- Antidepressiva in Schwangerschaft: kein höheres Autismusrisiko?
- Pränatale Antidepressiva-Einnahme und Autismus-Spektrum-Störung oder Entwicklungsverzögerung
- Höheres Autismusrisiko wegen Antidepressiva in der Schwangerschaft?
- Kein höheres Risiko für Autismus und ADHS
- AD-Exposition während Schwangerschaft u. Autismusdiagnose beim Kind
- Kommentare/Erfahrungen
- Weitere News / Forschungsartikel dazu
Antidepressiva in Schwangerschaft: kein höheres Autismusrisiko?
28.11.2013 Eine neue Studie hat keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Antidepressiva (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – SSRI) in der Schwangerschaft und einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für ein autistisches Kind gefunden.
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und Autismus beim Kind
„Immer mehr Frauen bekommen Antidepressiva während sie schwanger sind – und immer mehr Kinder werden mit Autismus diagnostiziert“, sagte Jakob Christensen, Forscher an der Aarhus Universität in Dänemark.
„Deshalb fragten wir uns, ob es einen Zusammenhang gäbe.“
Er bemerkte, dass „im Gegensatz zu andereren, kleineren Studien, unsere Studie nicht demonstrieren konnte, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Kind mit Autismus durch die Einnahme von SSRI-Antidepressiva während der Schwangerschaft erhöht wird“.
Christensen und seine Kollegen untersuchten Daten von 600.000 dänischen Kindern, die zwischen 1996 und 2006 geboren wurden. Die Studie ist die größte bis heute, die eine solche mögliche Verbindung untersucht hat.
Die Befunde der Studie
Die anfänglichen Befunde zeigten ein fast 2 %-iges Risiko für ein autistisches Kind für schwangere Frauen, die Antidepressiva während ihrer Schwangerschaft einnahmen. Für Frauen, die keine Antidepressiva während der Schwangerschaft nahmen, betrug die Wahrscheinlichkeit 1,5%.
Die Forscher analysierten auch die Geschwister und die psychiatrischen Diagnosen der Eltern. Als diese in die Gleichungen mit einbezogen wurden, bestand nur noch ein geringes Risiko, laut Christensen.
„Wir wissen von früheren Studien, dass es ein gesteigertes Risiko (u. a.) für Autismus gibt, wenn die Eltern eine psychiatrische Diagnose wie Depression haben“, sagte er. „Aber wir konnten in dieser Studie nicht zeigen, dass das Risiko erhöht wird, wenn die Mutter SSRI-Antidepressiva in der Schwangerschaft erhalten hat.“
„Durch die Analyse der Daten bei den Geschwistern konnten wir feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Kind mit Autismus im Wesentlichen gleich ist, ob die Mutter nun Antidepressiva in der Schwangerschaft einnahm oder nicht“, sagte Christensen.
Die Studie wurde in der Zeitschrift Clinical Epidemiology veröffentlicht.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Aarhus Universität, Nov. 2013
Update: neue Studie (vorherige s.o.)
Pränatale Antidepressiva-Einnahme und Autismus-Spektrum-Störung oder Entwicklungsverzögerung
11.05.2014 Eine neue Johns Hopkins Studie hat einen Zusammenhang zwischen pränataler Exposition mit Antidepressiva, Autismus-Spektrum-Störung und Entwicklungsverzögerungen bei Jungen entdeckt.
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
Forscher der School of Public Health haben herausgefunden, dass früher pränataler Einsatz von selektiven Serotonin Wiederaufnahmehemmern (Selective Serotonin Reuptake Inhibitor: SSRI), die oft gegen Depression, Angst und andere psychische Störungen verschrieben werden, das Risiko für Autismus um das Dreifache steigert.
Die Studie mit 966 Mutterkindpaaren wurde in Pediatrics veröffentlicht. Autismus- und Entwicklungsverzögerungsdiagnosen wurden durch ausgebildete Kliniker und standartisierte Tests überprüft.
Die Forscher teilten die Daten in drei Gruppen ein:
- diejenigen, die mit Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert wurden,
- Teilnehmer mit Entwicklungsverzögerungen und
- jene mit normaler Entwicklung (NE).
Die Kinder waren zwei bis fünf Jahre alt und überwiegend männlichen Geschlechts:
- 82,5% in der Autismus-Gruppe waren Jungen,
- in der Gruppe mit Entwicklungsverzögerungen waren es 65,6% und
- in der NE-Gruppe waren 85,6% Jungen.
Die Studie enthielt zwar auch Mädchen, jedoch zeigt die beträchtlich stärkere Wirkung bei Jungen allein schon einen möglichen Geschlechtsunterschied hinsichtlich des Effekts pränataler SSRI-Exposition.
Größtes Autismusrisiko: im ersten Trimester
„Wir stellten fest, dass bei autistischen Jungen pränataler SSRI-Kontakt fast dreimal so oft stattgefunden hat, verglichen mit der NE-Gruppe. Das höchste Risiko bestand für Kinder, wenn die Antidepressiva während des ersten Trimesters gegeben wurden“, sagte Li-Ching Lee, Leiter der Studie.
„Selektive Serotonin Wiederaufnahmehemmer standen nicht nur im Zusammenhang mit Autismus bei Jungen, sondern auch mit Entwicklungsverzögerungen – besonders stark, wenn die Medikamente im dritten Trimester verabreicht wurden.“
„Serotonin ist für die frühe Hirnentwicklung entscheidend; also kann die Exposition während der Schwangerschaft mit allem was das Serotoninniveau beeinflusst, potentielle Auswirkungen auf Geburt und Entwicklung haben“, sagten die Forscher.
Die Risiken sollten sorgfältig gegen den Nutzen abgewogen werden, da die psychische Verfassung – also die Depression, im Falle einer Nichtbehandlung durch Antidepressiva – ebenfalls ein Risiko für Mutter und Kind darstellen kann.
Die Ergebnisse der Studie sind allerdings wegen der Schwierigkeiten, die SSRI-Effekte von jenen der Indikationen zu trennen, fehlenden Dosierungsinformationen und der relativ kleinen Stichprobe bei den Kindern mit Entwicklungsverzögerungen mit etwas Vorsicht zu betrachten.
Quelle: Johns Hopkins University, April 2014 – R. A. Harrington, L.-C. Lee, R. M. Crum, A. W. Zimmerman, I. Hertz-Picciotto. Prenatal SSRI Use and Offspring With Autism Spectrum Disorder or Developmental Delay. Pediatrics, 2014; DOI: 10.1542/peds.2013-3406 (Pränataler Einsatz von SSRI und Nachwuchs mit Autismus Spektrum Störung oder Entwicklungsverzögerungen)
Höheres Autismusrisiko wegen Antidepressiva in der Schwangerschaft?
18.12.2015 Eine in JAMA Pediatrics veröffentlichte Studie der University of Montreal analysierte die Daten von 145.456 Schwangerschaften, um einen möglichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Antidepressiva während der Schwangerschaft und dem Risiko für Autismus beim Kind zu untersuchen.
Die Forscher suchten dabei nach Frauen, die während des zweiten oder dritten Trimesters der Schwangerschaft (besonders kritische Phase der Hirnentwicklung des Kindes) Antidepressiva der 2. Generation einnahmen (sogenannte Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – SSRI).
Die Wissenschaftler fanden einen statistischen Zusammenhang: Frauen, die während des 2. oder 3. Trimesters SSRI einnahmen, hatten ein 87% erhöhtes Risiko für die Geburt eines Kindes, das später Autismus bekommen würde.
Allerdings steht das Ergebnis auf sehr wackligen Füssen: 1.054 Kinder (0,72% der Kinder in der Studie) wurden mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) im durchschnittlichen Alter von 4,5 Jahren diagnostiziert. 31 (1,2%) von den 1.054 hatten Antidepressiva, 22 SSRI erhalten. Die tatsächlichen Fälle sind insgesamt also sehr niedrig, so dass eine Erhöhung um 87% insgesamt noch immer sehr gering ist, sagten die Forscher.
Zumal man auch weiß, dass Frauen mit Depression oder anderen psychischen Erkrankungen auch ohne die Einnahme von Antidepressiva eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Nachwachs mit einer ASS haben. Auch untersuchte die Studie nicht die Schwere der Depression und stellten keinen Vergleich mit einer Kontrollgruppe an.
D.h., das erhöhte Autismusrisiko dürfte wenn, dann nur durch einen verschwindend geringen Teil durch die SSRI-Einnahme erklärt werden, sagten die Wissenschaftler.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Montreal, JAMA Pediatrics; Dez. 2015
Vor und während der Schwangerschaft: Kein erhöhtes Risiko für Autismus, ADHS
06.01.2016 Eine Analyse der Daten dreier großer Studien des Massachusetts Gesundheitswesens fand keine Belege für einen Zusammenhang zwischen der Antidepressiva-Einnahme vor der Geburt und einem erhöhten Risiko für Autismus oder Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) des Kindes.
Depression der Mutter
Die Forscher des Massachusetts General Hospital fanden dagegen Belege dafür, dass die in früheren Studien gefundenen Verbindungen mit erhöhten Zahlen von Neuerkrankungen für Autismus oder ADHS wahrscheinlich mit dem Schweregrad der Depression der Mutter zusammenhängen, – ein bekannter Risikofaktor für mehrere neuropsychiatrische Störungen – und nicht mit der Einnahme von Antidepressiva (AD) während der Schwangerschaft verbunden, sagte Studienautor Roy Perlis in der Zeitschrift Translational Psychiatry.
„Manche der Studien, die eine Verbindung nahelegten, haben nicht die wichtigsten Unterschiede zwischen Antidepressiva-einnehmenden Müttern und denen, die es nicht tun, erwogen; insbesondere nicht, dass Mütter, denen AD verschrieben werden, wahrscheinlicher unter einer schwerwiegenderen Erkrankung leiden.“
Untersuchung der Inzidenz von ADHS und Autismus
In der aktuellen Studie verglichen die Forscher die Daten von mehr als 1.200 Kindern mit einer autismusgebundenen Diagnose mit denen von mehr als 3.500 demographisch angepassten Kontrollkindern ohne psychiatrische Diagnose.
Wie in der vorherigen Studie, wurden die Informationen zu den Kindern mit den Daten der elektronischen Krankenblättern der Mütter verglichen, doch mit besonderer Aufmerksamkeit wurden auch die Faktoren einbezogen, die mit der psychischen Verfassung der Mütter verbunden waren.
Sie verglichen auch die Daten von etwa 1.700 Kindern mit ADHS mit denen von fast 3.800 Kontrollkindern.
Während die Häufigkeit der Neuerkrankungen von sowohl Autismus als auch ADHS bei den Kindern von Frauen erhöht war, die AD vor der Schwangerschaft nahmen, gab es keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme antidepressiver Medikamente während der Schwangerschaft und einer erhöhten Häufigkeit von Neuerkrankungen der beiden Störungen.
Auch Psychotherapie erhöhte das Risiko
Auch eine Psychotherapie vor der Schwangerschaft – die wie eine Einnahme von AD auf eine schwerere Depression hinweist – erhöhte das Risiko für Autismus oder ADHS deutlich.
Dies unterstützt die Annahme, dass die Hinweise auf einer erhöhte Häufigkeit der Neuerkrankungen tatsächlich nur das Risiko durch die mütterliche Depression selbst reflektieren.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Massachusetts General Hospital, Translational Psychiatry; Jan. 2016
AD-Exposition während Schwangerschaft u. Autismusdiagnose beim Kind
23.07.2017 Eine weitere Studie untersuchte das Autismusrisiko für das Kind, wenn der Mutter in der Schwangerschaft ein Antidepressivum verschrieben worden war.
Mehrere Studien haben bislang über keine bis nur sehr schwache Verbindungen zwischen der pränatalen Antidepressiva-Einnahme und Autismus beim Nachwuchs berichtet.
Wissenschaftler unter der Leitung von Dheeraj Rai von der Universität Bristol analysierten die Daten von 254.610 Personen im Alter von 4-17 Jahren, darunter 5.378 mit Autismus, die in Stockholm von 2001-11 lebten. Verglichen wurden dann
- die Mütter, die keine Antidepressiva (AD) erhielten und keine psychiatrische Störung hatten;
- Mütter, die AD während der Schwangerschaft einnahmen und
- Mütter mit psychiatrischen Erkrankungen, die während der Schwangerschaft keine AD erhielten.
Von den 3.342 Kindern, die während der Schwangerschaft AD ausgesetzt waren, hatten 4,1% (136) eine Autismusdiagnose im Vergleich zu 2,9% (353) unter den 12.325 Kindern ohne Antidepressiva-Exposition, deren Mütter mit einer psychischen Störung diagnostiziert worden waren.
Es gab keinen Zusammenhang mit Autismus mit einer intellektuellen Behinderung.
Es gab keine Hinweise auf ein erhöhtes Autismusrisiko bei Kindern, deren Väter AD während der Schwangerschaft der Mütter verschrieben bekamen.
Kleines absolutes Risiko
Das absolute Risiko erwies sich als klein (über 95% der Frauen in der Studie, die AD während der Schwangerschaft einnahmen, hatten kein Kind mit Autismus), betonen die Autoren.
Und selbst wenn der Zusammenhang zwischen Antidepressivum und Autismus kausal wäre (die Studie konnte allerdings keine kausale Verbindung zeigen), hätten nur 2% der Fälle verhindert werden können, wenn keine der Frauen mit psychiatrischen Erkrankungen Antidepressiva während der Schwangerschaft eingenommen hätten, schreiben die Forscher im Fachblatt BMJ.
Die Nicht-Einnahme von AD hätte dann womöglich ein erhöhtes Risiko für andere negative Folgen haben können.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Bristol, BMJ; Juli 2017
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