Sterbende Hospiz-Patienten definieren die sich verändernde Natur von Weisheit
29.01.2018 Weisheit wird typischerweise als Frucht eines langen Lebens, der Lebenserfahrungen und gelernter Lektionen gesehen. In den letzten Jahren haben Wissenschaftler eine Konsensdefinition von Weisheit als komplexes Merkmal mit mehreren miteinander verbundenen Komponenten wie Mitgefühl, Emotionsregulation, Spiritualität und Toleranz entwickelt.
Forscher der University of California San Diego School of Medicine baten im Rahmen einer qualitativen psychologischen Studie 21 Hospizpatienten (Patienten in einer Einrichtung der Sterbebegleitung) im Alter von 58 bis 97 Jahren (in den letzten sechs Monaten ihres Lebens), die Kerneigenschaften der Weisheit zu beschreiben. Außerdem wurden sie gefragt, ob ihre unheilbaren Krankheiten ihr Verständnis von Weisheit verändert oder beeinflusst haben.
Das Ende des Lebens
Bild: janeb13 (pixabay)
Das Ende des Lebens stellt eine einzigartige Perspektive dar, sagte Studienautor Dilip V. Jeste. Dies ist eine extrem herausfordernde bzw. belastende Zeit, eine Phase des Lernens und der Akzeptanz dessen, was passiert, während man immer noch danach strebt, zu wachsen und sich zu verändern und sein restliches Leben, so gut wie möglich zu leben.
Es ist dieses Paradoxon, das, wenn es angenommen wird, zu noch größerer Weisheit führen kann, während es mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert.
Jeste und Kollegen haben Jahre damit verbracht, die Natur der Weisheit zu studieren, von ihrer Definition und Bewertung bis hin zu ihrer Neurobiologie.
In der aktuellen Studie wurden die Teilnehmer (alle Bewohner des Bezirks San Diego, hauptsächlich weiße Männer und Frauen) zuhause oder in Gesundheitseinrichtungen von Fachkräften der psychologischen Gesundheitsfürsorge unter Verwendung eines halbstrukturierten Leitfadens befragt. Fast die Hälfte starb an Krebs.
Welche Erfahrungen haben Ihre Weisheit beeinflusst?
Allen wurden die gleichen Fragen gestellt, wie z.B. „Wie definiert man Weisheit? und „Welche Erfahrungen haben Ihre Weisheit beeinflusst?“. Die Interviews wurden offen geführt, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, Themen, die für sie von Bedeutung sind, vorzustellen oder zu vertiefen.
Die Interviews wurden mit verschiedenen Bewertungsmethoden aufgezeichnet, transkribiert, analysiert und interpretiert.
Wichtige Komponenten
In der Reihenfolge der Wichtigkeit ordneten die Teilnehmer die definierten Komponenten der Weisheit als
- prosoziales Verhalten,
- soziale Entscheidungsfindung,
- Emotionsregulation,
- Offenheit für neue Erfahrungen,
- Akzeptanz von Unsicherheit,
- Spiritualität,
- Selbstreflexion,
- Sinn für Humor und
- Toleranz ein.
Die eigene schwere Krankheit
Möglicherweise nicht überraschend, änderte die eigene schwere Krankheit, die Diagnose einer terminalen Krankheit oder der Anfang der Hospizbehandlung erheblich das Weisheitskonzept.
„Meine Perspektiven, meine Sicht auf das Leben, meine Lebensperspektive, meine Sichtweise auf alles hat sich verändert“, so ein Studienteilnehmer. „Sie ist enorm gewachsen.“
Akzeptanz oder Frieden im Zusammenhang mit der Krankheit
Die Studienautoren sagten, dass ein wiederkehrendes Thema unter den befragten Hospizpatienten ihre Suche nach Akzeptanz oder Frieden im Zusammenhang mit ihrer Krankheit sei, insbesondere in Bezug auf körperliche Veränderungen und Funktionsverlust.
Sie betonten, wie sehr sie das Leben schätzten und nahmen sich Zeit zum Nachdenken. Es war ein starkes Gefühl, die Zeit, die ihnen noch blieb, in vollen Zügen zu genießen und dabei die Schönheit in ihrem Alltag zu finden.
Wachstum angesichts des bevorstehenden Endes
Die Patienten sprachen auch von einem besonderen Wachstum, sagte Jeste, „mit adaptiven Eigenschaften wie stärkere Entschlossenheit, Dankbarkeit und Positivität stimuliert und geschmiedet durch die Schwierigkeit, mit einer unheilbaren Krankheit zu leben“.
Das Wachstum war direkt mit einer Zunahme der Weisheit verbunden.
Letztlich, sagte Jeste, beschreiben die befragten Hospizpatienten Weisheit als eine kontinuierliche Neubestimmung zwischen der aktiven Akzeptanz ihrer Krankheit und dem Wunsch, als Person zu wachsen und sich zu verändern.
Der Prozess ist mit einer Wippe vergleichbar, sagten sie. Es gab keine statische Lösung, sondern ein ständiges Bemühen um Ausgeglichenheit, Frieden und Freude am Lebensende.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of California San Diego School of Medicine; International Psychogeriatrics – 10.1017/S1041610217003039; Jan. 2018
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