- Definition
- Die Persönlichkeit hinter der Schadenfreude
- Reaktionen auf Misshandlung am Arbeitsplatz: Schadenfreude oder Empathie
- Weitere Forschung, News dazu
Die Persönlichkeit hinter der Schadenfreude
24.10.2018 Schadenfreude, das Empfinden von Freude, das aus dem Unglück / dem Schaden anderer herrührt, ist für viele ein vertrautes Gefühl – vielleicht gerade in Zeiten der allgegenwärtigen sozialen Medien laut einer im Fachmagazin New Ideas in Psychology veröffentlichten Studie.
Die dunklere Seite
Diese häufige, aber wenig verstandene Emotion kann ein wertvolles Fenster in die dunklere Seite der Menschheit sein, behauptet ein Übersichtsartikel von Psychologen der Emory Universität.
Erkenntnisse aus drei Jahrzehnten Forschung aus Sozialpsychologie, Entwicklungspsychologie, Persönlichkeitspsychologie und klinischer Psychologie bildeten einen neuartigen Rahmen zur systematischen Erklärung der Schadenfreude.
Aggression, Rivalität und Gerechtigkeit
Bild: Michael Borgers
Die Studienautoren schlagen vor, dass Schadenfreude drei trennbare, aber miteinander verbundene Unterformen umfasst – Aggression, Rivalität und Gerechtigkeit – die unterschiedliche Entwicklungsursprünge und Persönlichkeitseigenschaften haben.
Sie haben auch eine Gemeinsamkeit herausgearbeitet, die diesen Unterformen zugrunde liegt.
Entmenschlichung (Dehumanisierung)
Entmenschlichung (Dehumanisierung) scheint der Kern der Schadenfreude zu sein, sagt Shensheng Wang. Die Szenarien, die Schadenfreude auslösen, wie z.B. gruppenübergreifende Konflikte, fördern tendenziell auch die Entmenschlichung.
Sadismus, Narzissmus und Psychopathie
Ihre Literaturrecherche legt nahe, dass die Neigung zur Schadenfreude nicht ganz einzigartig ist, sondern sich wesentlich mit mehreren anderen „dunklen“ Persönlichkeitsmerkmalen wie Sadismus, Narzissmus und Psychopathie überschneidet, sagt Koautor Scott Lilienfeld. Außerdem können sich verschiedene Unterformen der Schadenfreude auf etwas anders als bei diesen oft bösartigen Eigenschaften beziehen.
Definition
Ein Problem bei der Untersuchung des Phänomens ist das Fehlen einer einheitlichen Definition von Schadenfreude. Seit der Antike haben einige Gelehrte Schadenfreude als bösartig verurteilt, während andere sie als moralisch neutral oder sogar tugendhaft empfunden haben.
Schadenfreude ist ein merkwürdiges Gefühl, das schwer zu assimilieren ist, sagt Psychologie-Professor Philippe Rochat. Es ist eine Art warm-kalter Erfahrung, die mit einem Schuldgefühl verbunden ist. Es kann sich seltsam anfühlen, Freude zu erleben, wenn man von schlechten Dingen hört, die jemand anderem zugestoßen sind.
Psychologische Theorien
Psychologen betrachten Schadenfreude durch die Linse von drei psychologischen Theorien.
- Die Neidtheorie konzentriert sich auf die Frage zur Selbsteinschätzung und die Linderung schmerzhafter Gefühle, wenn jemand – den man beneidet – ‚abstürzt‘.
- Die „Verdiensttheorie“ verbindet Schadenfreude mit der Frage zur sozialen Gerechtigkeit und dem Gefühl, dass jemand – der ein Unrecht begangen hat – bekommt, was er verdient.
- Die Intergruppen-Konflikttheorie befasst sich mit der sozialen Identität und der Schadenfreude, die nach der Niederlage von Mitgliedern einer rivalisierenden Gruppe, z.B. bei sportlichen oder politischen Rivalitäten, auftritt.
Die Autoren des aktuellen Artikels wollten untersuchen, wie all diese verschiedenen Facetten von Schadenfreude zusammenhängen, wie sie sich unterscheiden und wie sie als Reaktion auf diese Fragen entstehen können.
Schadenfreude bei Säuglingen und Kindern
Ihre Überprüfung vertiefte die ursprüngliche Rolle dieser Theorien, die in Entwicklungsstudien nachgewiesen wurde. Untersuchungen deuten darauf hin, dass Säuglinge im Alter von acht Monaten ein ausgeprägtes Gefühl für soziale Gerechtigkeit zeigen.
In Experimenten zeigten sie eine Vorliebe für Marionetten, die einer hilfsbereiten Puppe halfen und Marionetten bestraften, die unsoziales Verhalten gezeigt hatten. Die Forschung an Säuglingen weist auch auf die frühen Wurzeln der Intergruppenaggression hin und zeigt, dass Säuglinge bis neun Monate Puppen bevorzugten, die andere bestrafen, die anders sind als sie selbst.
Dunkle Seite der Sozialisation
Wenn man an eine normale kindliche Entwicklung denkt, denkt man daran, dass Kinder gutmütig und gesellig werden, sagt Rochat. Aber es gibt eine dunkle Seite der Sozialisation. Man gewinnt Freunde und andere In-Gruppen durch den Ausschluss anderer.
Boshafte Rivalität tritt im Alter von mindestens fünf oder sechs Jahren auf, wobei Untersuchungen gezeigt haben, dass Kinder sich manchmal dafür entscheiden, ihren Gewinn gegenüber einem anderen Kind zu maximieren, selbst wenn sie dafür eine Ressource opfern müssen.
Bis sie das Erwachsenenalter erreichen, haben viele Menschen gelernt, alle Tendenzen zu verbergen, die dazu führen, dass ein Opfer nur aus Boshaftigkeit gebracht wird, aber sie können offener sein, Opfer zu bringen, die als prosozial angesehen werden.
Die drei Motivatoren
Der Übersichtsartikel stellt eine vereinheitlichende, motivierende Theorie auf: Anliegen der Selbsteinschätzung, der sozialen Identität und Gerechtigkeit sind die drei Motivatoren, die die Menschen zu Schadenfreude anregen.
Was die Menschen von der Schadenfreude abhält, ist die Fähigkeit, Mitgefühl (Empathie) für andere zu empfinden und sie als vollständig menschlich wahrzunehmen und Mitgefühl für sie zu zeigen.
Empathie
Normale Menschen können vorübergehend die Empathie für andere verlieren. Aber Personen mit bestimmten Persönlichkeitsstörungen und damit verbundenen Merkmalen – wie Psychopathie, Narzissmus oder Sadismus – sind entweder weniger fähig oder weniger motiviert, sich in die Lage anderer zu versetzen.
Indem wir die Perspektive der Schadenfreude erweitern und alle ihr zugrunde liegenden Phänomene verbinden, hoffen wir, dass wir einen Rahmen geschaffen haben, um tiefere Einblicke in diese komplexe, facettenreiche Emotion zu gewinnen, sagt Wang.
Die Ambivalenz der Schadenfreude
Wir alle erleben Schadenfreude, aber wir denken nicht gerne zu viel darüber nach, denn es zeigt, wie ambivalent wir gegenüber unseren Mitmenschen sein können, sagt Rochat.
Aber Schadenfreude weist auf unsere tief verwurzelten Bedenken und Sorgen und es ist wichtig, sie systematisch zu untersuchen, wenn wir die menschliche Natur verstehen wollen.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: New Ideas in Psychology – DOI: 10.1016/j.newideapsych.2018.09.002
Reaktionen auf Misshandlung am Arbeitsplatz: Schadenfreude oder Empathie
24.04.2019 Eine in The Academy of Management Review veröffentlichte psychologische Forschungsarbeit hat festgestellt, dass Kollegen mit Empathie (Mitgefühl) oder Schadenfreude auf Misshandlungen / Schikanen am Arbeitsplatz reagieren – je nachdem, wie groß der Wettbewerbsdruck im Unternehmen ist.
Xinxin Li von der Shanghai Jiao Tong University und Kollegen untersuchten Entstehung, Entwicklung und die verhaltensbezogenen Auswirkungen von Schadenfreude am Arbeitsplatz.
„Negative Dynamiken“ wie Wettbewerbsdenken, Neid und psychische Spannungen sorgen eher dafür, dass bestimmte Mitarbeiter von antisozialen Verhaltensweisen profitieren, wodurch auch eher Schadenfreude aufkommen kann, schreiben die Studienautoren.
Dabei empfinden die Beobachter ihre Schadenfreude eher als akzeptabel, wenn das Opfer der schlechten Behandlung dies deren Meinung nach verdient und selbst Schuld hat – z.B. weil er / sie einen Fehler gemacht hat.
Ambivalente Schadenfreude tritt jedoch dann auf, wenn die Freude am Leid der Opfer durch empathische Reaktionen – wie Scham- und Schuldgefühle – beeinträchtigt wird, schreiben die Wissenschaftler. Dabei kann als akzeptabel empfundene Schadenfreude die Beobachter dazu verleiten, das Opfer ebenfalls unfair zu behandeln.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: The Academy of Management Review – DOI: 10.5465/amr.2016.0134
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