Training mit ‚Gedächtnispalast‘ verbessert das Langzeitgedächtnis

Man muss kein Genie sein, um ein gutes Gedächtnis zu haben

04.03.2021 Wenn wir Gegenstände gedanklich „visuell“ in eine vertraute Umgebung legen, hilft uns das, Namen, Zahlen oder sogar große Datenmengen auswendig zu lernen. Durch das Training mit diesem sogenannten Gedächtnispalast verbessert sich sogar das Langzeitgedächtnis. Zu diesem Schluss kommen Forscher*innen der Universität Wien und der niederländischen Radboud University in einer neuen Studie, die in Science Advances erscheint.

Die Idee ist eigentlich ganz simpel: Denken Sie an einen Ihnen vertrauten Fußweg. Sehen Sie sich Ihre Einkaufsliste an und legen Sie alle Produkte auf der Liste nacheinander gedanklich entlang des Pfades ab. Stellen Sie sich zum Beispiel eine Milchpackung an der Haustür vor, einen Erdäpfelsack neben den Rosen in Ihrem Vorgarten, eine Müslipackung unter der alten Eiche usw. Vor Ort im Supermarkt gehen Sie diesen Weg einfach gedanklich nach und Sie werden „sehen“, was Sie brauchen.

Gedächtnismeister*innen wenden diese Methode wiederholt im Training an, um ein sehr gutes Gedächtnis zu entwickeln. Die Forschung zeigt aber auch, dass nur ein wenig – rund 30 Minuten täglich über einen Zeitraum von sechs Wochen – Übung ausreicht, um eine überschaubare Liste an Gegenständen auswendig zu lernen. Isabella Wagner und ihre Kolleg*innen haben in ihrer Studie die Gehirne von Gedächtnismeister*innen mit Gehirnen von Personen verglichen, die diese Trainingsmethode zum ersten Mal eingesetzt haben. „Grundsätzlich konnten wir feststellen, dass diese Methode zu einer effizienteren Verarbeitung in Gehirnregionen geführt hat, die mit dem Gedächtnis und räumlicher Orientierung im Zusammenhang stehen“, sagt Wagner.

Ein effizientes Gehirn
Die Forscher*innen beobachteten verschiedene Gruppen von Teilnehmer*innen mit einem ähnlichen IQ. Eine dieser Gruppen bestand aus 23 Gedächtnissportler*innen, zwei andere wurden unterschiedlichen Gedächtnistrainings unterzogen und eine Kontrollgruppe erhielt keinerlei Training.

Mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie wurde die Gehirnaktivität der Teilnehmer*innen gemessen – einmal während sie Wörter auswendig lernten und sich anschließend an das Gelernte erinnerten und anschließend in der Ruhephase danach. Die Gehirne der Gedächtnissportler*innen wiesen im Vergleich zu den Kontrollgruppen eine geringere Aktivität in den betroffenen Gehirnregionen während des Auswendiglernens und des Erinnerns der Wörter auf. Das bestätigt, dass Gedächtnissportler*innen ihre Gehirne effizient und strategisch für die vorliegende Aufgabe nutzen. Wagner erläutert: „Ein Gehirn, das in Übung ist, kann mit weniger Aktivierung eine bessere Leistung erbringen“.

Dies wurde durch die Ergebnisse in den anderen Gruppen bestätigt. Je mehr Nutzen die Teilnehmer*innen aus dem Training zogen und je besser ihre Leistung beim Erinnern von Wörtern war, desto stärker verringerte sich ihre Gehirnaktivität.

Überraschenderweise spiegelte sich diese Effizienz auch in der Erinnerungsdauer der gelernten Information wider: Geübte Teilnehmer*innen konnten sich nicht nur an mehr Inhalt erinnern, sondern auch länger. Außerdem fanden Wagner und ihre Kolleg*innen heraus, dass die koordinierte Gehirnaktivität nach dem Lernprozess anstieg: „Diese Veränderung in der Konnektivität des Gehirns weist darauf hin, dass Erinnerungen nach dem Einüben gefestigt werden, wodurch diese langfristig gespeichert werden können.“

Quellenangabe: Universität Wien – Durable memories and efficient neural coding through mnemonic training using the method of loci Isabella C. Wagner, B.N. Konrad, P. Schuster, S. Weisig, D. Repantis, K. Ohla, S. Kühn, G. Fernández, A. Steiger, C. Lamm, M. Czisch, Martin Dresler. DOI: 10.1126/sciadv.abc7606

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