Die Störung der Funktion des Dopamin-D2/D3-Systems beeinträchtigt die Fähigkeit des Menschen, die mentalen Zustände anderer Menschen zu verstehen
19.06.2024 In einer neuen Studie wurde erstmals ein Zusammenhang zwischen dem Neurotransmitter Dopamin und der Mentalisierungsfähigkeit gesunder Menschen festgestellt.
Mentalisieren beschreibt den Vorgang, mentale Zustände (wie Gedanken, Gefühle oder Absichten) bei anderen Menschen und bei sich selbst zuzuordnen und zu verstehen. Forscher der Universität Birmingham konnten nachweisen, dass sich eine Veränderung des Dopaminspiegels im Gehirn von Menschen auf ihre Mentalisierungsfähigkeiten auswirkt. Ihre Ergebnisse wurden in PLOS Biology veröffentlicht.
Dopamin ist ein Neurotransmitter, ein chemischer Botenstoff im Gehirn, der für seine Rolle bei Freude, Motivation und Lernen bekannt ist. Darüber hinaus wissen die Forscher, dass ein niedriger Dopaminspiegel in den Bereichen des Gehirns, die die Bewegung steuern, die Hauptsymptome von Krankheiten wie der Parkinson-Krankheit begünstigt.
Gleichzeitig werden auch soziokognitive Probleme wie Schwierigkeiten bei der Erkennung von Emotionen oder beim Mentalisieren mit der Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht – ein eindeutiger Zusammenhang zwischen diesen Problemen und einem Dopamin-Ungleichgewicht ist jedoch noch nicht hergestellt worden.
Tatsächlich wurden Schwierigkeiten bei der ‚theory of mind‘ häufiger mit psychosozialen Veränderungen wie Isolation und sozialem Rückzug in Verbindung gebracht, die ein häufiges Merkmal von Dopamin-bezogenen Störungen sind.
Die Hauptautorin der Studie Dr. Bianca Schuster von der Fakultät für Psychologie der Universität Birmingham sagte: „Die mentalen Fähigkeiten von Menschen mit Parkinson stehen zwar nicht im Mittelpunkt der Behandlung, aber sie haben dennoch einen großen Einfluss auf die Betroffenen. Ein besseres Verständnis dafür, wie sich ein Dopamin-Ungleichgewicht auf die Mentalisierungsprozesse im Gehirn auswirkt, könnte daher für die Betroffenen von großer Bedeutung sein, ebenso wie ein besseres Verständnis der sekundären Wirkungen der Medikamente, die zur Behandlung von Parkinson und anderen Erkrankungen verschrieben werden“.
Experiment: Hemmung der Dopaminrezeptoren im Gehirn
In der Studie arbeiteten die Forscher mit einer Kohorte von 33 gesunden Freiwilligen. Sie verwendeten ein doppelblindes, placebokontrolliertes Experiment, bei dem den Teilnehmern Haloperidol verabreicht wurde, ein Medikament, das Dopaminrezeptoren im Gehirn blockiert. Die Probanden nahmen an zwei verschiedenen Tagen an derselben Versuchsreihe teil, wobei sie an einem der Tage das Medikament und am anderen Tag ein Placebo erhielten.
Die Teilnehmer sollten eine Animationsaufgabe lösen, bei der ihnen kurze Videos von Dreiecken gezeigt wurden, die miteinander „interagierten“. Sie sollten die Videos interpretieren, indem sie die Bezeichnung wählten, die ihrer Meinung nach die laufende Szene am besten beschreibt. In einem separaten Experiment untersuchten die Forscher auch die Fähigkeit der Teilnehmer, Emotionen zu beurteilen, die durch Ganzkörper-Punktlichtanzeigen dargestellt wurden (Videos von Schauspielern, bei denen nur die Gelenkbewegungen sichtbar sind).
Die Forscher fanden heraus, dass die Teilnehmer nach der Einnahme von Haloperidol deutlich weniger in der Lage waren, den in den Animationen dargestellten Interaktionen mentale Zustände zuzuordnen. Dies stand im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Medikaments auf die Erkennung von Emotionen.
„Die wichtigste Schlussfolgerung unserer Arbeit ist, dass das Dopamin-Ungleichgewicht bei Störungen mit Dopamin-Funktionsstörungen nicht nur die primären Symptome hervorruft, die mit diesen Störungen verbunden sind (z. B. motorische Symptome bei der Parkinson-Krankheit), sondern auch die soziokognitiven Fähigkeiten der Betroffenen beeinflusst“, fügte Schuster hinzu. „Diese Arbeit könnte sich auf die künftige Behandlung der Parkinson-Krankheit auswirken, aber auch darauf, wie wir Medikamente einsetzen, die die Wirkung von Dopamin im Gehirn beeinflussen.“
© Psylex.de – Quellenangabe: PLOS Biology, 2024; 22 (6): e3002652 DOI: 10.1371/journal.pbio.3002652