Erwachsene mit ADHS sind oftmals als Kind misshandelt worden
10.03.2014 Kanadische Forscher berichten über eine Verbindung zwischen Aufmerksamkeitsdefizitstörungen bei Erwachsenen und körperlichen Misshandlungen in der Kindheit.
Misshandlungen in der Kindheit
In der Befragung gaben 30 Prozent der Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizitstörung oder Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS) an, dass sie physisch misshandelt wurden bevor sie 18 waren.
Dagegen berichteten nur sieben Prozent der Studienteilnehmer ohne ADS/ADHS über physische Misshandlungen.
Es waren 13.054 Erwachsene befragt wurden, von denen 1.020 über körperliche Misshandlungen berichteten und 64 mit ADHS oder ADS diagnostiziert worden waren.
„Dieser starke Zusammenhang zwischen Misshandlungen und ADS/ADHS wurde nicht durch demographische Merkmale oder andere Nöte in der Kindheit erklärt“, sagte Studienautorin Esme Fuller-Thomson von der Universität von Toronto.
Selbst nach der Kontrolle auf verschiedene andere Faktoren zeigten diejenigen, die vor dem Alter von 18 körperlich misshandelt wurden, ein siebenfach höhreres Risiko für ADHS.
Ursache oder Folge?
Koautorin Rukshan Mehta sagte:
„Wir können nicht sagen, ob es eine kausale Beziehung ist. Es ist möglich, dass Kinder mit ADHS/ADS den elterlichen Stress vergrößern und damit auch die Wahrscheinlichkeit für Misshandlungen.
Andererseits ist es, laut neueren anderen Studien aber auch möglich, dass Kindesmisshandlungen, ADS/ADHS zur Folge haben oder diese Störungen zumindest verstärken.“
Laut Koautorin Angela Valeo von der Ryerson Universität, unterstreicht diese Studie die Wichtigkeit von ADS/ADHS als Marker für Misshandlung.
„Bei 30 Prozent Erwachsenen mit ADS/ADHS, die über Kindheitsmisshandlung berichten, ist es wichtig, dass die Kinder – von mit ihnen arbeitenden Angehörigen der Gesundheitsberufe – auf physische Misshandlungen untersucht werden.“
Quelle: Universität von Toronto, Journal of Aggression, Maltreatment, and Trauma, März 2014
Kinder mit ADHS werden sehr viel häufiger sexuell missbraucht, körperlich misshandelt
16.04.2015 Eine in Child Abuse & Neglect veröffentlichte Studie stellt fest, dass Erwachsene mit Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) sehr viel wahrscheinlicher über sexuelle und körperliche Übergriffe in der Kindheit / Jugend berichten als Gleichaltrige ohne ADHS.
Frauen mit ADHS
Forscher der Universität von Toronto stellten fest, dass 34 Prozent der Frauen mit ADHS angaben, sexuell missbraucht worden zu sein, bevor sie 18 wurden. Im Gegensatz dazu berichteten 14 Prozent der Frauen ohne ADHS über sexuelle Übergriffe in der Kindheit. Doppelt so viele Frauen mit ADHS berichteten über körperliche Misshandlungen als Frauen ohne ADHS (44% vs. 21%).
Bild: Gerd Altmann (pixabay)
„Diese Befunde legen nahe, dass es eine ’stille Epidemie‘ des Missbrauchs unter Menschen – und besonders unter Frauen – mit ADHS gibt“, sagte Koautorin Esme Fuller-Thomson.
Männer mit ADHS
Fuller-Thomsons Forschung zeigte ebenfalls, dass ein größerer Prozentsatz bei den Männern mit ADHS über sexuellen Missbrauch (11% vs. 6%) oder körperliche Misshandlungen (41% vs. 31%) in der Kindheit berichteten als Männer ohne ADHS.
Für die Studie untersuchten die Forscher die Daten einer landesweit repräsentativen Stichprobe mit 12.877 Frauen und 10.496 Männern einer kanadischen Gesundheitsstudie zur psychischen Verfassung des Jahres 2012.
Fuller-Thomson betonte, dass die Daten die Richtung des Zusammenhangs nicht klären können.
Es kann sein, dass frühe Misshandlungen neurobiologische Entwicklungen beeinflussen, sagte Fuller-Thomson. Es ist jedoch auch möglich, dass Kinder mit ADHS eher für Missbrauch und Misshandlung disponiert sind.
Koautorin Danielle Lewis fügte hinzu, die Fragen der Studie hätten nicht identifizieren können, wer die Kinder misshandelte. Es hätte sich um Familienmitglieder oder nicht-verwandte Erwachsene handeln können.
„Ganz gleich, wer der Täter war; es ist sehr wichtig, dass Kinder mit ADHS von den Angehörigen der Gesundheitsberufe auf sexuellen und physischen Missbrauch gescreent werden.“
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Child Abuse & Neglect, Universität Toronto; April 2015
Kindesmisshandlung und ADHS-Symptome bei Erwachsenen
10.08.2016 Misshandlungen in der Kindheit konnten in früheren Studien bereits mit einem erhöhten Risiko für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Erwachsenen in Verbindung gesetzt werden.
Kausaler Zusammenhang?
Es ist jedoch unklar gewesen, ob dieser Zusammenhang kausal ist oder aufgrund von familiärer Konfundierung besteht, schreiben die Forscher von der Linköping Universität im Fachblatt Psychological Medicine.
Zwillingsstudie
Bild: Gerd Altmann
Dr. Andrea Capusan und Kollegen analysierten die Daten von 18.168 erwachsenen Zwillingen in Schweden im Alter zwischen 20 und 46 Jahren.
Die Daten enthielten rückblickende Selbstbewertungen von Misshandlungen in der Kindheit (emotionale und körperliche Vernachlässigung, sexueller und physischer Missbrauch und miterlebte häusliche Gewalt) und Selbstbewertungen für DSM-IV ADHS-Symptome im Erwachsenalter. Die mögliche familiäre Konfundierung (Einfluss der Familienbedingungen) wurde durch den Vergleich von eineiigen und zweieiigen Zwillingen untersucht.
Deutlicher Zusammenhang
Die Befunde zeigen, dass Kindesmisshandlungen deutlich mit größeren Test-Werten (ADHS-Symptome) bei Erwachsenen verbunden waren (Regressionskoeffizient: 0,40). Innerhalb der Zwillingspaar-Analysen zeigte sich ein abgeschwächter aber signifikanter Einfluss bei den zweieiigen (Regressionskoeffizient: 0,29) und ein noch geringer ausgeprägter bei den eineiigen Zwillingen (Regressionskoeffizient: 0,18).
Ähnliche Ergebnisse traten bei hyperaktiven / impulsiven und unaufmerksamen ADHS-Symptom-Werten getrennt analysiert in Verbindung mit Kindesmisshandlung auf.
Die Forscher führten Sensitivitätsanalysen auf eine frühe schlechte Kindesbehandlung – vor dem Alter von 7 Jahren – und auf Missbrauch und Vernachlässigung separat durch und fanden ähnlich reduzierte Verbindungen bei zwei- und eineiigen Zwillingspaaren. Re-Traumatisierung nach dem Alter von 7 Jahren beeinflusste die Ergebnisse nicht bedeutsam.
Familiäre Anfälligkeit und kausale Verbindung
Die Wissenschaftler schließen, dass Kindesmisshandlung deutlich mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für verstärkte ADHS-Symptome im Erwachsenenalter in Verbindung steht.
Dieser Zusammenhang besteht teilweise durch eine familiäre Konfundierung, weist aber auch auf eine kausale Verbindung.
Die Befunde unterstützen kognitive neurowissenschaftliche Studien, die die neuronalen Signalwege untersuchten, über die eine Exposition gegenüber Kindesmisshandlung ADHS beeinflusst. Kliniker, die ADHS bei Erwachsenen behandeln, sollten über die Verbindung mit Misshandlungen in der Kindheit Bescheid wissen.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Linköping Universität, Psychological Medicine – DOI: http://dx.doi.org/10.1017/S0033291716001021; August 2016
Mir geht es genau so. Späte Diagnose mit 45 und dann fragte ich mich, ob man von Geburt an ein neurodiverses Gehirn hat oder es erst gebildet wird nach schweren Erlebnissen in der Kindheit. Ich persönlich weiß kaum etwas über meine Kindheit und das ist mir unheimlich. Und als eine Freundin neulich erzählte, dass sie ADHS hat und in der Kindheit missbraucht wurde, musste ich auf einmal weinen, wie ein Wasserfall. Da kam mir der Gedanke, dass ich dem vllt nachgehen sollte!
Vielen Dank für diesen ausführlichen Beitrag. Ich hatte explizit danach gesucht, da ich wissen wollte, wie wahrscheinlich es ist, dass ADHS erst NACH schwerer Misshandlung und Missbrauch entsteht.
Leider habe ich diese Erfahrungen selbst gemacht als Kind und erst spät als Erwachsene auf ADHS diagnostiziert worden. Laut dem Fragebogen, den meine Mutter für und über mich ausgefüllt hatte, soll ich ADS gehabt haben, da ich ein stilles und ruhiges Kind gewesen bin. In der Schule war ich oft abgelenkt und zurückgezogen, aber verdammt nochmal kein Wunder, wenn man als Kind täglich mit Schlägen und Beleidigungen und Abwertung leben musste.
Passt sich das Gehirn an?
Bei Stress oder Hektik weg,- und ausblenden, wie nach den schlimmen Ereignissen, die ja auch im inneren Stress und Hektik ausgelöst hatten und diese man selbst einfach wegblenden wollte?
Zumindest habe ich dieses Gefühl.
Wenn mein Umfeld Stressbedingt gereizt ist, kommen die Symptome von ADHS verstärkt bei mir hervor, was auch Typisch ist bei vielen anderen mit ADHS.
ich habe den verdacht das es mit ADHS-Diagnosen dazu kommt, das Fälle von Kindesmisshandlung nicht aufgedeckt werden. Der Gipfel ist das die ADHS die Eltern zur Gewalt verführt. Krude.
Es rechtfertigt das unangemessene Verhalten der Eltern in keiner Weise.
Ich hatte selber schon einen Fall wo es um Kindeshandlung ging und dem Kind eine ADS angehängt wurde. Es gibt auch Psychologen die eine Diagnose ADHS, bei Kindesmisshandlung von Kindern und Erwachsenen nicht stellen. Die Autoren sollten sich mal genau mit der Traumaproblematik befassen. Es wird Ihnen etwas auffallen.
Ein sehr interessantes und auch irgendwo beängstigendes Ergebnis, welches die Forscher herausgefunden haben wollen. Was bisher unerwähnt blieb (vielleicht auch, weil es gar nicht zum Forschungsziel dazugehörte), ist die Frage nach dem Zusammenhang mit starken psychischen Stress bzw. psychischer Misshandlung als Ursache für das weitere Auftreten der ADHS-Symptomatik im Erwachsenenalter.