Filmbösewichte: Zur Psychologie der Schurken im Film

Film-Bösewichte: Zur Psychologie der Schurken im Film

Medienpsychologie – Film-/TV-Psychologie

Von Voldemort bis Vader – fiktive Schurken in Film und Fernsehen können uns zu dunkleren Versionen von uns selbst führen

03.05.2020 Wenn Menschen Fernsehsendungen und Filme sehen, fühlen sie sich womäglich von fiktiven Schurken / Bösewichten wie Voldemort und Darth Vader oder Maleficent und Moriarty auf unheimliche Weise fasziniert.

Die Anziehungskraft von der sogenannten dunklen Seite durch die bösen Charaktere hat eine beruhigende psychologische Erklärung laut einer in Psychological Science veröffentlichten Studie.

Nach den Studienbefunden könnten Menschen fiktive Bösewichte überraschend sympathisch finden, wenn sie Ähnlichkeiten mit dem Zuschauer oder Leser haben.

Diese Anziehungskraft auf potenziell dunklere Varianten von uns selbst in Geschichten tritt auf, obwohl wir von Personen aus der realen Welt, die ähnlich unmoralische oder instabile Verhaltensweisen zeigen, abgestoßen würden.

Ein Grund für diese Verschiebung, so die Psychologen, ist, dass die Fiktion im Film und anderen Medien wie ein kognitives Sicherheitsnetz wirkt, das es uns erlaubt, uns mit schurkischen Filmcharakteren zu identifizieren, ohne unser Selbstbild zu trüben.

Die Menschen wollen sich selbst in einem positiven Licht sehen, bemerkt Rebecca Krause vom Fachbereich Psychologie der Northwestern University. Ähnlichkeiten zwischen sich selbst und einem schlechten Menschen zu finden, kann unangenehm sein.

Die Anziehungskraft von Filmschurken

film-streifen
Bild: Gerd Altmann

Die Einordnung des Bösewichts in einen fiktiven Kontext kann dieses Unbehagen beseitigen und sogar diese Präferenz umkehren, behaupten die Psychologen. Im Wesentlichen sollen durch diese Trennung von der Realität unerwünschte und unangenehme Gefühle abgeschwächt werden.

Wenn der Vergleich nicht mehr unangenehm ist, scheint es etwas Verlockendes und Anziehendes zu haben, Ähnlichkeiten mit einem Filmbösewicht zu entdecken, erklärt Koautor Derek D. Rucker.

Zum Beispiel fühlen sich Menschen, die sich selbst als verschlagen oder chaotisch sehen, vielleicht besonders zu der Figur des Jokers in den Batman-Filmen hingezogen, während eine Person, die Lord Voldemorts Intellekt und Ehrgeiz zu teilen glaubt, sich vielleicht mehr von dieser Figur in der Harry-Potter-Serie angezogen fühlt.

Um diese Idee zu testen, analysierten die Forscher Daten von etwa 232.500 Personen, die an einem Persönlichkeitstest teilgenommen und ihre Ähnlichkeit mit verschiedenen Charakteren – Bösewichter und ‚gute‘ Helden – angegeben hatten. Zu den Schurken zählten Charaktere wie Maleficent, The Joker und Darth Vader. Zu den Nicht-Schurken gehörten Sherlock Holmes, Joey Tribbiani und Yoda.

Mit Hilfe der anonymen Daten aus diesen Tests konnten die Forscher anhand von Nicht-Schurken testen, ob sich Menschen von ähnlichen Schurken angezogen oder abgestoßen fühlten.

Bedrohung des Selbstbildes

Es ist nicht überraschend, dass sich die Menschen mit zunehmender Ähnlichkeit zu Nicht-Schurken hingezogen fühlten. Die Ergebnisse zeigen jedoch weiter, dass sich die Befragten am meisten zu Schurken hingezogen fühlten, die Ähnlichkeiten mit ihnen teilen.

Die Forscher glauben, dass Ähnlichkeiten mit Film-Bösewichten das Selbstbild nicht in der Weise bedrohen, wie es Schurken im wirklichen Leben tun würden.

Angesichts der verbreiteten Erkenntnis, dass Menschen sich unwohl bei Personen fühlen und sie meiden, die ihnen ähnlich und auf irgendeine Weise schlecht sind, waren die Forscher von den psychologischen Befunden überrascht, dass Menschen tatsächlich ihnen ähnelnde Schurken den ihnen unähnlichen Bösewichten vorziehen.

Erforschung der eigenen dunklen Seite?

Aus den aktuellen Daten geht nicht hervor, welche Verhaltensweisen oder Eigenschaften die Teilnehmer attraktiv fanden. Weitere Forschung ist notwendig, um die psychologische Anziehungskraft von Bösewichten in Film und anderen Medien zu untersuchen und um herauszufinden, ob sich Menschen zu ähnlichen Schurken in der Fiktion hingezogen fühlen, weil sie nach Möglichkeiten suchen, ihre eigene persönliche dunkle Seite zu erforschen.

Vielleicht bietet die Fiktion eine Möglichkeit, sich mit den dunklen Aspekten der eigenen Persönlichkeit auseinanderzusetzen, ohne dass man sich fragen muss, ob man generell ein guter Mensch ist, so die Psychologen abschließend.

© PSYLEX.de – Quellenangabe: Psychological Science – DOI: 10.1177/0956797620909742

Weitere Artikel, News