Psychotherapie Bezugspersonen; Abbruch

Feste Bezugspersonen erhöhen Behandlungserfolg

Ein Pilotprojekt der Universität Witten/Herdecke am St. Marien-Hospital in Hamm versucht die Qualität der Behandlung bei psychischen Erkrankungen zu verbessern.

Kontinuität in der Behandlung

Psychisch Erkrankte werden in einem neuen Projekt des St. Marien-Hospitals in Hamm von einer festen Bezugsperson therapiert.

Karl H. Beine, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Witten/Herdecke, sagt dazu:

„Wir wollen zeigen, dass sich so die Zahl der Behandlungsabbrüche und Rückfälle deutlich senken lässt, die Ergebnisqualität besser wird“.

Das Projekt mit dem Namen Integrative Psychiatrie Hamm (IPH) soll acht Jahre laufen und die bisherige Praxis der wechselnden Stationen, Psychologen und Ärzte ablösen. Beine sagt dazu:

„Die Beziehung zum Therapeuten ist in der Behandlung psychischer Erkrankungen einer der stärksten Wirkfaktoren, den wir kennen. Das zeigen zahlreiche Forschungsarbeiten. Im derzeitigen System aber wird die Behandlung immer wieder abgebrochen, weil die Therapeuten häufig wechseln.“  

Krankenhausbehandlung bei psychisch kranken Menschen ist dringend reformbedürftig

So soll ein Fall-Manager (i.d.R. ein Oberarzt) während der gesamten Therapie dem Patienten zugewiesen werden, so dass eine Person über den gesamten Verlauf der Behandlung eines Patienten im Bilde ist; normalerweise sind die Behandler nur abschnittsweise mit den Patienten verbunden.

Heiner Beckmann, der Landesgeschäftsführer der Barmer GEK Nordrhein-Westfalen, sagt zur IPH:

„Die Krankenhausbehandlung bei psychisch kranken Menschen ist dringend reformbedürftig. Bei depressiv erkrankten Menschen sieht das so aus: Fast ein Drittel der Patienten zeigen innerhalb von zwei Jahren die gleichen Symptome wieder. Deswegen beschreiten wir neue Wege in Nordrhein-Westfalen zum ersten Mal“.

Dem St. Marien-Hospital wird ein festes Budget (ca. zwölf Millionen Euro) zur Verfügung gestellt; dies entspricht den bisherigen Ausgaben der Klinik für psychische Erkrankungen.

Wir behandeln nicht andere Patienten, sondern unsere Patienten anders

Prof. Beine führt weiterhin aus:

„Wir können mit dem Geld den Patienten die Behandlung anbieten, die medizinisch sinnvoll ist und die sie sich selber wünschen. Diese Freiheit haben wir jetzt, weil wir nicht mehr darauf achten müssen, dass wir vorgegebene Fallzahlen, Verweildauern oder Behandlungstage erreichen. Unsere Verpflichtung besteht darin, dass wir die gleiche Anzahl von krankenhausbehandlungsbedürftigen Menschen gemäß dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand behandeln müssen, wie in den Vorjahren. Diese Behandlung kann in unserer Klinik erfolgen oder zu Hause. Mit anderen Worten also: ‚Wir behandeln nicht andere Patienten, sondern unsere Patienten anders'“.

Quelle: Universität Witten/Herdecke, 19.02.2014

Warum brechen viele ihre Psychotherapie vorzeitig ab?

Unter Therapeuten und Forschern ist es bekannt, dass viele Patienten mit psychischen Beschwerden – mehr als die Hälfte nach einigen Studien – ihre kognitive Verhaltenstherapie (KVT) beenden, bevor der empfohlene Behandlungsverlauf vollständig durchlaufen wurde; aber warum dies geschieht blieb ein Rätsel.

Therapie

Abbruch

„Wir wissen nicht warum“, sagt Studienautor Partha Krishnamurthy von der University of Houston. „Die Person taucht einfach nicht mehr auf.“

Um Antworten dafür zu finden, führten Krishnamurthy und Kollegen eine neue Studie mit 139 Angst-Patienten durch, die für 12 Wochen an einer kognitiven Verhaltenstherapie teilnahmen. Während jeder Sitzung wurde das Angst-Niveau ermittelt.

Geschwindigkeit der Genesung

Sowohl Patienten, die sich am schnellsten erholten, als auch Patienten mit der höchsten Angstausprägung an der Ausgangslinie, waren die beiden Gruppen, die am wahrscheinlichsten frühzeitig aus der Therapie ausstiegen.

„Wir glauben, dass der Kern des Befundes die Geschwindigkeit der Genesung und weniger das Niveau der Verbesserung ist“, sagte Krishnamurthy. Je schneller sie sich erholten – verglichen mit ihrer Startlinie – desto eher verließen sie die Psychotherapie.“

Stigma

Das mit psychischen Störungen verbundende Stigma scheint auch dazu beizutragen. Obwohl es keinen direkten Beleg gibt, sagte Krishnamurthy, denkt der Patient wohl über das Stigma nach und argumentiert: „Ich fühle mich besser, also warum sollte man weiter über mich denken, dass ich eine Psychotherapie brauche?“

Und wenn der Patient beginnt, sich besser zu fühlen, ist der Wunsch nach weiteren Verbesserungen weniger ausgeprägt, verglichen mit den sozialen, emotionalen, finanziellen und zeitlichen Kosten durch die Fortführung der Therapie, schreiben die Forscher in der Zeitschrift Journal of Clinical Psychology.

Klienten, die sich ihrem Ziel der Symptomreduktion nähern, stellen also mit größerer Wahrscheinlichkeit ihre Behandlungsaktivitäten ein. Aber noch wichtiger: Auch eine schnellere Genesung führt zu einer erhöhten Abbruchrate.

Ausprägung der Symptome

Patienten mit den höchsten Angstleveln, brachen die Therapie auch wahrscheinlicher ab. Dies könnte daran liegen, sagte Krishnamurthy, dass die Krankheit ihre Fähigkeit beeinflusst, zu entscheiden, ob sie eine weitere Behandlung brauchen, ebenso wie ihre Bereitschaft, weiterhin die Termine einzuhalten und andere Dinge.

Obwohl die Arbeit nicht zur Entwicklung spezifischer Lösungen konzipiert war, könnte sich Krishnamurthy vorstellen, dass Strategien erfolgreich sein könnten, die sich auf zukünftige Vorteile konzentrierten, anstatt einfach den bereits gemachten Fortschritt festzustellen.

Finanzielle Anreize könnten auch helfen, wie z.B. die Verringerung der Selbstzahlungen der Patienten, wenn sie einen gewissen Punkt in der Therapie erreicht hätten, sagte er.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Houston, Journal of Clinical Psychology; Sept. 2015

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