Gehirnscans und KI diagnostizieren treffsicher Suizidalität mit hoher Wahrscheinlichkeit
31.10.2017 Forscher unter der Leitung von Marcel Just von der Carnegie Mellon Universität und David Brent von der Universität Pittsburgh haben einen innovativen und vielversprechenden Ansatz entwickelt, um suizidgefährdete Menschen zu diagnostizieren.
Bild: Gerd Altmann
Sie trainierten eine KI (Künstliche Intelligenz), die Veränderungen zu analysieren, die in den Gehirnen von suizidgefährdeten Menschen auftraten, wenn diese über bestimmte Konzepte wie Tod, Grausamkeit und Ärger nachdachten.
Das Suizidrisiko ist bekanntermaßen schwer einzuschätzen und vorherzusagen, und Selbstmord ist unter jungen Erwachsenen in den westlichen Gesellschaften auf den vorderen Plätzen der Todesursachen zu finden.
Für die Studie präsentierten die Psychiatrie-Professoren Just und Brent zwei Gruppen mit 17 Personen mit bekannten suizidalen Tendenzen eine Liste von 10 mit dem Tod verbundenen Begriffen, 10 Wörter zu positiven Konzepten (z. B. sorglos) und 10 Wörter zu negativen Begriffen (z. B. Ärger).
Trefferquote von 91% bei der Unterscheidung zwischen suizid- und nicht-suizidgefährdet
Sie wendeten einen KI-Algorithmus auf sechs Wortkonzepte an, die am besten zwischen den beiden Gruppen unterschieden, während die Teilnehmer im Gehirn-Scanner über jedes nachdachten. Dies waren Tod, Grausamkeit, Ärger, Sorgenfreiheit, gut und Lob.
Basierend auf den Gehirndarstellungen dieser sechs Konzepte, war ihr Programm in der Lage, mit 91 Prozent Genauigkeit zu identifizierenen, ob ein Teilnehmer der Kontroll- oder der Suizidgruppe angehörte.
94% Trefferquote bei der Diagnose eines früheren Suizidversuchs
Dann konzentrierten sie sich auf die suizidalen Probanden und verfolgten einen ähnlichen Ansatz, um herauszufinden, ob der Algorithmus die Teilnehmer erkennen konnte, die einen früheren Suizidversuch unternommen hatten, und sie von denen trennen konnte, die nur darüber nachdachten.
Das Programm konnte die neun Personen, die versucht hatten, sich zu suizidieren, mit einer Genauigkeit von 94 Prozent identifizieren laut den im Fachblatt Nature Human Behaviour veröffentlichten Befunden.
Neuronale Signaturen für Emotionen
Just und Brent benutzten ein Archiv neuronaler Signaturen für Emotionen (insbesondere Traurigkeit, Scham, Wut und Stolz), um zu verstehen, was dazu geführt hat, dass die suizidalen und nicht-suizidalen Teilnehmer unterschiedliche Hirnaktivierungsmuster für bestimmte Gedanken hatten.
Sie wollten so messen, wie stark jede im Gehirn eines Teilnehmers hervorgerufene Emotion war, die durch jede der sechs diskriminierenden Konzepte hervorgerufen wurde. Das Maschinen-Lernprogramm konnte anhand der Unterschiede in den Emotionssignaturen der Konzepte mit einer Genauigkeit von 85 Prozent genau vorhersagen, zu welcher Gruppe der Teilnehmer gehörte.
Neue Behandlungsmöglichkeiten
Menschen mit Suizidgedanken erleben unterschiedliche Emotionen, wenn sie über einige der Begriffe im Test nachdenken. Zum Beispiel rief das Konzept des „Todes“ mehr Scham und Trauer in der Gruppe hervor, die über Suizid nachdachten. Diese zusätzliche Erkenntnis könnte einen Weg zur Behandlung eröffnen, der versucht, die emotionale Reaktion auf bestimmte Konzepte zu ändern, schreiben die Psychiater.
Just und Brent sind zuversichtlich, dass die Erkenntnisse aus dieser grundlegenden kognitiven neurowissenschaftlichen Forschung genutzt werden können, suizidgefährdete Menschen zu diagnostizieren und damit Leben zu retten.
Am dringendsten ist es nun, diese Ergebnisse auf eine viel größere Stichprobe anzuwenden und sie dann zur Vorhersage bzw. Diagnostik künftiger Suizidversuche zu verwenden, sagte Brent.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Carnegie Mellon Universität, Universität Pittsburgh; Nature Human Behaviour – doi:10.1038/s41562-017-0234-y; Okt. 2017
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