Ego-Depletion, Ego-Erschöpfung (Psychologie)

Umkehrung der Ego-Depletion: Wenn das Ausüben von Selbstkontrolle und Willenskraft nicht die Psyche erschöpft, sondern einem Kraft gibt

Das Ausüben von Selbstbeherrschung, Selbstkontrolle, Willenskraft führen zu der sogenannten Ego-Depletion (der ‚Selbsterschöpfung‘ des Geistes oder Ego-Erschöpfung) – das glauben zumindest viele Menschen in westlichen Kulturen.

Als Beispiel: Wenn ich eine anstrengende mentale Aufgabe durchführe, erschöpfe ich meine Kraft dadurch, und mir steht weniger für die nächste zur Verfügung. Ähnlich bei der Selbstdisziplin: Widerstehe ich einer Versuchung, fehlt mir etwas von der Willenskraft, um der unmittelbaren nächsten zu widerstehen.

Andere kulturelle Auffassung in indischer Kultur


Bild: Petr Kratochvil

Aber in der indischen Kultur gibt es den weit verbreiteten Glauben, dass die Anwendung der Willenskraft anregend ist bzw. einem neue Energie verleiht – dass, je konzentrierter und selbstbeherrschter man arbeitet, desto belebter fühlt man sich für die nächste Herausforderung.

Die Psychologie hat bislang vor allem unsere westliche Intuition untersucht. Viele Studien haben gezeigt, dass die Probanden weniger in der Lage waren, einer neuen Versuchung zu widerstehen oder geistige Selbstkontrolle auszuüben, nachdem sie eine psychisch herausfordernde Aufgabe abgeschlossen haben – dies nennen die Psychologen „Ego-Depletion“; viele Studien konnten dieses Konzept allerdings auch nicht bestätigen.

Umgekehrter Ego-Erschöpfungs-Effekt

Nun zeigt eine im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlichte Studie von Krishna Savani von der Nanyang Technological University und Veronika Job von Fachbereich Psychologie der Universität Zurich mit westlichen und indischen Teilnehmern zum ersten Mal einen „Reverse-Ego-Depletion“-Effekt (also einen umgekehrten Selbsterschöpfungseffekt):

Je schwieriger eine anfängliche psychischee Aufgabe, desto besser wurden die Teilnehmer mit einer späteren Herausforderungen fertig.

Eine Pilotstudie der Psychologen fand heraus: Während die westlichen Teilnehmer (Schweizer und US-Amerikaner) eher glaubten, dass die Ausübung von Willenskraft die geistige Kapazität erschöpft, glaubten Inder eher an das Gegenteil: dass die Ausübung von Willenskraft einem Energie verleiht.

Mit Hilfe von Ego-Depletion-Doppelaufgaben stellte eine weitere Studie dann eine Reverse-Ego-Depletion unter den indischen Teilnehmern fest. Diese zeigten eine bessere geistige Selbstdisziplin bei einer nachfolgenden Aufgabe, nachdem sie anfänglich an anstrengenden und nicht-anstrengenden kognitiven Aufgaben gearbeitet hatten.

Willenskraft als Treibstoff?

Zwei weitere Studien fanden dann heraus, dass westliche Probanden einen Ego-Depletion-Effekt zeigten, während die indischen Teilnehmer einen Reverse-Ego-Depletion-Effekt bei denselben Aufgaben demonstrierten.

Diese neuen Erkenntnisse stellen die etablierte Theorie in der westlichen Psychologie in Frage, dass Selbstregulation oder Willenskraft wie ein Treibstoff ist – weniger für spätere Aufgaben zur Verfügung steht, wenn man zuvor herausfordernde Aufgaben absolviert hat.

Schließlich zeigte eine letzte Studie die kausale Wirkung des Glaubens, dass die Ausübung von Willenskraft erschöpft versus Kraft verleiht auf die umgekehrte Ego-Erschöpfung mit indischen und westlichen Teilnehmern.

Der Glaube

Mit anderen Worten: Je nachdem, ob die westlichen oder indischen Teilnehmer an den Ego-Depletion-Effekt oder die Reverse-Ego-Depletion glaubten, widmeten sich die Teilnehmer erschöpft oder energiegeladen einer 2. Aufgabe.

Gemeinsam zeigen diese Studien die zugrundeliegende Basis des Ego-Depletion-Phänomens bei kulturell entstandenen Laien-Theorien zur Willenskraft, schreiben die Psychologen.

Die Ergebnisse können als Zweifel an Behauptungen betrachtet werden, dass Ego-Erschöpfung ein pan-kulturelles Phänomen ist, das in der menschlichen Biologie verwurzelt ist, und unterstützt stattdessen das Argument, dass Motivationsfaktoren eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung spielen, wie anstrengende Aufgaben die nachfolgende Selbstregulation beeinflussen, schließen die Wissenschaftler.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Nanyang Technological University, Universität Zürich, Journal of Personality and Social Psychology – doi.org/10.1037/pspi0000099; Juli 2017

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