Isolierte höhenbedingte Psychose

Isolierte höhenbedingte Psychose

Psychische Störungen

Das Dritte-Mann-Phänomen oder die Psychose am Berg

15.12.2017 Psychiater und Notfallmediziner untersuchten in einer aktuellen Studie das sogenannte „Dritte-Mann-Phänomen“ bzw. das Auftreten von psychotischen Erlebnissen bei ansonsten gesunden Bergsteigern in großen Höhen.

Laut den Notfallmedizinern von Eurac Research und Forschern der Medizinischen Universität Innsbruck dürfte es einige (tödliche) Unfälle aufgrund von isolierten höhenbedingten Psychosen geben.

Psychotische Erlebnisse am Berg

„Es ist äußerst wichtig, dass Extrembergsteiger über diese vorübergehenden Phänomene informiert werden“, schreibt Hermann Brugger, Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin. Und um das Risiko für solche Unfälle zu verringern, sollten auch kognitive Behandlungsmethoden von Bergsteigern gelernt und angewendet werden, wenn psychotische Ereignisse auftreten.

Jeremy S. Windsor im Jahr 2008 auf dem Mount Everest: „I first met Jimmy on the Balcony, a cold windswept snow shelf high up on the southeast ridge of Mount Everest. At an altitude of more than 8200 meters our introduction had been brief, with little more than a muffled “hello” and a few words of encouragement passing between us. Over my right shoulder, obscured by the bulky oxygen mask and the rim of down that smothered my face, I was sure I could see Jimmy moving lightly in the darkness. But despite him remaining close by me for the rest of the day, I didn’t see him again.“ JS Windsor (2008) Voices in the air. BMJ 337, a2667. doi: 10.1136/bmj.a2667

Die Wissenschaftler untersuchten 83 Fälle von psychotischen Episoden bei Bergsteigern in Höhen über 3.500 Metern, die schriftlich festgehalten worden waren.

Abgrenzung von Höhenkrankheit

Die Analyse ergab die „Entdeckung eines neuen Krankheitsbildes“, das z.B. von den psychischen Beeinträchtigungen, die bei der Höhenkrankheit auftreten, abgegrenzt werden muss, schreiben die Forscher im Fachblatt Psychological Medicine.

Bislang schrieb man das sogenannte „Dritte-Mann-Phänomen“ und andere Halluzinationen u. Wahnvorstellungen körperlichen Ursachen – wie z.B. dem Hirnhöhenödem – zu, bei dem es auch zu starken Kopfschmerzattacken, Schwindelanfällen und Störungen des Gleichgewichts kommen kann.

Rein psychotische Symptomgruppe

Doch die aktuellen Befunde hätten ergeben, dass es eine rein psychotische Symptomgruppe gäbe. Diese sei zwar mit großen Höhen verknüpft, aber nicht auf Höhenhirnödem oder andere körperliche Faktoren wie „Flüssigkeitsverlust, Infektionen oder organische Erkrankungen zurückzuführen“, schreibt Brugger.

Am häufigsten treten diese psychotischen Episoden über 7.000 Meter auf, wobei die Wissenschaftler bislang aber nichts über die Ursachen wissen. Sie vermuten jedoch, dass Sauerstoffmangel, Alleinsein und Schwellungen im Gehirn solch eine isolierte höhenbedingte Psychose begünstigen können.

Symptome verschwinden nach Abstieg wieder

Sie konnten auch feststellen, dass die Symptomatik wieder völlig verschwindet – nach dem derzeitigen Forschungsstand – wenn die Bergsteiger wieder absteigen. Irreparable Schäden wurden auch nicht beschrieben.

„Diese Erkenntnis erlaubt es uns, vorübergehende Psychosen an ansonsten völlig gesunden Menschen genauer zu untersuchen, das kann uns wichtige Hinweise zum Verständnis psychiatrischer Krankheiten wie zum Beispiel der Schizophrenie geben“, schließt Studienautorin Katharina Hüfner.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Medizinische Universität Innsbruck; Psychological Medicine – https://doi.org/10.1017/S0033291717003397; Dez. 2017