Musikalische Anhedonie

Menschen, die nicht emotional von Musik bewegt werden, haben eine geringere Konnektivität zwischen bestimmten Gehirnregionen

12.11.2016 Forscher aus Spanien und Kanada konnten zeigen, dass Personen, die nicht durch Musik emotional bewegt werden – also eine musikalische Anhedonie aufweisen, eine geringere Konnektivität zwischen Gebieten im Gehirn zeigen, die für die Verarbeitung von Tönen und der Steuerung der Emotionen beteiligt sind laut einer im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Studie.

Mangelnde Kommunikation zwischen Gehirnregionen?

Wissenschaftler wissen schon seit längerem, dass es einige Menschen – kulturübergreifend – gibt, die einfach nicht emotional auf Musik – egal welche Musik – reagieren. Während einige annahmen, dass es wahrscheinlich an der reduzierten Kommunikation im Gehirn zwischen den Bereichen liegt, die für die Verarbeitung von Musik und denen, die eine Reaktion darauf generieren, hat bis heute niemand diese Annahme überprüft.

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Bild: Gerd Altmann

Noelia Martínez-Molina vom Fachbereich für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie der Universität Barcelona, Ernest Mas-Herrero vom Neurologischen Institut von Montreal der McGill Universität und Kollegen taten dies nun.

Blick in das Gehirn

Um besser verstehen zu können, was in den Gehirnen von Menschen mit musikalischer Anhedonie vorgeht, untersuchten sie 15 Personen, die beim Hören von Musik nichts empfinden. Deren Gehirne wurden mit Hilfe von fMRT gescannt, während sie Musikstücken zuhörten.

Um einen Vergleich zu schaffen, untersuchten sie auch 30 weitere Freiwillige, die Musik emotional genießen konnten: 15, die glaubten, sie würden auf Musik normal reagieren und 15 Personen, die annahmen, dass sie emotional überdurchschnittlich stark auf ihre Lieblinsmusik reagierten. Auch die Gehirne dieser beiden Gruppen wurden gescannt, während sie ihre Lieblingsmusik hörten.

Geringere Aktivität im Nucleus accumbens, Belohnungssystem

Beim Vergleich der Scans fanden die Psychologen, dass bei den musikalisch anhedonischen Teilnehmern – die also keinen Genuß beim Musikhören empfanden – weniger Blut in dem Teil des Gehirns, dem Nucleus accumbens, floss (es also eine geringere Aktivität gab), das an Belohnungsprozessen beteiligt ist, als bei den anderen beiden Gruppen.

Doch die Reaktionen der Teilnehmer aller drei Gruppen waren bei sonstigen Aktivitäten – die Freude / Vergnügen hervorriefen – fast identisch. Das zeigt, dass ein Mangel an Musikgenuss nicht bedeutet, dass es einen Unterschied im Belohnungssystem des Gehirns gibt.

Unterschied in der Kommunikation

Die Psychologen bemerkten auch, dass es einen klaren Unterschied in der Kommunikation zwischen den auditiv-verarbeitenden Teilen des Gehirns und des Belohnungssystems zwischen den Gruppen gab.

Die musikalisch Anhedonen demonstrierten eine verminderte funktionelle Verbindung zwischen dem rechten auditorischen Kortex und dem ventralen Striatum (einschließlich Nucleus accumbens). Im Gegensatz dazu zeigten Personen mit einer überdurchschnittlich starken Reaktion auf Musik eine verbesserte Konnektivität zwischen diesen Strukturen.

Doch ist noch nicht klar, ob die musikalische Anhedonie durch die Verringerung der Gehirnkonnektivität verursacht wird – oder umkehrt.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Universität Barcelona, McGill Universität, Proceedings of the National Academy of Sciences – DOI: 10.1073/pnas.1611211113; Nov. 2016

Musik-Anhedonie: Gehirnstruktur gibt individuelle Unterschiede bei der Musiksensitivität wieder

01.07.2019 Die Struktur der weißen Substanz im Gehirn spiegelt die Musikempfindlichkeit und Musikandedonie wider laut einer im Journal of Neuroscience veröffentlichten Studie.

Beziehung zwischen Musik-Belohnungsempfänglichkeit und Struktur der weißen Substanz

Noelia Martínez-Molina vom Fachbereich Psychologie der Universität Barcelona und Kollegen zeigten anhand bildgebender Verfahren der Gehirne von Teilnehmern bei denen die Beziehung zwischen Musik-Belohnungsempfänglichkeit und Mikrostruktur der weißen Substanz in Experimenten und Tests untersucht wurde, dass die Konnektivität der weißen Substanz – das Gewebe, durch das die verschiedenen Bereiche im zentralen Nervensystem kommunizieren – wesentlich für das Verständnis ist, warum wir Musik mögen oder nicht mögen bzw. warum es so etwas wie eine musikalische Anhedonie (Nicht-Genießenkönnen von Musik) gibt.

Außerdem zeigen die Befunde, dass die Belohnungsstrukturen des Gehirns mit den Wahrnehmungsstrukturen zusammenarbeiten müssen, damit Menschen Musik genießen können.

Die miteinander verknüpften Hirnregionen

Die musikalische Sensibilität hängt mit Strukturen der weißen Substanz zusammen, die einerseits den supratemporalen auditorischen Cortex mit dem orbitofrontalen Cortex und andererseits den orbitofrontalen Cortex mit dem ventralen Striatum verbinden.

Die Studie der spezifischen musikalischen Anhedonie ergab also, dass individuelle Unterschiede in Bezug auf musikalische Belohnungen mit der funktionellen Konnektivität (unterschiedliche Muster der neuronalen Aktivierung in verschiedenen Gehirnregionen) im auditorischen Cortex, insbesondere im supratemporalen auditorischen Cortex, und einem Schlüsselbereich im Belohnungsprozess, dem ventralen Striatum, zusammenhängen.

So ist die musikalische Sensibilität – und damit auch die Anhedonie – von der Arbeit dieser beiden Bereiche zusammen abhängig.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: The Journal of Neuroscience – DOI: 10.1523/JNEUROSCI.2020-18.2019

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