Unabhängigkeit, Autonomie (Psychologie)
Persönlichkeitspsychologie
Definition: Die Psychologie untersucht die das Individuum beeinflussenden Kräfte von Fremdbestimmung (Heteronomie) und Unabhängigkeit, Selbstbestimmung (Autonomie).
Verbindung zwischen Unabhängigkeits- und Dankbarkeitsgefühlen
04.01.2017 Wenn Sie ein Geschenk (s.a. zur Psychologie des Schenkens) von jemandem erhalten, empfinden Sie ein Gefühl der Dankbarkeit? Oder fühlen Sie eine Last und sich verpflichtet, die Geste zu erwidern? Nicht jeder fühlt Dankbarkeit als Reaktion auf die Geschenke anderer laut einer neuen psychologischen Forschungsarbeit der American University.
Gefühl für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung
Warum fühlen einige Menschen keine Dankbarkeit? Eine Antwort könnte mit der persönlichen Autonomie zusammenhängen, dem Unabhängigkeitsgefühl und der Selbstbestimmung.
Bild: George Hodan
Psychologie-Professor Anthony Ahrens und seine Mitarbeiter führten drei Studien mit mehr als 500 Teilnehmern durch. Dabei erfassten sie bei allen Probanden das Ausmaß der subjektiven Unabhängigkeit. Über alle Studien hinweg zeigten Personen, die höher beim Maß Autonomie punkteten – also Menschen, die nicht von anderen abhängig oder auf sie angewiesen sein wollen – ein geringeres Dankbarkeitsgefühl, und sie schätzten eine dankbare Gesinnung auch weniger.
Es ist nichts Falsches an Unabhängigkeit, Selbstständigkeit und der Wertschätzung von Autonomie. Das Problem ist nur, inwieweit diese Prozesse stören können, durch die Menschen sich aneinander binden, sagte Ahrens.
Der ‚Beziehungsleim‘
Dankbarkeit ist in der Psychologie oft untersucht worden, und Forscher haben Belege für viele ihrer Vorteile gefunden. Es hilft, ist nützlich, Beziehungen aufzubauen. Es ist mit körperlichen und psychischen Vorteilen – wie subjektives Wohlbefinden – verbunden worden, schreibt der Psychologe in dem Fachblatt Cognition and Emotion.
In der Forschung von Ahrens wurde Autonomie durch die Antworten auf Fragen über Themen erfasst, bei denen der Befragte Auskunft darüber gab, wie sehr er / sie sich auf andere verlassen oder um Hilfe fragen würde.
In der ersten Studie reagierten die Teilnehmer auf den Erhalt eines hypothetischen Geschenks oder Vorteils, wobei die sich unabhängiger fühlenden Personen sich weniger gut fühlten, wenn sie ein Geschenk eines Freundes erhielten.
In der zweiten Studie bestätigten die Ergebnisse die Abneigung von autonomeren Personen gegenüber der Dankbarkeit nochmals. Die Forscher gingen in der dritten Studie einen Schritt weiter und schlossen aus, dass Autonomie und Mitgefühl einander störten.
Beziehungsqualität ohne Ausdrücken von Dankbarkeit
Die Beziehungsqualität könnte ohne das Ausdrücken / Zeigen von Dankbarkeit leiden, sagte Ahrens. Jemand, der mehr Wert auf Unabhängigkeit legt, könnte eine gut gemeinte Geste durch den Partner missdeuten. Eine mitfühlende Handlung könnte als aufdringlich statt unterstützend angesehen werden, sagte der Psychologe.
Andere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass Autonomie zu einer Abneigung gegen jede Form des Vertrauens gegenüber anderen führen kann, was für Depression anfälliger machen könnte.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: American University, American University, Cognition and Emotion – DOI: 10.1080/02699931.2016.1256274; Jan. 2017
Soziale Macht vergrößert nicht Gefühl der Selbstbestimmung
15.08.2017 Wenn man die Karriereleiter im Büro hinaufsteigt und mehr Macht über andere erlangt, heißt dies nicht, dass man sich auch persönlich freier (autonomer) fühlt, zeigt eine neue im Fachblatt Journal of Theoretical Social Psychology veröffentlichte Studie.
Die psychologische Forschungsarbeit der Universität Kent untersuchte, ob der Einfluss auf andere in sozialen Situationen, wie z.B. bei der Arbeit, zu einem stärkeren Gefühl für persönliche Freiheit bzw. Autonomie führt.
Bild: Gerd Altmann
Sozialer Einfluss und Unabhängigkeitsgefühl
Die Psychologen stellten fest, dass es keine Verbindung zwischen einem größeren sozialen Einfluss bzw. ‚Macht‘ und einem verstärkten Gefühl der Selbstbestimmung gibt, und die Befunde deuten darauf hin, dass die Beziehung zwischen Einfluss und Autonomie mit zunehmendem Einfluss abnimmt.
Die Forschung von Dr. Mario Weick und Stefan Leach von der Hochschule für Psychologie und Dr. Joris Lammers von der Universität Köln zeigte jedoch auch, dass ein Mangel an persönlicher Freiheit (Macht) mit einem Mangel an sozialer Macht verknüpft ist.
In einer Studie sollten 800 Personen aus den USA, Großbritannien, Deutschland und Indien sich an Ereignisse erinnern, in denen sie viel oder wenig Einfluss auf andere hatten und in denen sie sich persönlich unabhängiger (autonomer) oder weniger unabhängig fühlten. Die Forscher fragten dann die Teilnehmer, wie einflussreich bzw. selbstbestimmt sie sich in diesen Situationen fühlten.
In einer weiteren Studie sollten 200 Menschen berichten, wie viel Einfluss und Selbstbestimmtheit sie in ihrem Alltag erleben; sie bestätigte, dass die Beziehung zwischen Einfluss und Autonomie mit zunehmender Macht schwächer wird.
Mögliche Erklärung
Die Forschung legt nahe, dass die Erlangung von Einfluss über andere Menschen nicht zu einer vergrößerten persönlichen Autonomie führt.
Die Psychologen vermuten, dass dies u.a. daran läge, dass mit jedem Gewinn an diskretionären (’nach freiem Ermessen‘) Fähigkeiten und Kontrolle, zum Beispiel bei der Arbeit, Menschen auch zusätzliche Verantwortlichkeiten auf sich nehmen müssen und oft mit überprüfenden bzw. kontrollierenden Instanzen konfrontiert werden.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Kent, Journal of Theoretical Social Psychology – DOI: 10.1002/jts5.5; Aug. 2017
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