehen im Widerspruch zu populärwissenschaftlichen Darstellungen und unterstreichen die Notwendigkeit einer umfassenden theoretischen Aufarbeitung, schreiben die Autoren. Die Studie wurde im Journal of Neuroscience veröffentlicht.
Die begriffliche Unterscheidung zwischen ‚Angst‘ und ‚Furcht‘ stammt aus der Zeit Freuds, wenn nicht sogar aus der Zeit der griechischen Philosophen der Antike, so Shackman. In den letzten Jahren haben Neuroforscher und Kliniker diese Unterscheidung erweitert und argumentiert, dass Angst und Furcht durch unterschiedliche neuronale Netzwerke ‚orchestriert‘ werden.
Jedoch behauptet Shackman, dass die neue Studie zu einer rasch wachsenden Zahl neuer Erkenntnisse beiträgt, die nahelegen, dass dieser alte Modus falsch ist. Wenn überhaupt, dann scheinen Furcht und Angst im Gehirn unter Verwendung eines massiv überlappenden Satzes von neuronalen Bausteinen konstruiert zu sein, sagt er.
Amygdala und Kern der Stria terminalis
Die vorherrschende wissenschaftliche Theorie geht davon aus, dass Angst und Furcht verschieden sind, mit unterschiedlichen Auslösern und streng getrennten Gehirnvernetzungen. Die Furcht – eine flüchtige Reaktion auf eine bestimmte Gefahr – wird vermutlich durch die Amygdala kontrolliert, eine kleine mandelförmige Region, die unter den faltigen Windungen der Großhirnrinde vergraben ist.
Im Gegensatz dazu wird angenommen, dass Angst – ein anhaltender Zustand erhöhter Besorgnis und Erregung, der ausgelöst wird, wenn eine Bedrohung ungewiss ist – vom benachbarten Kern der Stria terminalis (BNST) gesteuert wird. Neue Erkenntnisse von Shackman und seinen Kollegen deuten jedoch darauf hin, dass diese beiden Hirnregionen für bestimmte und unsichere Arten von Bedrohungen gleichermaßen empfänglich sind.
Ihr Team nutzte modernste Neuroimaging-Techniken und setzte fMRT ein, um die neurale Aktivität zu quantifizieren, während die Teilnehmer einen schmerzhaften Schock gepaart mit einem unangenehmen Bild und Ton erwarteten – eine neue Aufgabe, die die Forscher als „Maryland Threat Countdown“ bezeichneten.
Bedrohung und Angst im Gehirn
Der Zeitpunkt dieser „Bedrohung“ wurde entweder durch einen herkömmlichen Countdown-Timer – z.B. „3, 2, 1…“ – oder durch eine zufällige Zahlenfolge – z.B. „16, 21, 8“ – signalisiert. In beiden Fällen rekrutierte die Bedrohungsantizipation ein bemerkenswert ähnliches Netzwerk von Hirnregionen, einschließlich der Amygdala und des BNST. In einer Reihe von Vergleichen zeigten die beiden Hirnregionen statistisch nicht unterscheidbare Reaktionen.
Das Team untersuchte die neuronalen Schaltkreise, die während des Wartens auf eine bestimmte und unsichere Bedrohung (d.h. „Angst“ und „Furcht“) aktiviert wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass beide Arten der Bedrohungsantizipation ein gemeinsames Netzwerk von zentralen Hirnregionen rekrutierten, darunter die Amygdala und das BNST.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: The Journal of Neuroscience (2020). DOI: 10.1523/JNEUROSCI.0704-20.2020