Blickkontakt, Augenkontakt zum Baby, Säugling

Blickkontakt, Augenkontakt
zum Baby, Säugling

Allgemeine Psychologie

Blickkontakt zwischen Eltern und Baby synchronisiert deren Gehirnwellen

04.12.2017 Der Blickkontakt mit einem Säugling führt dazu, dass die Gehirnwellen von Erwachsenen und Babys sich „synchronisieren“ – was wahrscheinlich die Kommunikation und das Lernen unterstützt -, so berichtet eine aktuelle im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences publizierte Studie.

Synchronisation der Hirnfrequenzen

Wenn Eltern und Kleinkinder miteinander interagieren, können sich verschiedene Aspekte ihres Verhaltens synchronisieren, einschließlich ihres Blicks, ihrer Emotionen und ihres Herzschlags, aber es ist wenig darüber bekannt, ob ihre Gehirnaktivität auch synchronisiert wird – und welche Folgen dies haben könnte.

Hirnwellen spiegeln die Aktivität von Millionen von Neuronen auf Gruppenebene wider und sind an der Informationsübertragung zwischen Hirnregionen beteiligt. Frühere Studien haben gezeigt, dass, wenn zwei Erwachsene miteinander reden, die Kommunikation besser funktioniert, wenn ihre Gehirnwellen synchron sind.

Forscher des Baby-LINC-Labors der Universität Cambridge untersuchten in einer Studie, ob Säuglinge ihre Gehirnwellen auch mit Erwachsenen synchronisieren können – und ob Augenkontakt dies beeinflussen könnte.

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Bild: Dimitris Vetsikas

Untersuchung der Hirnstrommuster

Das Team untersuchte die Hirnstrommuster von 36 Säuglingen (17 im ersten Experiment und 19 im zweiten Experiment) mit Hilfe der Elektroenzephalographie (EEG), die Muster der elektrischen Hirnaktivität über Elektroden über eine von den Teilnehmern getragenen Schädelhaube misst. Sie verglichen die Hirnaktivität der Säuglinge mit der des Erwachsenen, der Kinderreime für den Säugling sang.

Im ersten von zwei Experimenten sah das Baby ein Video von einer erwachsenen Person, die Kinderreime sang. Zuerst schaute die erwachsene Person, deren Hirnstrommuster bereits aufgezeichnet worden war, direkt den Säugling an. Dann drehte sie ihren Kopf, und brach den Blickkontakt ab, während sie noch die Kinderreime sang. Zuletzt drehte sie ihren Kopf weg, aber ihre Augen blickten weiter direkt das Kind an.

Stärkere Angleichung der Hirnfrequenzen beim wechselseitigen Blick in die Augen

Wie erwartet, stellten die Forscher fest, dass die Gehirnwellen der Säuglinge stärker mit denen der Erwachsenen synchronisiert waren, wenn Blickkontakt bestand, im Vergleich dazu, wenn kein Augenkontakt bestand.

Interessanterweise trat der größte Synchronisationseffekt auf, wenn der Kopf des Erwachsenen weggedreht wurde, aber dessen Augen immer noch direkt das Kind anblickten. Die Forscher sagen, dass dies möglicherweise daran liegt, dass ein solcher Blick sehr bewusst wirkt und so dem Säugling ein stärkeres Signal gibt, dass der Erwachsene beabsichtigt, mit ihm zu kommunizieren.

Synchronisation wirkt in beide Richtungen

Im zweiten Experiment ersetzte eine reale erwachsene Person das Video. Sie schaute entweder direkt das Kind an oder wandte ihren Blick ab, während sie Kinderreime sang. Diesmal konnten ihre Gehirnwellen jedoch live überwacht werden, um zu sehen, ob ihre Gehirnwellenmuster durch die des Säuglings als auch umgekehrt beeinflusst wurden.

Diesmal waren sowohl Säuglinge als auch Erwachsene stärker auf die Hirnaktivität des jeweils anderen synchronisiert, während der gegenseitige Augenkontakt hergestellt wurde.

Und dies, obwohl der Erwachsene den Säugling jederzeit sehen konnte, und die Säuglinge gleichermaßen daran interessiert waren, die Erwachsenen anzusehen, auch wenn diese wegschauten.

Dies zeige, dass die Hirnwellen-Angleichung nicht nur darauf zurückzuführen ist, ein Gesicht oder etwas Interessantes zu sehen, sondern auch darauf, dass man die Absicht zu kommunizieren teilt.

Kommunikationsbereitschaft

Um die Kommunikationsbereitschaft der Säuglinge zu messen, hatten die Forscher erfasst, wieviele ‚Vokalisationen‘ die Säuglinge an den Experimentator richteten. Wie vorhergesagt, unternahmen die Säuglinge größere Anstrengungen, um zu kommunizieren – indem sie mehr Laute von sich gaben – wenn der Erwachsene direkten Augenkontakt aufnahm; und einzelne Säuglinge, die längere Laute machten, hatten auch eine höhere Gehirnwellen-Synchronität mit dem Erwachsenen.

Studienautorin Dr. Victoria Leong sagte: „Wenn Erwachsene und Kleinkinder einander ansehen, signalisieren sie ihre Bereitschaft und Absicht, miteinander zu kommunizieren. Wir fanden heraus, dass sowohl das Gehirn von Erwachsenen als auch das Gehirn von Kleinkindern auf ein Blicksignal reagieren, wenn sie mehr mit ihrem Partner im Einklang sind“.

Vorbereitung auf Kommunikation und Lernen

Dieser Mechanismus könnte Eltern und Babys auf die Kommunikation vorbereiten, indem er synchronisiert, wann sie sprechen und wann sie zuhören sollten, was das Lernen effektiver machen würde.

Koautor Dr. Sam Wass sagte, dass noch nicht bekannt sei, was diese synchrone Hirnaktivität verursacht. Die Studie behauptet jedoch sicher nicht, Telepathie entdeckt zu haben! In dieser Studie haben die Wissenschaftler untersucht, ob Säuglinge ihr Gehirn mit jemand anderem synchronisieren können, so wie Erwachsene es können. Und wir haben auch versucht herauszufinden, was die Synchronität hervorruft.

Und die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Blickkontakt und Vokalisierungen eine Rolle spielen können. Aber die Gehirnsynchronität, die beobachtet wurde, war auf so hohen Zeitskalen – von drei bis neun Schwingungen pro Sekunde -, dass sie immer noch herausfinden müssen, wie genau Augenkontakt und Vokalisationen diese erzeugen.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Cambridge; Proceedings of the National Academy of Sciences – DOI: 10.1073/pnas.1702493114; Dez. 2017

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