Psychische Verfassung der Horter; zu wenig Maßnahmen
13.05.2014 Das Horten bzw. ‚Sammeln‘ von Tieren – die Tierhortung oder im engl. animal hoarding genannt – ist eine psychische Störung, bei der eine große Anzahl von Tieren (meistens Katzen und Hunde) zu Hause ‚gehalten‘ werden, ohne dass ihnen ein minimaler Pflegestandard geboten wird.
Forscher des IMIM-Krankenhauses (Hospital del Mar Research Institute) veröffentlichten in der Zeitschrift Animal Welfare die erste europäische Studie zu dieser Geistesstörung. Die Störung ist im Wesentlichen immer noch unerforscht und hat eine negative Wirkung auf die Gesundheit sowohl der betroffenen Menschen als auch Tiere.
„Dies ist der erste Schritt in Richtung öffentlicher Anerkennung der Störung Animal Hoarding – eine Störung, die zu einer immer größeren Besorgnis im öffentlichen Leben führt, da sie zu großen Problemen für das Gesundheitswesen führt. Es gibt immer noch keine genormten Handlungsprotokolle (Maßnahmen) für die Intervention bei diesen Fällen“, sagt Paula Calvo, Forscherin vom IMIM und der „Cátedra Fundación Affinität Animales y Salud“ vom Fachbereich der Psychiatrie der autonomen Universität von Barcelona.
Gegenwärtige Maßnahmen unzureichend
Wenn ein Fall von Tierhortung bekannt wird, werden gegenwärtig nur die Tiere weggenommen, aber der Horter wird nicht behandelt. Diese Person merkt nicht, dass seine oder ihre Tiere bei schlechter Gesundheit sind, und beginnt bald wieder, sie zu horten. Oft befinden sich diese Tiere in einem Zustand offensichtlicher oder sogar kritischer Unterernährung, Dehydration und parasitärer Verseuchung. Sie haben Krankheiten und pflanzen sich unkontrolliert fort; ihr Zuhause befindet sich in einem sehr unhygienischen Zustand.
Die Forscher glauben, dass diese Störung Auswirkungen auf die psychische Verfassung, Wohlbefinden der Tiere und das Gesundheitswesen hat, und daher sollte das Eingestehen der Präsenz in unserer Gesellschaft der erste Schritt zur frühen Identifizierung und Aufdeckung, und den Umgang auf die effizientest mögliche Weise sein. Da verschiedene Bereiche bei Tierhortung mobilisiert werden müssen – wie Tierschutz, Gesundheitswesen, Wohlfahrt usw. – arbeitet die Gruppe in Verbindung mit der Regierung, um multidisziplinäre Maßnahmen zu entwickeln.
Erste Studie in Europa
Dies ist die erste Studie, die Daten über dieses Syndrom in Europa zur Verfügung stellt, und sie ist auch durch verschiedene Tierschutzorganisationen zustande gekommen. Die Forscher analysierten Daten der National Association of Friends of Animals (ANAA), die in deren Datenbank zwischen 2002 bis 2011 gesammelt wurden. Sie entwickelten einen Fragebogen für die Experten, die an diesen Fällen teilgenommen hatten, und sämtliche von der Organisation zur Verfügung gestellten Informationen wurden klassifiziert und genormt.
Bislang kommen alle vorhandenen Forschungsstudien zur Tierhortung aus den USA, Kanada und Australien, aber mit dieser Studie wurde zum ersten Mal demonstriert, dass diese psychische Störung auch in Europa mit ähnlichen Merkmalen auftritt. Noch sind die Daten jedoch weder ausreichend, das Ausmaß in der Bevölkerung, in dem Animal Hoarding verbreitet ist, festzustellen, noch das Profil derjenigen tiefergehend zu verstehen, die Tiere horten.
24 Fälle mit 1.218 Tieren
Die Daten beinhalteten 24 Fallberichte von Animal Hoarding in Spanien, bei denen insgesamt 1.218 Hunde, Katzen und Hamster, sowie 27 Horter beteiligt waren.
- Die Tierhorter waren überwiegend ältere Menschen, sozial isolierte Männer und Frauen, die nur eine Spezies (Hund oder Katze) horteten.
- Die meisten Fälle von Animal Hoarding zeigten einen chronischen Verlauf von mehr als fünf Jahren.
- Die durchschnittliche Zahl der Tiere pro Fall betrug 50, wobei die meisten Tiere Hunde waren.
- In 75% der Fälle zeigten die Tiere Anzeichen eines schlechten Zustandes: schlechte körperliche Verfassung, Wunden, Parasiten und Infektionskrankheiten.
- Aggressives Verhalten und soziale Angst waren die am häufigsten berichteten Verhaltensweisen gehorteter Tiere.
Quelle: Characteristics of 24 cases of animal hoarding in Spain. P Calvo, C Duarte, J Bowen, A Bulbena and J Fatjó. Animal Welfare. DOI: 10.7120/09627286.23.2.199, Mai 2014
Animal Hoarding: Eine neue Psychopathologie?
07.10.2017 Eine im Fachblatt Psychiatry Research veröffentlichte psychologische Studie der Universidade Católica do Rio Grande do Sul untersuchte das soziodemographische Profil von Tierhortern (auch Animal Horder genannt) in einer südlichen Stadt Brasiliens.
Darüber hinaus schlägt sie vor, Animal Hording als neue nosologische Kategorie (Nosologie – Krankheitslehre: die Lehre von der medizinischen Einteilung der Erkrankungen) anzusehen, da sie sich vom Messie-Syndrom (Zwanghaftes Horten) unterscheidet.
Spezieller Fall des Messie-Syndroms?
Die neueste Version des Diagnosehandbuchs der Psychiatrie (DSM-V) definiert das zwanghafte Horten als eine psychische Erkrankung, bei der das Sammeln von Gegenständen das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigt, da es für sie schwierig und sogar schmerzhaft ist, die Gegenstände zu entsorgen und Ordnung im Haus herzustellen, was zu Vermüllung, schlechten Hygienebedingungen und Unfällen führt.
Bild: Gerd Altmann
Das krankhafte Horten von Tieren – Animal Hording – wird im DSM-V aber lediglich als besonderer Fall des zwanghaften Hortens angesehen. Die aktuelle psychologische Forschungsarbeit wollte untersuchen, ob dem so ist, oder ob es Unterschiede gibt.
63 Personen mit Animal-Hording-Störung – 73% weiblich und 60% ältere Menschen – haben die Psychologen in ihrer Stichprobe befragt bzw. beobachtet. Das Durchschnittsalter in der Stichprobe betrug 61 Jahre und der durchschnittliche Zeitraum, in dem die Befragten mit einer großen Anzahl von Tieren zusammenlebten bzw. sie horteten betrug 23 Jahre.
Schlimme Bedingungen für die Tiere
Die sanitären und gesundheitlichen Bedingungen waren oft sehr schlecht. Die Forscher berichten auch, dass dramatische Situationen wie gewalttätige Kämpfe um Territorium, extreme Unterernährung, Kannibalismus, verletzte und unbehandelte Käfigtiere in den meisten besuchten Häusern beobachtet wurden.
Die Forscher stellten fest, dass 56,7% der Stichprobe neben den Tieren auch andere (nicht lebende) Objekte horteten. Die Gesamtzahl der gehorteten Tiere betrug 1.357 und die durchschnittliche Zahl der Tiere pro Horter betrug etwa 41.
Unterschiede zum Messie-Syndrom
Es konnten signifikante Unterschiede zwischen Animal Hording und Messie-Syndrom festgestellt werden.
Zwei Drittel der Tierhorter waren Frauen, und die meisten lebten allein, was darauf hindeutet, dass die Tiere auch die Funktion hatten, den Menschen, die ansonsten Probleme mit der Beziehungsbildung hatten, Gesellschaft zu leisten und Trost zu spenden.
Im Gegensatz zum zwanghaften Horten von Gegenständen beeinträchtigten die gehorteten Tiere in der Regel nicht die Wohnumgebungen.
Die Forscher stellten auch fest, dass die Personen in ihrer Stichprobe sich eher der Probleme bewusst waren, die das Anhäufen von Objekten und Tieren mit sich bringt.
Viele erkannten auch, dass ihre Lebensqualität darunter litt.
Auch die Prozesse des sich Lösens oder das Abgeben von Tieren unterscheiden sich von denen beim Horten von leblosen Objekten, schreiben die Psychologen, da es eine emotionale Bindung zu den lebenden Tieren gibt, aber nicht zu leblosen Objekten.
In diesem Sinne könnte die Charakterisierung des Animal Hording als eine neue eigenständige psychische Störung großes Interesse sowohl bei klinischen Fachleuten als auch bei Forschern wecken, schließen die Wissenschaftler.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universidade Católica do Rio Grande do Sul; Psychiatry Research – doi.org/10.1016/j.psychres.2017.08.030; Okt. 2017
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