Warum Jugendliche riskanter leben
20.01.2017 Eine aktuelle Studie untersuchte, warum Jugendliche generell eher ein riskantes Verhalten – wie unvorsichtiges Verhalten im Straßenverkehr, bei Drogen- und Alkoholkonsum, im Sexualverhalten – zeigen.
An der Studie nahmen 105 Teilnehmer im Alter zwischen 8 und 22 Jahren an verschiedenen Risikospielen um reales Geld teil, bei denen sie mit Hilfe von bereitgestellten Informationen ihre Gewinnchancen bzw. ihr Risiko zu verlieren besser einschätzen konnten. D.h. die Testpersonen konnten erst abwägen, dann handeln.
Bild: Lachmann-Anke
„Wir haben den Probanden deshalb erstmals Aufgaben gestellt, bei denen sie weitere Informationen einholen konnten, um Unsicherheiten zu verringern“, sagte der Psychologe Wouter van den Bos vom Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.
Außerdem befragten die Forscher die Probanden zu deren individuellen Risikoverhalten.
Größere Akzeptanz des Ungewissen
Im Vergleich zu den Kindern und jungen Erwachsenen ergaben sich zwei Hauptbefunde:
- Jugendliche akzeptierten eher eine vorhandene Mehrdeutigkeit.
- Sie akzeptierten auch eher eine gewisse Unsicherheit. Sie suchten selbst bei großer Unsicherheit weniger nach Informationen, die ihre Entscheidungen sicherer (im Sinne von ‚richtiger‘) gemacht hätten. Darüber hinaus war diese Toleranz des Unbekannten mit motivationalen, aber nicht kognitiven Faktoren verbunden.
Bei den Jugendlichen stimmte das Risikoverhalten bei nicht eindeutigen Situationen mit der Selbsteinschätzung der Risikobereitschaft überein; bei eindeutigen Situationen (wenn alle Informationen vorlagen) dagegen nicht.
Warum Aufklärungskampagnen ins Leere laufen
Die Akzeptenz der Ungewissheit war bei den Teilnehmern zwischen 13 und 15 am höchsten ausgeprägt. Sie ignorierten am ehesten Informationen, die riskantes Verhalten hätten beeinflussen können. Die Forscher vermuten darin auch den Grund, warum Aufklärungskampagnen herkömmlichen Typs nur begrenzten Einfluss auf die Risikobereitschaft dieser Jugendlichen zeigen.
Die Motivation der Jugendlichen, sich zu informieren, war im Vergleich zu jüngeren und älteren Teilnehmer geringer ausgeprägt: Sie akzeptierten das geringere Wissen. „Das liegt nicht daran, dass sie kognitiv nicht in der Lage sind, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Sie wollen schlicht neue Erfahrungen machen und probieren sich aus“, schreibt van den Bos.
„Diese Erkenntnis müsste in die Konzeption von Interventionen miteinfließen, wenn man Jugendliche wirklich erreichen möchte“, schreibt Studienautor Ralph Hertwig; der Psychologe ist Direktor des Forschungsbereichs „Adaptive Rationalität“ am MPI für Bildungsforschung. „Erfolgversprechender als Informationskampagnen könnte zum Beispiel sein, Jugendlichen die Konsequenzen ihres riskanten Verhaltens in einer virtuellen Umgebung konkret erfahrbar zu machen“, so Hertwig weiter.
Diese Ergebnisse bieten neue Einblicke in die Psychologie der jugendlichen Risikobereitschaft, schrieben die Forscher im Fachmagazin Scientific Reports.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Scientific Reports – http://dx.doi.org/10.1038/srep40962; Jan. 2017
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