Egozentrik, Selbstzentriertheit (Psychologie)

Egozentrik, Selbstzentriertheit (Psychologie)

Persönlichkeitspsychologie

Definition

Egozentrismus ist die Unfähigkeit oder der Unwille, zwischen sich selbst und anderen zu unterscheiden. Genauer gesagt ist es die Unfähigkeit, subjektive Schemata aus der objektiven Realität zu entwirren; eine Unfähigkeit, irgendeine andere Perspektive als ihre eigenen zu verstehen oder zu übernehmen.

Egozentrisches, selbstzentriertes Verhalten stellt sich selbst in den Mittelpunkt und meist geht damit eine übertriebene Selbstbezogenheit (nicht Egoismus) und die Tendenz einher, andere Lebewesen und Dinge aus der eigenen Perspektive zu betrachten.

Egozentriker betrachten alle und alles vonm eigenen Standpunkt bzw. Ansicht heraus und bewerten dementsprechend.

Obwohl Egozentrismus und Narzissmus ähnlich erscheinen, sind sie nicht gleich. Eine egozentrische Person glaubt, sie befindet sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, wie ein Narzisst, aber sie erhält nicht die Befriedigung durch die eigene Bewunderung. Egoisten und Narzissten sind Menschen, deren Ego stark von der Zustimmung anderer beeinflusst wird, während dies für Egozentriker zutreffen oder nicht zutreffen kann.

Überwindung der Egozentrik verbessert die Selbstkontrolle

20.10.2016 Neurobiologische Modelle der Selbstkontrolle konzentrieren sich gewöhnlich auf Gehirnprozesse, die bei der Impulskontrolle und Emotionsregulation beteiligt sind.

Eine im Fachblatt Science Advances veröffentlichte Studie der Universität Zürich zeigt, dass der Mechanismus zur Überwindung der Selbstzentriertheit auch die Selbstdisziplin erleichtert. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für therapeutische Interventionen.

Selbstdisziplin im präfrontalen Cortex

Sollte ich ein neues Auto jetzt kaufen oder das Geld für den Ruhestand sparen? Solche Situationen verlangen Selbstbeherrschung, um dem unmittelbaren verführerischen Angebot zu widerstehen, um wichtige zukünftige Resultate zu erreichen.

Die Selbstdisziplin wird durch Prozesse im “präfrontalen Cortex” des Gehirns gesteuert, wodurch man die Fähigkeit erhält, sich bei Versuchungen und unmittelbaren ansprechenden Angeboten zurückzuhalten, sagen die beteiligten Wisschenschaftler Alexander Soutschek, Christ Ruff, Tobias Kalenscher und Philippe Tobler vom Institut für Psychologie.

Überwindung selbstzentrierten Denkens

In der aktuellen Studie zeigen sie, dass ein zweiter Mechanismus ebenfalls für die Selbstkontrolle wichtig ist: Die Überwindung egozentrischen Denkens – imstande zu sein, die eigenen zukünftigen Bedürfnisse wahrzunehmen.

Die Forscher untersuchten eine Gehirnregion, die uns normalerweise erlaubt, die Perspektive einer anderen Person in sozialen Interaktionen wahrzunehmen – sich also von der Selbstzentriertheit zu lösen. Zu ihrer eigenen Überraschung fanden sie, dass dieses Gehirnareal auch eine entscheidende Rolle in Situationen spielt, die Selbstdisziplin verlangen, wenn niemand anderes präsent ist.

Die Zukunft selbst wird als eine andere Person betrachtet

In der Studie sollten die Teilnehmer zwischen einer kleineren Belohnung sofort und einer größeren – aber in der Zukunft liegenden – Belohnung wählen, sowie zwischen einer Belohnung, die nur ihnen selbst einen Vorteil brachte, und einer Belohnung, die ihnen selbst weniger nützte dafür aber auch einer anderen Person.

Temporo-parietaler Übergang: das Selbst der eigenen Zukunft

Die Psychologen setzten nicht-invasive Gehirnstimulationstechniken ein, um die Aktivierung im sogenannten “Temporo-parietalen Übergang” – auch “Temporo-parietale Kreuzung” genannt, eine Gehirnregion, die sich von der Seite bis zum hinteren Teil des Gehirns zieht – zu stören.

Nach der Störung dieses Gehirngebiets neigten die Teilnehmer zu Entscheidungen, die sowohl impulsiver (d. h. Auswahl der unmittelbaren Belohnung) als auch egozentrischer und egoistischer (d. h. Auswahl der Belohnung nur für sich selbst) waren.

Die Forscher stellten fest, dass diese Teilnehmer weniger in der Lage waren, die Perspektive anderer Personen zu übernehmen, also egozentrierter bzw. selbstzentrierter waren.

Geduld

Diese Verknüpfung zwischen der neurologisch basierten Perspektiven-Übernahme und Geduld wirft ein neues Licht auf die Selbstkontrolle.

Von einer neuronalen Perspektive aus könnte der Temporo-parietale Übergang das Selbst der eigenen Zukunft wie eine andere Person darstellen, erklärte der Psychologe Soutschek. Das bedeutet, dass dieselben Gehirnmechanismen notwendig sein könnten, um geduldig auf einen zukünftigen Vorteil zu warten und in der Lage zu sein, mit anderen zu teilen.

Diese Entdeckung eröffnet laut den Forschern neue Wege, um Defizite bei der Selbstkontrolle bei Störungen wie Impulskontrollstörungen, Süchte und Fettleibigkeit zu behandeln.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Zürich, Science Advances – DOI: 10.1126/sciadv.1600992; Okt. 2016

Selbstzentriertheit und Einsamkeit beeinflussen sich gegenseitig

26.10.2017 Ein neues psychologisches Modell nimmt an, dass Einsamkeit / sich allein fühlen eine adaptive Funktion hat.

Danach soll sie die Menschen dazu bringen, etwas gegen fehlende oder unbefriedigende soziale Beziehungen zu unternehmen, sowie sie anregen, sich auf ihre eigenen Interessen und ihr eigenes Wohlergehen zu konzentrieren.

egozentrik
Bild: OpenClipart-Vectors

Einsamkeit – so wird angenommen – erhöht die Motivation fehlende soziale Beziehungen zu ersetzen oder wiederherzustellen, sowie die implizite Motivation zur Selbsterhaltung zu steigern; wobei der Fokus der aktuellen Studie auf der Untersuchung des letzteren Punktes lag.

In der psychologischen Studie berichten die Forscher um John T. Cacioppo von der Universität Chicago über die Ergebnisse einer Längsschnittstudie mit 10 jährlichen Erhebungen zu Einsamkeit und Egozentriertheit in einer repräsentativen Stichprobe von knapp 230 mittelalten und älteren Erwachsenen.

Wie vorausgesagt – dass Einsamkeit die implizite Motivation zur Selbsterhaltung erhöht – prognostizierte die Einsamkeit im laufenden Jahr die Selbstzentriertheit im Folgejahr über das hinaus, was durch die demografischen Variablen des aktuellen Jahres – wie Selbstfokussierung, depressive Symptomatik und die insgesamt negative Stimmung – erklärt wurde.

Die Analysen zeigen auch, dass die Egozentriertheit im aktuellen Jahr die Einsamkeit im Folgejahr voraussagte; diese Verbindung war allerdings schwächer.

Die derzeitige depressive Stimmung, Depressionssymptome und insgesamte negative Stimmung waren jedoch bei der Auswertung im nächsten Jahr nicht signifikant mit Selbstbezogenheit oder Einsamkeit verbunden.

Die Befunde zeigen eine wechselseitige Beziehung zwischen Selbstzentriertheit und einsam sein, was potenziell zur Erhaltung der Einsamkeit beitragen könnte, schließen die Psychologen im Fachblatt Personality and Social Psychology Bulletin.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Chicago; Personality and Social Psychology Bulletin – doi.org/10.1177/0146167217705120; Aug. 2017

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