Die Wärme unserer Reue: Kontrolle von Schamgefühlen durch Regulation der Körpertemperatur
05.10.2016 Haben Sie sich jemals sehr geschämt, sich verlegen oder schuldig gefühlt? Das kann ein unangenehmes Gefühl sein.
Eine neue in Journal of Consumer Psychology veröffentlichte Studie der University of Western Ontario zeigt, dass das Trinken von kaltem Wasser oder mit Eis gekühltem Tee diese unangenehme Emotion verringern kann.
Verbindung zwischen Psyche und Physis
Frühere Studien konnten bereits Zusammenhänge zwischen psychischen und physischen Zuständen belegen; das Gefühl der Zurückweisung kann z.B. die Wahrnehmung eines Kältegefühls hervorrufen.
Die aktuelle Studie wollte herausfinden, ob Scham, Bedauern und Schuld mit einer bestimmten Reaktion im Körper verbunden sind, und ob dies einen Einfluss darauf hat, was jemand als nächstes trinkt.
Action regret und inaction regret
Bild: John Hain
In einem Experiment wurden die Teilnehmer in eine Situation zurückversetzt, in der sie bedauerten, was sie getan hatten (action regret: übersetzt etwa ‚Handlungsreue‘), z.B. einen bösen Brief geschrieben zu haben.
Eine andere Gruppe Teilnehmer erinnerte sich dagegen an etwas, bei dem sie etwas bedauerten, weil sie es nicht taten (inaction regret: übersetzt etwa ‚Untätigkeitsreue‘), z.B. nicht nach einem höheren Bildungsabschluss gestrebt zu haben. Dann gaben die Teilnehmer beider Gruppen Auskunft über ihre Emotionen, die sie beim Erinnern empfanden.
Action regret (Handlungsreue) führte zu stärker wahrgenommenen Emotionen von Scham, Verlegenheit, Schuld und Gewissensbissen, sagte Studienautor Jeff Rotman vom Fachbereich für Psychologie. „Diese Emotionen sind mit dem Erröten verbunden (‚Schamesröte‘), das zusammen mit einem Wärmegefühl auftritt.“
Scham löst Wärmegefühl aus
Nach der Phase des Erinnerns boten die Wissenschaftler den Teilnehmern unterschiedlich warme und kalte Getränke an, wie heißen Kakao oder Kaffee – oder eisgekühlten Milchkaffee, Eis oder kalte Erfrischungsgetränke.
Teilnehmer, die Scham und Unbehaglichkeit fühlten, wählten mit größerer Wahrscheinlichkeit die kälteren Getränke (um sich abzukühlen).
Die Psychologen wollten nun herausfinden, ob die Teilnehmer weniger Bedauern fühlen würden, wenn sie sich abkühlten.
Weniger Bedauern durch Abkühlung?
Um diese Annahme zu prüfen, ließen sie die Teilnehmer hypothetisch in Aktien investieren. Der Aktienwert nahm für einige Teilnehmer zu, für andere aber ab. Später wurden den Teilnehmern Anzeigen für eine karibische Vergnügungskreuzfahrt im Sommer oder eine arktische Alaska-Kreuzfahrt präsentiert.
Tatsächlich fühlten die Teilnehmer weniger Bedauern über schlechte Aktienentscheidungen nach dem Betrachten der Alaska-Bilder.
Emotionen und Temperatur
Dies belegt, dass Emotionen und Temperatur eng miteinander verbunden sind, und wir können dieses Wissen potenziell zur Emotionsregulation verwenden, sagte der Psychologe.
Wenn man Reue oder Scham fühlt, wird man eher ein Glas kaltes Wasser wollen, das einem helfen kann, ein wenig weniger Scham zu empfinden. Wenn man sich an einem warmen Ort aufhält und etwas tut, dessen man sich schämt, so könnte sich das Schamgefühl in einem stärkeren Ausmaß entwickeln als an einem kälteren Ort, erklärte er.
Die Befunde könnten auch Auswirkungen auf die Marketingpsychologie von Unternehmen haben: Teure Produkte, die Schamgefühle auslösen könnten, sollten möglicherweise in einer kälteren Umgebung verkauft werden, um das Bedauern beim Kunden gering zu halten, sagte der Sozialpsychologe.
Kunden, die ein unterkühltes hochpreisiges Geschäft betreten, täten gut, sich an diesen Artikel zu erinnern.
© PSYLEX.de – Quellenangabe: University of Western Ontario, Journal of Consumer Psychology; Okt. 2016
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