Visueller Cortex, Sehrinde (Gehirn)
Gehirn – Anatomie
Definition, Anatomie
Der visuelle Cortex des Gehirns ist ein Teil der Großhirnrinde, der visuelle Informationen verarbeitet. Es befindet sich im Hinterhauptlappen (Occipitallappen) im Hinterkopf.
Die visuelle Information, die vom Auge kommt, geht durch den seitlichen Kniehöcker (Corpus geniculatum laterale, CGL) im Thalamus und gelangt dann in den visuellen Cortex. Der Teil der Sehrinde, der die sensorischen Inputs vom Thalamus empfängt, ist der primäre visuelle Cortex (Primäre visuelle Rinde), auch bekannt als visueller Bereich 1 (V1), und des striären Cortex). Die extrastriären Bereiche bestehen aus den visuellen Arealen 2 (V2), 3 (V3), 4 (V4) und 5 (V5).
Beide Hemisphären des Gehirns enthalten einen visuellen Cortex; die Sehrinde in der linken Hemisphäre empfängt Signale aus dem rechten Gesichtsfeld, und der visuelle Cortex in der rechten Hemisphäre empfängt Signale aus dem linken Gesichtsfeld.
Vorausschauende Rückkopplung mit V1 dynamisch aktualisiert mit sensorischem Input
Das menschliche Gehirn kann ‚um die Ecke sehen‘ – Hirnstudie: Wie das Gehirn vorhersagen kann, was unsere Augen als nächstes sehen werden.
05.12.2017 Neurowissenschaftler der Universität Glasgow haben mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) zeigen können, wie das menschliche Gehirn (insbesondere der visuelle Cortex – Sehrinde) vorhersagt, was unsere Augen als nächstes sehen werden.
In einer neuen im Fachblatt Scientific Reports veröffentlichten Studie konnten die Forscher ein besseres Verständnis der visuellen Mechanismen gewinnen und zeigen, dass das Sehen ein ständiger Dialog zwischen Gehirn und Augen ist.
Vorwegnahme der Augenbewegung durch die Sehrinde
Die Forschung unter der Leitung von Prof. Lars Muckli benutzte fMRT und eine visuelle Täuschung, um zu zeigen, dass das Gehirn die Informationen vorwegnimmt, die es bei der nächsten Bewegung der Augen sehen wird.
Bild: Primärer visueller Cortex (V1)
Chavez01 (Wikipedia)
Die Illusion mit zwei stationär blinkenden Quadraten, die dem Betrachter als ein Quadrat erscheint, das sich zwischen den beiden Orten bewegt, weil das Gehirn die Bewegung voraussagt. Während dieser Einblendungen sollten die Teilnehmer ihre Augen bewegen.
Die Forscher scannten den visuellen Cortex dabei und fanden heraus, dass die Vorhersage der Bewegung mit der Augenbewegung auf eine neue räumliche Position in der Sehrinde (genauer im primären visuellen Cortex V1) aktualisiert wurde.
Stabile Umgebung trotz anhaltender Augenbewegungen
Wir bewegen unsere Augen etwa viermal pro Sekunde, was bedeutet, dass unser Gehirn alle 250 Millisekunden neue visuelle Informationen verarbeiten muss, schreiben die Hirnforscher. Nichtsdestoweniger scheint die Welt stabil zu sein.
Der Grund, warum wir die Welt immer noch als stabil empfinden, liegt darin, dass unsere Gehirne vorausdenken. Mit anderen Worten, das Gehirn prognostiziert, was es sehen wird, wenn man die Augen bewegt haben wird.
Muckli vom Institut für Neurowissenschaften und Psychologie sagte, diese Studie zeige, wie fMRT zu diesem Bereich der neurowissenschaftlichen Forschung beitragen kann. Darüber hinaus wird die Suche nach einem praktikablen Mechanismus für die Hirnfunktion zur Erforschung von neuronalen Netzwerken und künstlicher Intelligenz beitragen und unsere Untersuchung von psychischen Störungen unterstützen.
Feedforward-Input und Feedback-Informationen
Wissenschaftlerin Dr. Gracie Edwards sagt dazu: Visuelle Informationen werden von den Augen empfangen und vom visuellen System im Gehirn (vor allem im visuellen Cortex) verarbeitet. Die Wissenschaftler nennen visuelle Informationen „Feedforward“-Input. Gleichzeitig sendet das Gehirn auch Informationen an das visuelle System, diese Informationen werden als „Feedback“ bezeichnet.
Feedback-Informationen beeinflussen unsere Wahrnehmung des Feedforward-Inputs durch Erwartungen, die auf unseren Erinnerungen an ähnliche Wahrnehmungsereignisse basieren. Feedforward und Feedback-Informationen wechselwirken miteinander, um die visuellen Szenen zu erzeugen, die wir jeden Tag wahrnehmen, schließen die Psychologen und Neurowissenschaftler.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Glasgow; Scientific Reports – DOI: 10.1038/s41598-017-16093-y; Dez. 2017
Fallstudie: Keine kortikale Blindheit trotz Verlustes der Sehrinde
09.12.2017 Ein neuropsychologisches Forscherteam der Monash Universität hielt kürzlich einen Vortrag auf einer neurowissenschaftlichen Konferenz in Australien, auf der sie ihre Studie zu einem siebenjährigen Jungen präsentierten, dem der größte Teil seines visuellen Cortex fehlte, der aber immer noch sehen konnte – der erste jemals bekannte Fall.
Der mysteriöse Fall eines Jungen, der den größten Teil seines visuellen Cortex verlor und trotzdem sehen kann
Der Junge, erzählten die Forscher, erlitt großen Schaden an seinem visuellen Cortex (auch als Sehrinde bekannt) als Folge eines mittelkettigen Acyl-Co-A-Dehydrogenase-Mangels im Alter von zwei Wochen – eine seltene Erkrankung, die zu schweren Schäden an den Nervenzellen führt, weil diese nicht in der Lage sind, einige Fettarten in Energie umzuwandeln.
Bild: Sehrinde (gelb)
Das bedeutete, dass der Junge, den die Forscher als B.I. benannten, ohne den größten Teil seines visuellen Cortex aufwuchs, ein Zustand, der bei den meisten Menschen zu kortikaler Blindheit führen würde.
Kortikale Blindheit
Kortikale Blindheit ist ein merkwürdiger Zustand, bei dem das Gehirn noch visuellen Input empfangen, aber nicht verarbeiten kann, was gesehen wird, so dass die Person das Gefühl des Sehens hat, ohne tatsächlich sehen zu können.
Aber merkwürdigerweise konnte B.I. fast so gut sehen wie jeder andere Junge in seinem Alter.
Das Monash-Team untersuchte den Jungen und testete sein Sehvermögen um herauszufinden, warum er trotz seiner Hirnverletzung sehen konnte.
Tests
Bei den Tests fanden die Forscher um Mundinano IC heraus, dass er etwas kurzsichtig war, aber ansonsten war alles in Ordnung, abgesehen von gelegentlichen Fehlern, wenn er mit falsch gefärbten Objekten wie einer blauen Banane konfrontiert wurde.
Er konnte zum Beispiel Fußball und Videospiele spielen und den Unterschied in den Emotionen im Gesicht einer Person ausmachen.
Neuroplastizität im Pulvinar u. mittlerem temporalen Areal
Um herauszufinden, warum der Junge trotzdem sehen konnte, beobachteten die Forscher ihn im MRT-Hirnscanner, während sein Gehirn Bilder verarbeitete.
Durch die Fokussierung auf den mittleren temporalen visuellen Bereich fanden die Forscher einen vergrößerten visuellen Pfad neuronaler Fasern, der durch zwei Areale im hinteren Teil des Gehirns verlief, in denen sich der visuelle Cortex befindet.
Einer der Bereiche – Pulvinar genannt – ist normalerweise an der Kontrolle der sensorischen Signale beteiligt, der andere – der mittlere temporale Bereich genannt – ist normalerweise an der Erkennung von Bewegungen beteiligt. Bei B.I. war der Signalweg größer als normal geworden, um diesem die Arbeit zu ermöglichen, die sein visueller Cortex hätte leisten sollen, so dass er sehen konnte – eine Form der Neuroplastizität, schreiben die Neurowissenschaftler im Fachblatt Neuropsychologia.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Monash Universität; Neuropsychologia; Dez. 2017
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