Blickkontakt, Augenkontakt (Psychologie, Psyche)
Allgemeine Psychologie – Sozialpsychologie
- Der durchschnittliche Augenkontakt dauert 3,3 Sekunden, bevor es unangenehm wird
- Die neuropsychologischen Effekte des direkten Blickkontakts
- Warum es beim Sprechen schwerfällt, Blickkontakt zu halten
- Kontakt liegt im Auge des Betrachters: Forscher entdecken die Blickkontakt-Illusion.
- Der Blick in die Augen des Babys
- Psychologie des Augenblinzeln
- Weitere News- / Forschungsartikel dazu
Der durchschnittliche Augenkontakt dauert 3,3 Sekunden, bevor es unangenehm wird
07.07.2016 Eine in der Zeitschrift Royal Society Open Science veröffentlichte Studie des University College London berichtet über eine recht kurze Zeitspanne, über die Menschen in nicht-romantischen Beziehungen Augenkontakt halten.
Form der Kommunikation
Die meisten Tiere benutzen den Augenkontakt als eine Form der Kommunikation, also als Augensprache. Viele benutzen den Blickkontakt als ein Signal der Drohung oder des Interesses.
Bild: Tobias Dahlberg
Bei Menschen dient der Augenkontakt klar als ein Mittel der Kommunikation, bemerkten die Forscher, auch wenn es nicht sehr viele Forschungsarbeiten zu dem Thema gibt. Es kann auch für die Diagnose benutzt werden, etwa um psychische Störungen wie Schizophrenie oder Autismus zu diagnostizieren.
Zeitliche Dauer
In der aktuellen Forschung versuchten die Wissenschaftler etwas über die bevorzugte Dauer des Augenkontakts herauszufinden (engl.: preferred gaze duration, PGD) – die Zeitdauer, die Menschen für angemessen halten, einem anderen in die Augen zu schauen. Kürzerer oder längerer Augenkontakt sorgt für Unbehagen oder Verwirrung, schreiben die Forscher.
Dazu ließen sie 498 Besucher des Londoner Wissenschaftsmuseums einen einfachen und relativ kurzen Test machen: Die Probanden saßen an einem Gerät mit einem ruhig abgelegten Kinn (um Kopfbewegungen zu verhindern) und guckten auf einen Bildschirm. Auf dem Schirm wurden Schauspieler gezeigt, die sie anblickten.
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In den Videos starrten die Schauspieler in die Augen der Freiwilligen für unterschiedlich lange Zeiten, und die Freiwilligen wurden gebeten, einen roten Knopf zu drücken, wenn ihnen der Blick unbehaglich wurde. Während die Freiwilligen die Schauspieler auf dem Bildschirm beobachteten, wurden ihre Gesichter aufgenommen, und ihre Augenbewegungen wurden verfolgt; ebenso das Ausmaß der Pupillendilatation (Weitung der Pupillen).
3,3 Sekunden
Bei der Analyse der Videos und der Daten fanden die Forscher, dass die durchschnittliche zeitliche Augenkontaktlänge 3,3 Sekunden betrug, obwohl es einige extreme Abweichungen gab.
Interessanterweise war die Blickdauer unabhängig von grundlegenden Merkmalen wie Geschlecht, Persönlichkeitsmerkmalen oder Attraktivität.
Pupillendilatation
Außerdem zeigten diejenigen, die generell einen längeren Augenkontakt suchten, eine schnellere Weitung der Pupille im Vergleich zu denjenigen, die es vorzogen, nicht so lange in die Augen zu schauen.
Allerdings war die Dilatation subtil und für einen beiläufigen Beobachter nicht bemerkbar – die Forscher konnten die Erweiterung erst in der Zeitlupe beobachten.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University College London, Royal Society Open Science – DOI: 10.1098/rsos.160086; Juli 2016
Die neuropsychologischen Effekte des direkten Blickkontakts
22.09.2016 Der Blickkontakt ist ein starkes soziales Signal. Der direkte Blick einer anderen Person vergrößert nicht nur die physiologische Erregung, sondern kann auch verschiedene unterschiedliche Auswirkungen auf Kognition und Verhalten bewirken.
Eine neue im Fachblatt Consciousness and Cognition veröffentlichte Studie der Universität Paris-Nanterre hat nun gezeigt, dass der direkte Blick einer anderen Person,
- das Bewusstsein für sich selbst erhöhen,
- das Gedächtnis für kontextuell präsentierte Informationen verbessern,
- die Wahrscheinlichkeit eines prosozialen Verhaltens erhöhen kann und
- den Blickenden positiver erscheinen lässt.
Aber warum hat ein direkter Blick solche verschiedenen Auswirkungen?
In der neuen Studie aus Frankreich und Finnland nehmen die Forscher an, dass all diese Effekte tatsächlich mit der selbstbezogenen Macht des Augenkontakts verbunden sind.
Lenkung der Aufmerksamkeit „nach innen“
Die Wahrnehmung des direkten Blicks eines anderen Menschen zieht die Aufmerksamkeit des Beobachters auf das Gesicht des anderen. Dann jedoch lenkt es die Aufmerksamkeit des Beobachters „nach innen“ – auf sich selbst. Infolgedessen interpretiert der Beobachter eingehende Informationen in Bezug auf sich selbst, benutzt sein Selbstkonzept als Hintergrund, um die Information zu verarbeiten.
Der direkte Blick hat die Macht, die Erfahrung zu verstärken, dass die Information in der aktuellen Situation stark mit der eigenen Person verbunden ist. Stimuli in Bezug auf sich selbst verarbeitend, treten als verbindender ‚Klebstoff‘ für die Wahrnehmung, das Gedächtnis und die Entscheidungsfindung auf.
Dies verändert automatisch die aktuelle Informationsverarbeitung und die damit verbundenen Entscheidungen, was z.B. die Gedächtnisleistung verbessert, sagte Professor Laurence Conty vom Fachbereich für Psychologie.
Auswirkung auf soziales, altruistisches Verhalten
Eine andere interessante Wirkung besteht darin, dass die Menschen andere Leute mehr berücksichtigen und sich ehrlicher in dessen Gegenwart verhalten, wenn sie direkt angeschaut werden. Dies treffe selbst dann zu, wenn die Augen nur auf einem Poster abgedruckt sind, sagte die Psychologin Prof. Nathalie George.
Das komme daher, weil die Selbstbeteiligung an der Informationsverarbeitung auch die Besorgnis verstärkt, das Ziel der sozialen Bewertung durch andere zu sein, und als Konsequenz, auch Sorgen zur eigenen Reputation hervorruft.
Diese Sorgen führen zu einem prosozialerem, altruistischerem Verhalten, sagte sie.
Intrinische Eigenschaft des direkten Blicks
Bemerkenswerterweise können diese Auswirkungen des Augenkontakts im Anschluss an die Präsentation von Bildern mit darauf abgebildeten Augen vorkommen. Dies liegt daran, dass die visuelle Wahrnehmung des direkten Blicks stark mit dem Glauben verknüpft ist, der Gegenstand der Aufmerksamkeit eines Anderen zu sein.
Der Glaube, von einer anderen Person beobachtet zu werden, ist in der Wahrnehmung des direkten Blicks eingebettet, sagte Koautor Jari Hietanen, Professor für Psychologie. Solch ein Glaube ist zur intrinischen Eigenschaft des direkten Blicks geworden, was sowohl auf der menschlichen Evolution als auch auf dem Überlernen (fortgesetztes Üben trotz Erreichen des Lernzieles) während des frühen Lebens basiert, erklärte der Professor von der Universität Tampere in Finnland.
Die Forscher nehmen auch an: Weil die Effekte des Augenkontakts auf die menschliche Kognition im Allgemeinen positiv zu sein scheinen, dass Augenkontakt therapeutisches Potenzial haben könnte. Dies sollte in zukünftigen Forschungen untersucht werden.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Paris 10, Consciousness and Cognition – DOI: 10.1016/j.concog.2016.08.016; Sept. 2016
Warum es beim Sprechen schwerfällt, Blickkontakt zu halten
28.12.2016 Ein neue in Cognition veröfftentlichte Studie hat eine mögliche Erklärung dafür gefunden, warum es in einem persönlichen Gespräch schwerfällt, dem Gesprächspartner in die Augen zu schauen.
Abbruch des Augenkontakts
Bild: George Hodan
Nahezu jedem wird es wohl schon aufgefallen sein, dass es während des Sprechens schwierig wird, den Augenkontakt beizubehalten – manchmal wird der Drang wegzuschauen übermächtig.
In einigen Fällen scheint die Erklärung dafür klar zu sein, z.B. wenn es peinlich wird, oder um zu signalisieren, dass die Konversation langweilig ist, aber zuweilen liegt es daran – so sagen die Forscher – dass wir unser Gehirn vor einer Überlastung bewahren wollen.
Wortfindungsaufgabe
Um besser zu verstehen, was im Gehirn während eines Gespräches vor sich geht, ließen die Forscher 26 Freiwillige an einem Wortassoziationsspiel teilnehmen, bei dem die Teilnehmer auf präsentierte (unterschiedlich schwierige) Substantive mit einem Verb antworten sollten (z.B. auf ‚Ball‘ konnte mit ‚werfen‘ geantwortet werden).
Im Experiment interagierten die Teilnehmer mit einem Gesicht auf einem Computerbildschirm (das manchmal wegsah).
Die Psychologen von der Kyoto Universität verglichen
- die Antworten auf die Wörter,
- wie lange die Freiwilligen brauchten, um zu antworten, und
- ihre Tendenz, den Augenkontakt abzubrechen.
Es zeigte sich, dass die Teilnehmer mehr Zeit benötigten, wenn sie auf schwerere Wörter (z.B. ‚Himmel‘) Antworten finden sollten. Wurde der Blickkontakt jedoch abgebrochen, brauchten sie nicht so viel Zeit für die Antworten.
Schutz vor Überbelastung des Gehirns
Die Befunde legen also nahe, so die Psychologen Shogo Kajimura und Michio Nomura, dass die doppelte Aufgabe – Augenkontakt (und die innewohnende intime Verbindung, die damit verknüpft ist) aufrechterhalten, während das Gehirn nach einem passenden Wort für die Aufgabe sucht – ist einfach zu anstrengend.
Deshalb sorgt das Gehirn für einen Abbruch des Augenkontakts, so dass es sich ausschließlich auf die Wortfindung zu konzentrieren braucht.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Kyoto Universität, Cognition – DOI: 10.1016/j.cognition.2016.10.002; Dez. 2016
Kontakt liegt im Auge des Betrachters: Forscher entdecken die Blickkontakt-Illusion
10.02.2019 Erinnern Sie sich an den magischen Moment, als Sie zum ersten Mal die innigen Blickkontakt mit ihrem Partner hatten und eine sofortige Verbindung spürten?
Mit großer Wahrscheinlichkeit haben sich die Augen auf Ihren Mund gerichtet. Oder Ihr Ohr.
Blickkontakt-Illusion
Laut einer in Perception publizierten psychologischen Studie könnte dieser Augenkontakt nur in unseren Köpfen stattfinden und eine „Blickkontakt-Illusion“ sein.
Mit Hilfe von Eyetracking-Technologie haben Psychologen gezeigt, dass Menschen nicht unbedingt in die Augen ihres Gegenübers schauen müssen, damit dies im persönlichen Gespräch als Augenkontakt wahrgenommen wird. Es genügt, mit den Augen einfach irgendwo ins Gesicht zu blicken oder auch das Ohr anzuschauen.
Frohe Botschaft für Personen mit sozialen Ängsten
Shane Rogers von der Edith Cowan Universität sagt, dass Menschen mit sozialen Ängsten also nicht speziell in die Augen einer anderen Person blicken müssen, damit ein Kontakt zustandekommen kann.
Die Aufrechterhaltung eines starken Augenkontaktes gilt weithin als wichtige Kommunikationsfähigkeit in westlichen Kulturen, sagte Rogers.
Negative Bewertung bei fehlendem Augenkontakt
Die Leute glauben, wenn man nicht bereit ist, einen gegenseitigen Blickkontakt „von Seele zu Seele“ einzugehen, dann fehlt es einem bestenfalls an Selbstvertrauen, im schlimmsten Fall an mangelnder Glaubwürdigkeit.
Die Ehrfurcht vor diesem Augenkontakt wird jedoch nicht durch wissenschaftliche Belege gestützt, sagte er. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Blick auf den Mund und den in die Augen, zeigen die Befunde.
In den Experimenten sahen die Forscher in Gesprächen mit den Studienteilnehmern diesen die Hälfte der Zeit in die Augen und für die andere Hälfte blickten sie überwiegend auf den Mund. Nach den Gesprächen bewerteten die Teilnehmer, wie sehr ihnen die Gespräche gefallen hatten.
Der Blick ins Gesicht ist ausreichend
Die Mundgruppe nahm die gleiche Menge an Augenkontakt wahr und genoss die Gespräche genauso sehr wie die Augengruppe, sagte Rogers.
Menschen sind nicht sehr kompetent darin, den spezifischen Blickfokus ihres Partners auf ihr Gesicht wahrzunehmen, sondern nehmen den direkten Blick auf ihr Gesicht als Blickkontakt wahr, sagte er.
Man muss also nicht die Augen des Gegenübers suchen; es reicht einfach generell in dessen Gesicht zu schauen und man kann die Augenkontakt-Illusion, die das Gegenüber wahrnimmt, die Arbeit für einen erledigen lassen, schloss der Wissenschaftler.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: Perception – https://dx.doi.org/10.1177/0301006619827486
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